Flughafenhotels (und ihre Folgen)

Mehr oder weniger durch Zufall bin ich letzte Woche in einen der letzten romantischen und mythenumwitterten Orte unserer Reisewelt vorgedrungen: Das Flughafenhotel. In einem Flughafenhotel geschieht bestimmt wesentlich mehr Romantisches, Verruchtes und auch Tragisches als im luxuriösesten Hotel in Paris. Superhipp, supergroß und superanonym hat so ein Flughafenhotel die allerbesten Voraussetzungen für Affären, Stop-over oder gar windige Geschäfte. Ich muss zugeben, dass meine Phantasie sofort mit mir durchgeht, wenn ich so einen Ort sehe. Bestimmt stecken ganz viele Geschichten in den einzelnen Zimmern. Wie eigentlich in allem, was einem so im täglichen Leben begegnet. Meine Mutter, ein listiges erfahrenes Weideschaf, das schon fast alles gesehen und gehört hat, erzählt mir immer, wenn ich im Römischen Verkehr bleich vor Zorn werde, weil einer mich mit dem Smart auf’s Übelste abdrängt, Geschichten über die unverschämten Fahrer.

War es ein Mann, so erzählte sie mir beispielsweise Folgendes: Weißt Du, Du hast ihn die ganze Zeit an seine Frau erinnert, mit der er meinte, total glücklich zu sein, für die er gearbeitet hat und die er geliebt hat. Bis zu dem Tag, als er herausfand, dass sie ihn mit seinem Chef betrügt. Oder wenn der Fahrer ganz besonders frech und dreist war, mich gar geschnitten hat, konnte die Geschichte auch so sein: Gerade heute Morgen hat dieser arme Mann seinen Job verloren, seine Frau hat ihn darauf hin verlassen und jetzt ist er auf dem Weg vom Büro nach Hause, in dem es sich gerade sein junger, dynamischer Nachfolger bequem macht. Wie konnte ich da noch ärgerlich sein? Manchmal wäre ich den Leuten am liebsten nachgefahren, um sie zu trösten. Reframing nennt man diese brillante Technik, bei der es letztlich um nichts anderes geht, als eine Tatsache oder ein Ereignis aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, ihm eine andere Bedeutung zu geben. Oder einfach die ganze Geschichte zu erfahren.

Ich denk mir das manchmal auch bei mir selbst, wenn ich etwas drumselig vor mich hinschaue, weil ich mir Sorgen mache oder mit meinen Gedanken meilenweit entfernt bin. Woher sollen die anderen das wissen? Wenn sie wüssten, was mich gerade bewegt, würden sie es sicherlich besser verstehen. Sind dafür vielleicht sogar die Höflichkeits- und Gesellschaftsregeln erfunden worden? Damit das Zusammensein trotz unterschiedlichster Erfahrungen und Charaktere und Temperamente dennoch funktioniert, weil diese eben auf Situationen und Funktionen abgestimmt sind und nicht nur auf das Einzelwesen? Dann wird das gesellschaftliche Zusammenleben vermutlich künftig eher schwieriger als leichter, weil so wenige Menschen es heute noch Face-to-Face trainieren. Vor dem Computer ist es fast egal, wie man sich benimmt, zumindest auf vielen Gebieten. Und wirklich raus gehen muss man auch nicht mehr. Da ist es doch gut, dass es so zentrale Begegnungsstätten wie dieses Flughafenhotel gibt. Da treffen noch echte Menschen aufeinander und vielleicht hält einem am nächsten Morgen einer von diesen unerwartet die Türe auf, weil er ein ganz wunderbares Erlebnis in ebendiesem hatte. Oder ein Mann rüpelt einen an der Kreuzung an. Kann natürlich auch sein…

Ein Gedanke zu „Flughafenhotels (und ihre Folgen)“

  1. Mit Flughafenhotels habe ich nur sehr alte und klitzekleine Erfahrungen. Meine Freundin H. aus W. wollte unbedingt in Dallas übernachten, am einfachsten in einem Flughafenhotel. Das darf man nicht machen, wenn man am nächsten Tag eine Stadtbesichtigung geplant hat. In Dallas leben als Dienstleister in erster Linie Mexikaner. In der Stadt waren wir schnell, es genügte Downtown und Kennedy zu erwähnen. Aber wieder im Hotel am Airport…. Es war entsetzlich. Diese Taxifahrer sprechen kein Wort das irgendwie mi dem englischen eine Ähnlichkeit ha. Nie mehr passiert mir das. Fast hätte ich geweint beim Anblick unseres Hotels.

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