Ungeplanter Halt

Wenn ein Zug von 313 km/h (ja, ja, ich weiß, hirnlose Raserei, ist schon immer meine Rede) auf Null rutnerbremst und dann in einem piepskleinen Ort namens Lorraine anhält, ergeben sich viele Fragen:
Wer wohnt in Lorraine und bitteschön, warum? Ist Lorraine ein sehr reicher Ort, weil die Blumenrabatte mit kleinen Decken umhüllt sind? Und wenn ja, warum und wodurch? So mitten in der mittelfranzösischen Pampa? Und last, but not least: Warum hält der Zug überhaupt in Lorraine?
Zumindest auf diese Frage gibt es eine Antwort. Es war ein Polizeieinsatz. All dieser Aufwand, nur weil ein Mitreisender seit Wochen nicht duscht? Nein, wohl nicht. Leider. Der Herr vor mir verfügt betrüblicherweise über einen unfassbar starken und ebenso unangenehmen Körpergeruch und scheint sich daran auch noch sehr zu erfreuen. Dauernd hebt er die Arme und wedelt ein wenig, zieht die Schuhe aus und wackelt mit den Zehen, kurz, er tut alles, um seinen Hautgout gleichmäßig im Wagon zu verteilen. Sehr zu meinem Leidwesen, denn atmen sollte man nicht unüberlegt einstellen. Augen zumachen? ok, Ohren zuhalten? auch ok, Atmen aufhören? Recht irreversibel.
Als die Schwade besonders schlimm war, weil er sich neugierig drehen und wenden musste, kam auch ich nicht umhin, mich zu drehen und zu winden. Weil schon wieder ein neuer, gleichfalls uangenehmer Geruch ins Abteil getreten war. Hätte mich gar nicht drehen müssen, wäre auch so gleich aufgefallen. Ein großer Mann in modisch zerrissenen Jeans hat sehr lautstark seiner Verärgerung über die kleinen Abteile und Gänge Luft gemacht. Da waren wir grundsätzlich auf einer Wellenlänge. Nur nicht ganz mit der Art der Beschimpfungen, die er dem Zugbegleiter, der vorausgeeilt war, nachgetobt hat. Und auch seine Fahne war der Wahnsinn. Am liebsten hätte ich ihm meinen Stinker aus der Reihe vor mir auch gleich mitgegeben als er in Lorraine aus dem Zug geworfen wurde. Das hat er sich nämlich prinzipiell fein ausgedacht: in Straßburg in den TGV hüpfen, weil der dann bis Paris nicht mehr hält. Sollte man meinen. Aber, wenn man sich nur lange genug ungebührlich aufführt, dann tut er es eben doch. War alles sehr aufregend, ich habe ein Fragonard-Tüchlein leer geschnüffelt und bin jetzt völlig benebelt in Paris bei meiner Lieblingstätigkeit: Waschen im Waschsalon. Damit mich auf der Rückfahrt niemand aus dem Zug wirft.

One thought on “Ungeplanter Halt

  1. Ich bin bestürzt über die Fährnisse, denen die sehr geehrte Bloggschreiberin ausgesetzt ist. Auf Reisen! im Ausland auch noch! und das dann ausgerechnet in Frankreich. Ich sage nur gelebte deutsch-französiche Freundschaft! Ha! Aus Frankreich kommen ja angeblich die Düfte und Wohlgerüche dieser Welt. Scheint aber bei den dort lebenden Menschen noch nicht so wirklich angekommen zu sein. Na ja. Wir, speziell ich und die sehr veehrte Bloggschreiberin achten penibel darauf, nicht durch unangebrachte und schwierige Düfte aufzufallen. Dies bedeutet allerdinge, dass unsere Körper mehrmals am Tage mit Wasser in Kontakt kommen müssen. Ich finde immer, eine wohlriechende Seife tut manchmal schon Wunder oder, viel belächlet – auch von mir – ein frisch und blumig duftendes Waschmittel. Wunderbar. Wir werden niemals wegen üblem Geruch, höchstens wegen schlechten und aufmüpfigen Benehmens aus dem Zug geworden. Aber bitte dann in Deutschland, wenn der Zug nicht mehr so hirnrissig rast!

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