Ausweichmanöver

Heute beginnen die ‚Soldes‘ in Paris. Das kann den Adrenalinspiegel ganz schön heben, vor allem, wenn man sozusagen im Auge des Hurrikans wohnt. Aber nicht nur das. Auf dem Weg zum Büro, den ich morgens gerne und oft mit meinem Mann beschreite, weil ich dann erstens weiß, wie das Wetter ist und anschließend noch das Ein oder Andere erledigen kann, sind wir gemütlich plaudernd auf dem ungewöhnlich breiten Bürgersteig der Rue de la Paix gelaufen. Viele Menschen kommen einem da entgegen. Die Einen joggen, die Anderen haben Kopfhörer auf und sind vertieft, wieder Anderen sieht man an, dass sie jetzt zum Arbeiten in die Geschäfte gehen, in denen sie sich meistens gerade mal einen Schlüsselanhänger leisten könnten und einen vermutlich deshalb auch nicht immer arg nett behandeln und die ganz Anderen…die sind einfach wahnsinnig aggressiv und suchen Ärger. Ich komme ja nun aus einer kleinen Stadt, in der bewusstes Rempeln als das verstanden wird, was es ja auch letztendlich ist: eine wenig subtile Provokation, vor allem, wenn ein Mann eine Frau anrempelt, obwohl ganz viel Platz ist.

Als mir das heute passiert ist, hab ich kurz warten müssen, um es zu verarbeiten und dann war mein erster Impuls: nachlaufen und fragen, ob er einen Knall hat. Mein großstadterprobter und besonnener Mann hat mir das zum Glück ausgeredet, das heißt, er hat mich schlichtweg festgehalten, weil ich vor Zorn geschäumt habe. Man kann nämlich sehr gut zwischen einem Rempler und einem trottoirschubsenden Bodycheck unterscheiden. Kurzum, es hat mich gar nicht richtig losgelassen, bis wir mittags mit einem Kollegen beim Essen waren. Auf dem Weg dorthin hat er – Italiener aus Rom – erzählt, was er so alles in Paris erlebt hat und wie sehr er sich verändert hätte. Früher und auch in Rom hat er auf Frechheiten reagiert, hat geantwortet, sich eingemischt, normal halt. Hier in Paris, nach der ein oder anderen schlechten Erfahrung, hat er sich das angewöhnt, was alle tun: ruhig sein, nicht auffallen, seinen Weg gehen.

Und dann kommen wir ins Restaurant, ein gemütliches italienisches Restaurant, wo alles gut riecht, der italienische Wirt sich freut, lauter Landsleute (und mich) zu haben und während wir die Mäntel ausziehen, erzählt er uns völlig geschockt von diesem unfassbaren Akt des Terrors, der sich eine halbe Stunde zuvor in Paris ereignet hat. Mehr Zeichen brauche ich nicht. Ich werde ausweichen.

One thought on “Ausweichmanöver

  1. Da kann ich mitreden. Auf einem Flug von Atlanta zurück nach Frankfurt hat vor mit ein, eindeutig einer Minderheit in Deutschland zuzuordnender, schwarzhaariger und bärtiger Mann um die dreißig Platz genommen und mir noch auf dem Rollfeld seine Sitzlehne auf die Kniee geknallt. Auf meine empörte Kritk hin wurde er sehr laut, zwar unverständlich, jedoch so, dass sogar eine Stewardess sich wieder abgeschnallt hat, um nach dem Rechten zu sehen. Sie gab mir dann zu verstehen, einfach nichts mehr zu tun. Am nächsten Tag waren in Frankfurt große Angriffe eben diesr Volksgruppe auf ein nicht befreundetes Konsulat. Ich nehme an, der vor mir war der Rädelsführer und ich hatte auch jedesmal in Paris Begegnungen der dritten Art.
    Entweder waren alle Papierkörbe der Stadt abmontiert und/oder zugeschweißt oder man kam ohne Taschenkontrolle in keines der großen Kaufhäuser oder verschiedene U-Bahnstationen waren gesperrt. Es wird noch so weit kommen, dass ich wie andere Länder es machen, meine Vertretung in Paris zurückrufe mit Familienangehörigen, da es dort zu gefährlich ist. Also bitte ma Chère, Contenance!

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