Trendfollower wider Willen

Gestern war der internationale Tag der Jogginghose und zum ersten Mal in meinem ganzen langen Leben habe ich mein Yoga-Outfit irgendwie den ganzen Tag nicht aus bekommen. Und – oh Wunder – ich bin nicht mal besonders aufgefallen. Karl Lagerfeld würde zwar sagen, ich hätte die Kontrolle über mein Leben verloren und gestern hätte das auch ein bisschen zugetroffen, weil irgendwie immer irgendwas war und ich von hier nach da gehoppelt bin, ohne Rast und ohne Ruh. Das lag zum einen am ursächlichen Motiv für die Leggins (es waren keine Jogginghosen, sondern schwarze Leggins mit schwarzem T-Shirt, also bitte!), nämlich der Yogastunde, dann an einem Termin, den man sicherlich ebenso schwierig mit dem Papst bekommen hätte. Der war bei einem Stoffgroßhandel im nächsten Ort und musste auf die Minute genau eingehalten werden.

Unser städtischer Stoffladen, den ich angeblich schon als Kleinkind mit gutem Grund in Grund und Boden gebrüllt habe, hat nämlich gar nichts. Der Stoffgroßhandel nur unwesentlich mehr. Egal, nun war ich schon mal da und wollte auch eine bella figura machen, weil ich mit der Karte einer Freundin drin war. Also habe ich scheu und brav und begeistert etwas ausgewählt, von dem ich hoffe, dass es sich zu dem verarbeiten lässt, was ich mir seit vielen, vielen Jahren wünsche. Dann musste das erst aus dem Lager geholt werden, in der Zeit war ich einkaufen, eigentlich nur Wimperntusche, aber die hätte ich vor lauter Waschmittel und Badreiniger fast vergessen. Dann habe ich meine Lektion gelernt, dass ich besser nicht mehr in Leggins und Daunenjacke einkaufen gehe, denn der Stoffgroßhändler war offenbar gerade richtig in Fahrt, weil er lange Fachgespräche mit einem Kunden über die glitzernden Stöffchen geführt hat. Ob jetzt das aufgenähte Glitzerdekolleté bei einer Frau mit 1,68 (das ist schon recht groß, finden Sie nicht und dabei schaut er mich an – hm) alles bedeckt, ob die perlenvorhangartigen Fransen beim Tanzen von Singing in the rain auch schön schwingen und all Solches mehr wurde da durchgesprochen. Klar, dass der Herr in Schwung war und mir einen herzhaften Klaps auf den sehr verlängerten Rücken gegeben hat. Führt direkt wieder zu Satz eins. Noch nie im Leben ist mir das passiert.

Ich habe auch festgestellt, dass ich in einem normalen Bäckereishop, in dem ich mir während der Wartezeit einen Kaffee gekauft habe, überhaupt nicht aufgefallen bin, alle trugen Leggins, alle trugen Fellstiefel, alle trugen Daunenjacken, alle trugen Pferdeschwanz. Ich bin auch nicht im Drogeriemarkt aufgefallen und so langsam muss ich mich fragen, warum ich all das Geld ausgebe und mir nicht einfach jeden Tag meine Yogatasche mit dem pinkfarbenen Elefanten umhänge und so tue, als käme ich vom Yoga. Jetzt bleibt erst mal abzuwarten, ob sich all diese Gänge gelohnt haben und mein Stoffprojekt einen neuen Anti-Trend zur Jogginghose setzen kann.

5 thoughts on “Trendfollower wider Willen

  1. Na na na, wohin rutschen wir denn hier ab? Erst Verbotene Liebe, das hab ich ja nie verstanden, kann mich aber gut daran erinnern, auf die Uhr geschaut zu haben, bevor ich die Bloggerin anrufen wollte, ob nicht diese Sendung gerade läuft. Jetzt in Jogginghosen unterwegs auch wenn es Leggings heißt, es bleibt nunmal Kleidung, die für den Sport gedacht ist oder fürs Sofa . Allerdings kann ich mich erinnern, dass ich mit der lieben Bloggerin in diesem Outfit auch schon schnell mal in die Eisdiele gefahren bin, weil ich leichtsinnigerweise erwähnte, ein Nachtisch wäre jetzt nett. Kaum gesagt, haben wir schlagartig die Wohnung verlassen und haben auf unsere Kleidung keinen Gedanken verschwendet. Und was war? Kein Mensch hat nach uns gesehen oder sich umgedreht und getuschelt. Wobei wir wieder bei dem Thema des Durchsichtigwerdens sind. Die Prunkschaft weiß, was ich meine. Na ja zurück zum Thema. Schöne Menschen entstellt nichts und was interessiert uns das Geschwätz der Anderen? Das ist der Vorteil des Älterwerdens, es ist uns einfach wurscht.

    • Ich bin leider alles andere als durchsichtig, sondern dank feinster Pasta und vieler guter Fische sehr substanziell. Prunkschaf ist in der Tat sehr schmal und bisweilen auch leicht durchsichtig. Solche Eisbesuche tun ihr Übriges….

  2. Was mich viel mehr interessieren würde ist was man sich schon immer gewünscht hat und jetzt nähen lässt !

  3. Liebe Mare, ich bin sehr froh, dass Du gerade zu diesem Thema endlich auch mal wieder Deine Meinung abgibst. Ich kann dazu nicht allzuviel sagen, hatte aber dreißig Jahre lang ein ähnliches Problem. Meine Reitkleidung. Das begann täglich am frühen Morgen, schon beim Bäcker wurde ich, je nachdem, schräg angeschaut, ich dachte immer das liegt an den Mainzern oder meinem Dialekt. Nein, es war meine Kleidung. Naja, dann bin ich geritten, dann habe ich den/die Hunde gesucht, das/die Pferde versorgt, noch etwas getrunken und bin dann leicht nach Stall riechend mit den schweren Gedanken einer Hausfrau, die wieder nicht weiß, was sie für zwei Kinder im schulpflichtigen Alter kochen soll, in den Supermarkt gesaust. Nach zehn Jahren hat man mich gekannt, ich glaube so nach zwanzig Jahren haben die Leute gedacht, mein Gott die Alte. Ja, so wirklich modern wurde mein Look nie! Und dann kam ich ohne Pferde in unsere kleine biedere Stadt zurück. Und dann trat mein Fußballgott in mein Leben und mit ihm der zwanglose Look. Nach dem ersten Jahr unserer Liebe hat er mich gefragt, ob ich immer so rumlaufe?! Er meinte in enge Jeans gequetscht, korrekte Schuhe, etc. Ich hatte keine Ahnung was er sich vorstellte, denn dieser allwissende Mann brachte nicht nur Leben, nein auch eine Jogginghose samt T-Shirt, ca. 25 Jahre alt, angeblich noch gut, in mein Leben. Wirklich widerwillig habe ich bei H&M meine erste Samt-Jogginghose gekauft. Also ehrlich, mögen tu ich die Dinger nicht, wenn ich alleine bin, ziehe ich so was nie an, denn unter uns, es könnte ja jemand kommen und was sollen dann die Leute denken. Würde meine Mutter sagen, sie hätte auch gesagt, du willst doch nicht so rumlaufen????? Irgendwie kann ich das nicht, ich bin nie so entspannt dass ich zwanglos sein kann und will, das geht bei mir nicht, ach, ich bin halt ein alter Spießer. Zu mir kann man immer kommen, bin immer anständig angezogen, nur nachts nicht.

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