Wofür es nicht alles Berufe gibt: Zum Schwäne einfangen gibt es in Hamburg den Katastrophenschutz, Untereinheit Schwanenwesen. Wer hätte das gedacht? Die Schwäne werden händisch eingefangen, in Stroh bedeckte Boote verfrachtet und ins Winterquartier gefahren. Damit sie nicht erfrieren. Als ich das gesehen habe, war mein erster Gedanke angesichts der leichten Panik der Schwäne: Ach herrje, die armen Tierle, die verstehen gar nicht, was mit ihnen geschieht. Aber etwas an dem blauen Boot hat Erinnerungen wach gerufen. Erinnerungen an ein anderes blaues Boot, das in den letzten Wochen immer wieder von oben gefilmt und fotografiert, durch die Medien gegangen ist. Allerdings eines aus dem Süden Europas. Eines, das viel voller war. In den Gewässern vor Sizilien.
Da kommen natürlich Gedanken auf. Kann sich eine Nation, die sich ein Schwanenwesen leistet, nicht auch Flüchtlinge leisten? Oder mehr Kindergärten? Oder Kaffee für die Bahnhofsmission? Nicht dass Schwäne und Tiere nicht ausgesprochen wichtig wären. Ich muss zugeben, dass ich leichter Mitleid mit Tieren als mit Menschen empfinde. Tiere sind in meinen Augen immer unschuldig, Menschen nicht immer. Zum Beispiel Diejenigen, die all das Elend forcieren und gut daran verdienen. Die Schlepper. Die sind sicher nicht unschuldig. Nun gibt es Stimmen, unter anderem in einem neuen Buch, das zwei Italiener geschrieben haben, die sagen, man könne nicht die Schlepper verantwortlich machen, zumindest nicht ausschließlich. Sie würden nur dem Prinzip von Angebot und Nachfrage folgen und ein Geschäft, das sich anbietet, durchziehen. Wie viele andere Menschen auch. Waffenhändler, Dealer, selbst Ärzte.
Haben sie recht? Darf man alle Geschäfte machen, die sich anbieten? Reicht es zu sagen: wenn nicht ich es mache, macht es ein anderer? Gilt das dann nicht auch im Umkehrschluss? Wenn ich es nicht mache, macht es auch kein anderer? Zum Beispiel beim Helfen. Oder gilt da auch das Prinzip: ich brauche es nicht zu tun, es macht bestimmt ein anderer. Das Prinzip der (fehlenden) Zivilcourage im Alltag basiert darauf. Wird schon einer machen. Tut man alles selbst, weil man dann weiß, dass es (ordentlich) gemacht ist, kann es leicht sein, dass man des Kontrollzwangs bezichtig wird und kann man wirklich alles selbst machen? Soll man nur Dinge wollen, die man auch selbst machen kann? Im Extremfall stirbt man dann einfach. Oder findet eine andere Lösung. Und ist das dann Zivilisation, dass man eben geholfen bekommt, wenn man es alleine nicht mehr schafft? Ist es Zivilisation, Schwänen zu helfen und gleichzeitig Tiere bestialisch und en masse unnötig grausam abzuschlachten? Und mehr Menschen auf ein Boot zu stecken, das man keinem Schwan zumuten würde?
Darauf kann ich nicht antworten. Ich habe mir fest vorgenommen, keine Zeile über diese Flüchtlingsproblematik zu lesen, ich sehe kein TV, um nicht damit konfrontiert zu werden und ich habe grundsätzlich keine Lust mich mit den Problemen Nichtdeutscher zu befassen. Wir haben in unserem Land so viel Elend bei alten und hilfsbedürftigen Menschen – Kindern wird leichter und schneller geholfen – dass zuerst hier Ordnung geschaffen werden sollte. Und zum Thema Ordnung gehört auch das ordentliche Wegräumen von Schwänen, die zu ungeschickt sind, für den Winter Vorsorge zu treffen. Tierschützer gehen schneller und effektiver auf die Barrikaden, wenn da Gefahr in Verzug ist, als Menschenrechtsvertreter.
Das ganze Thema mag ich nicht. Das ganze Elend. Wenn jeder in seinem kleinen Bereich das Unrecht geraderückt, das er feststellen kann, ist doch schon viel gewonnen. Es muss aufhören, dass der erste Schrei nach dem Staat ist. Der Staat sind wir! Hier klinke ich mich aus.