Welcome to real life

Da wir mit dem großen Glück gesegnet sind, seit nunmehr zwanzig Jahren Babies und Kleinkinder und Kinder überhaupt um uns zu haben, geht ein bissen – auch in unserem Selbstbild – unter, dass wir an sich auch schon Leute kennen, die sich anschicken, ihre Kinder aus dem Haus zu schicken (von alleine gehen die wenigsten, warum auch?). Aber, es gibt sie. Und es ist ein erstaunliches Phänomen bei ihnen zu beobachten: zuerst können sie es gar nicht abwarten, alleine in den Urlaub zu fahren, mit Freunden, mit der Freundin, mit einer Clique – was auch immer – nur weg von den spießigen Urlauben mit den spießigen Eltern. Dann kommt das eine Jahr, das wir auch mal alleine mit unseren Freunden im Urlaub verbringen durften, das Jahr, auf das wir hingearbeitet haben, auf das wir uns gefreut haben, das wir als Lohn unserer Treue betrachtet haben und das einfach schön war. Und dann? Dann sind sie auch schon wieder dabei.

Sie fanden es zwar ganz chillig mit ihren Freunden, aber es ist halt schon ein Unterschied, ob man in einer Villa am Meer ist, einem schönen Hotel mitten in Stadt oder in einer Pension (Jugendherbergen oder Campingplätze kennen diese Rotzlöffel ja schon gar nicht). Und ob man sich im Restaurant einen Wagyū-Burger bestellt und frisch gepressten Orangensaft oder beim Bordeaux mittrinkt oder eben alles selbst zahlen muss oder gar Freunde hat, die es selbst zahlen müssen und deshalb eben Pizza essen gehen. Auch blöde, wenn man ein Schlauchboot mieten oder gar gar keines mieten kann, statt auf Papis Boot mitzufahren oder ob man in einem japanischen Kleinwagen zum Strand gondelt oder in einem flotten Audi. Ach, einfach alles doof. Langer Rede, kurzer Sinn: Sie sind wieder dabei. Und mir wird schon ganz flau, wenn ich dran denke, dass sie das durchziehen, bis oder auch darüberhinaus, wenn sie eigene Kinder haben. Zum Glück verstehen mein Mann und ich uns gut und werden viele, viele Reisen alleine planen.

Aber mal ganz im Ernst: Was erwarten Eltern, deren Kinder im Restaurant mit acht Jahren nur Orangensaft („but only freshly squeezed!“) bestellt haben und sich Massagen und Zimmerservice mit einer Selbstverständlichkeit geordert haben, die ich mir erst ca. zehn Jahre nach dem Studium angeeignet hatte? Die bei schwarzen Trüffeln angewidert das Gesicht verziehen und ein falsch gebratenes Filetsteak mokiert zurückgehen lassen? Die Eltern sind stolz, dass sie ihre Kinder am Lifestyle teilhaben lassen und denken, das sei sicherlich auch ein Ansporn. Gleichzeitig höre ich heute im Radio, dass 40% aller Schulkinder Depressionen, Stresssymptome und Ängste wegen dem hohen Leistungsdruck haben. Ja logisch! Wie sollen sie denn jemals gleich ziehen? Gar besser werden? Klar, ist das ein Wahnsinnsdruck. Und ich muss sagen: zwar habe ich mich geärgert, dass die Limo, der Schinken und die Schokolade nur für meinen Papa waren, aber ich hab es ziemlich klaglos akzeptiert und ich glaube, das wäre für viele kleinen Würmer auch heute noch besser: zu verstehen und erleben, dass man sich Gutes auch mal erwarten und erarbeiten muss.