Tiefstehende Sonne

Natürlich ist es schön, dass die Sonne auch im Winter scheint, wenngleich ein bisschen Schnee langsam nicht schaden könnte, um in die rechte weihnachtliche Stimmung zu kommen. Was diese Wintersonne, die in ihrer Mattigkeit nicht hoch genug steigen kann, jedoch ans Licht bringt, ist ausgesprochen unerfreulich und sorgt erst recht nicht für weihnachtliche Gefühle. Auf meinem dunklen Parkett rasen kleinste Staubmäuse hin und her, wirbeln Staubkaskaden in die Höhe und verheddern sich an einem einzelnen langen Haar von mir. Es ist zum Heulen. Wenn ich das nicht sehe, dann dafür sicherlich Fußtapper, wenn man mal barfuß gegangen ist und so weiter und so fort. Ich könnte noch ewig beschreiben, was sich auf meinem Fußboden abspielt, aber ich bin zu abgelenkt von Tischen, Büchern, Stühlen und anderen Möbelstücken. Bin ich so unordentlich? Oder liegt es wie so oft an der richtigen Beleuchtung, der Betrachtung?

Nicht umsonst lieben viele Menschen Kerzenlicht oder bollerige Stehlampen, weil sie nicht volle Lotte von oben draufknallen und das ein oder andere gnädig im Schatten verbleibt. Überhaupt sind manche Dinge einfacher zu ertragen, wenn man nicht alles sieht und so ist eines der Lieblingssprichwörter meines Schwiegervaters auch „meno so, meglio sto“, je weniger ich weiß, desto besser geht es mir. Er ist übrigens Anwalt. Das unterschiedliche Empfinden von Situationen hängt – wie einer meiner Stammkommentatoren jüngst so weise dargelegt hat – auch stark von den Erwartungen ab. Da gibt es mannigfaltige Versuchsanordnungen: Hohe positive Erwartungen, die dann enttäuscht werden, hohe negative Erwartungen, die auch enttäuscht wurden, weil sie nicht eingetroffen sind und alles doch ganz gut gegangen ist und die Königsdisziplin von allen: keine Erwartungen und nicht werten. Bei meinem Parkett geht das nur schwer, für alle anderen Lebenssituationen trainiere ich noch.

Übrigens hat eine kurze Umfrage unter Freundinnen ergeben, dass dieser heimtückische Umstand mit den Erwartungen auch auf Waagen zutrifft. Fühlt man sich rehgleich schlank und freut sich auf die Quittung für Weglassen des zweiten Glases Rotwein auf der Waage, quittiert sie das kapriziös mit einem fürchterlichen Ausschlag nach oben. Schleicht man hingegen verängstigt um sie herum und setzt sogar die Brille vorher ab, geht alles gut. Kann man Rückschlüsse daraus ziehen? Ja, kann man. Die decken sich dann allerdings wiederum nicht mehr mit dem energetischen Satz, dass alles Energie ist und man heute so lebt, wie man es sich früher vorgestellt hat. Alles Quatsch. Die meisten Dinge im Leben sind wie das Wetter. Sie passieren einfach und so blicke ich heute in einen nebligen trüben Himmel, der meinen Fußboden zwar nicht glänzen lässt, aber dafür auch die Wollmäuse verbirgt.

2 thoughts on “Tiefstehende Sonne

  1. In diesem Fall empfehle ich einen Stadtbummel oder noch besser einen Spaziergang im Wald. Weil, wenn man nicht da ist, sieht man es nicht. Ich habe gerade den Rolladen runter gemacht, weil ich das Desaster nicht mehr sehen kann. Wirklich, da meint man alles im Griff zu haben und dann scheint die Sonne ins Haus und Pfeiferdeckel. Das mit der Waage ist bei mir so lange gut gegangen, bis mein Mann, ohne mich zu fragen, neue Batterien am Sonntag rein getan hat. Ich hatte mir zwar vorgenommen, nicht drauf zu steigen, aber mei, nach mehrmaligem drum rum schleichen habe ich meinen Haargummi (ja der wiegt ja schließlich auch was) raus und bin drauf. Als ich aus meiner Ohnmacht erwacht bin, bin ich mit guten Vorsätzen nach unten und diese dann irgendwo wieder verloren bis zum nächsten Tag, als die Waage wieder auftauchte. Gott sei dank ist man ja nicht so oft im Bad!

  2. Vor ca. 15 Jahren hat eine Freundin von mir in ihrer wunderschönen Eigentumswohnung endlich den von ihr ersehnten Marmorboden verlegen lassen. In schwarz! Es wurde der Supergau. Kaum hat die Sonne gescheint und so wie das Haus konzipiert war und wie und wo es stand, hat sie eigentlich immer in diese Wohnung hineingeschienen, brach bei meiner Freundin Hektik aus. Denn die Wollmäuse, diese frechen kleinen Dinger, waren noch harmlos im Vergleich zu den Streifen und Schlieren und Mustern, die entweder die völlig unfähige Putzfrau oder sie selbst hinterlassen hatten beim feucht wischen, um auch wirklich alle Mäuse zu binden. Von den Noppen der Turnschuhe mal abgesehen und dem feinen Staubbelag, der sich zwangsläufig dann bildet, wenn man aufhört in einer Wohnung rumzulaufen. Köstlich, köstlich. Dies hat mich aber nicht davon abgehalten, für mich selbst eine große Wohnung völlig mit schwarzem Teppichboden auszustatten. Mit weißem Hund! und grauem Haar! Das bedeutete alle halbe Stunde saugen. Jetzt lebe ich im Paradies. Mintfarben und wenn die Sonne scheint, sofort Rollos runter und Ruhe kehrt ein!

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