Le Bébé

Aus gegebenem Anlass, jedoch keineswegs berufenem Munde möchte ich heute über französische Babys schreiben. Der Anlass ist, natürlich, ein französisches Baby. Es ist das Baby eines lieben Kollegen meines Mannes und heute sechs Tage alt. Der Vater, ein Amerikaner, war beim Mittagessen ein wenig verstört als er uns von all den Ratschlägen, die auf ihn einprasseln, berichtet hat. Wir waren das dann auch. Allerdings MÜSSEN die Franzosen Einiges anders machen als die Deutschen oder Amerikaner, denn hier kann man auch mit vier Kindern unter sechs Jahren in ein Kaufhaus oder einen Supermarkt gehen, ohne in Handschellen oder Zwangsjacke heraus zu kommen. Und auch im Restaurant sitzt man so manches Mal erstaunt neben einer Familie mit kleinen Kindern und kann sich dennoch unterhalten. Das kennen wir so nicht von unseren deutschen Freunden. Da sind wir meist sehr froh, wenn wir unser eigenes Wort verstehen.

Dieser Jungvater hat uns jedenfalls etwas perplex in einige ultimative Dos und Donts seiner französischen Schwiegermutter und der Femmes sages, der weisen Frauen oder Hebammen, wie wir sagen würden, eingeweiht. Ich teile sie gerne:
Niemals und auf überhaupt gar keinen Fall einen Schnuller geben
Nicht im Arm schlafen lassen, Bébé muss selbständig sein
Wachrütteln zum Füttern
Alarmiert durch derartige Rohheiten, habe ich mich sofort kundig gemacht und muss sagen: ganz so verkehrt scheint es mir nicht, was da gesagt wird. Bei genauerer Recherche bin ich auf ein Buch gestoßen, das von einer perplexen Amerikanerin in Paris verfasst worden ist. Darin beschriebt sie, dass die Franzosen instinktiv das Prinzip von ‚La Pause‘ zur Erziehungsmaxime erheben.

La Pause bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als nicht sofort zu springen, wenn das Bébé quengelt, sei es nachts oder tags, einfach mal ein bisschen warten lassen. Dadurch würde die Frustrationstoleranz erhöht und Bébé hätte es auch später im Leben leichter, denn leider, leider wird es im schlechtesten Fall mal an einer Supermarktkasse warten müssen und da ist es hier wie dort nicht gerne gesehen, wenn man mit Geiselnahme oder Ähnlichem droht, bloß weil es nicht voran geht. Sehe ich mich in Deutschland um, muss ich feststellen, dass die Kinder, die ich kenne, durchaus nicht viel glücklicher sind, wenn ihre Mütter sich voll und ganz auf sie und ihre Launen konzentrieren. Mütter, die fulltime arbeiten, haben nicht die Möglichkeit, jedes Quieken gleich zu ergründen und das Bébé lernt automatisch, dass man auch mal warten muss und die Welt davon nicht untergeht. Eigentlich sehr einleuchtend. Vor allem, wenn man ein Kassensystem wie der Supermarkt Monoprix hat. Als gute Deutsche hätte ich dort gestern und heute um ein Haar mit Zucchinis um mich geworfen. Meine Frustrationstoleranz ist eindeutig noch deutsch.

3 thoughts on “Le Bébé

  1. Ja das ist ja sehr interessant. Das System müssen die Franzosen von den Deutschen übernommen haben! Als die sehr verehrte Bloggerin geboren wurde, gab nur die Möglichkeit 6 – 10 – 14- 18 – 22 Uhr. Das waren die Zeiten, zu denen man das Kind wachgerüttelt hat um 6, um es zu füttern und zu wickeln, um 10 um es zu baden und wickeln und zu füttern, um 14, um es zu füttern und zu wickeln und um 18, um es zu füttern und zu wickeln und schließlich um 22 Uhr, um es hoffentlich letztmalig am Tag zu füttern und zu wickeln. Zwischendurch durfte sicher geschrieen werden, sowohl von Kind als auch Mutter, denn man sollte das Kind schreien lassen. War nicht immer leicht, man hatte ja auch Nachbarn, aber die dachten auch, das Kind wird ja irgendwann erwachsen sein. Von meinen nächtlichen Wanderungen stand da nichts im Plan. Die sehr verehrte Bloggerin war sowohl tag- als auch nachtaktiv! Ich war weder das eine noch das andere nach geraumer Zeit. Ich wollte nur noch schlafen.
    Tja und dann kam das Buch #das Projekt Summerhill‘ auf den Markt und in die deutschen Schlafzimmer. Auch damals diskutierten wir jungen Mütter über das Für und Wider. Windeln zu tragen, z.B. ob es Sinn macht, in einen kleinen K..haufen des geliebten Säuglings auf der Auslegware zu treten, dann bei den ab einjährigen Kindern ob man irgendwas verbieten oder gar lenken sollte etc. z.B. beim Essen ohne Besteck oder mit, ganz wie das erzeugte Geschöpf es wünscht. Es war schwer und über dem ganzen Nachdenken habe ich sehr autoritär mich an die Zeiten gehalten, das endlich schlafende Kind wachgerüttelt zum Füttern etc. Verbote ausgesprochen, nach 15 Monaten den Schnuller entwendet, aufs Töpfchen gesetzt, das ganze Spiel halt und meine geliebte, sehr verehrte Bloggerin wurde prächtig, wenn auch stumm, aber auch das hat sich im Lauf der Jahre gelegt!

    • Stumm war ich vermutlich, weil ich in diesen harten Monaten gelernt hatte, dass Widerspruch zwecklos ist.

  2. Fühle mich berufen, als erfahrene Mutter mein Meinung zu sagen. Also beide habt ihr recht. Zu den Franzosen sei gesagt, dass die Mamam ja schon nach 6 Wochen in die Arbeit geht und ihr Bébé in eine Krippe bringt. Dort ist der Tagesablauf gut strukturiert und die Kinder gewöhnen sich schnell daran, nicht alleine auf der Welt zu sein. In Deutschland haben wir natürlich die letzten Jahrzehnte soviel über richtig und falsch bei der Erziehung erfahren, dass keiner mehr weiß, wie’s geht und man dann halt einfach gar nicht erzieht und das Kind auf der gleichen Stufe mit den Eltern steht und daher einfach überfordert ist. Ich als Mutter stand auch an Kassen mit einem wütenden Kind, das nicht verstand, warum es die Süßigkeiten nicht bekommt und ich bin ruhig geblieben, hab getan als wäre nichts und dieses Kind ignoriert, bis es sich wieder normal verhalten hat, weil es gemerkt hat, es kommt so nicht durch. Ja und das habe ich bei beiden Kinder genau so erlebt und was denkt ihr, wie die Leute drumherum reagiert haben? Also eigentlich darf man das heutzutage gar nicht mehr. Dass das Jugendamt nicht informiert wurde, war alles. Ich will eigentlich sagen, dass es gar nicht so einfach ist, man aber auf sein Gefühl hören soll und davon haben die liebe Bloggerin sicherlich genug und auch das Prunkschaf.

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