Weise alte Weiber

Viele Bayern schimpfen völlig zu Recht über den kalten August, selbst renommierten Klatschzeitschriften ist er eine Umfrage wert. Allein, was kann man ändern? Irgendwie ist es in den Köpfen älterer Menschen, dass Sommer früher zwischen Juni und August und Winter zwischen Dezember und Februar statt gefunden haben. Das haben sie dann ihren Kindern erzählt, die wiederum es an ihre Kinder weitergegeben haben und schon hatten wir den Salat: unerfüllte Erwartungen, fehlgeleitete Hoffnungen, unrealistische Träume. Wie klug sind da die alten Weiber, deren Zeit, zwar wenig charmant betitelt, aber egal, nun gekommen ist. Und wieviel schöner sind solche tatsächlich goldenen Stunden, denn schon meine Mutter wusste immer, wenn der beliebte Kartoffeldip ausging, dass die Dinge nur gut sind, wenn sie knapp sind (sie rühmt sich, noch ein Kriegskind zu sein, bei Handtaschen denkt sie anders). So wie die Sonnenstunden gestern und heute.
Morgens schlingt man sich als Tribut an den „morgendlichen Frühnebel“ noch eine halbe Wolldecke um den Hals, damit es wenigstens von oben her warm ist, denn vor November werden keine Strümpfe getragen, da kann ich eisern sein, mittags durchzuckt einen kurz der Gedanke, ob man durch Sturheit vielleicht gerade auf dem allerbesten Weg in eine Blasenentzündung ist und betrachtet sehnsüchtig den neuen „Normcore“-Trend (denn das normale darf nicht einfach normal sein, es muss hardcore normal sein, daher stammt das Wort, wir lernen hier im Blog immer was dazu) mit all seinen kuschligen langen Pullis und dicken Mänteln und auf einmal krabbelt die Sonne ermattet vom langen Kampf mit ihnen durch die Wolken und bereitet einem die allerschönsten zwei Stunden.
Wie soll ein tatsächlicher Sommertag da mithalten? Wo es so wie bei einer Affäre ist (nicht dass ich da groß mitreden könnte, allerdings mein Verhältnis mit der Sonne hat etwas Affärenhaftes, das stimmt schon) und vor allem im erträglichen Ausmaß. Sie scheint gerade so lange, dass man kein schlechtes Gewissen haben muss, sie auszunutzen, kurz genug, um nicht an schlimmste Hautfolgen zu denken und lang genug, um sich an ihr zu freuen. Herrlich, ein altes Weib zu sein.

Ein Gedanke zu „Weise alte Weiber“

  1. Was soll man als alter, erfahrener, gequälter Mensch zu diesem Wetter sagen. Am Besten nichts. Es ist eine Frechheit. Ich bin sicher der einzige Mensch, der das Wetter durchaus in Ordnung fand. Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass ich mich seit Mitte April bis jetzt nur in den vorgegebenen vier Wänden aufgehalten habe. Frische Luft, Sonne etc. kenne ich nur, weil ich mich noch gut an die vergangenen Jahre erinnern kann. Mir hat nichts gefehlt, ich hatte nie zu heiß oder zu kühl, Regen habe ich nur gehört, also ich war zufrieden. Mal sehen, was mein „Altweibersommer“ für mich bereit hält. Ich geh einfach nie mehr raus, schone dadurch Kleidung und Schuhe, kann immer Balerinas tragen, und muß nie Stümpfe anziehen. Das wird fein.

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