Die Welt ist voller Herzen und liebevoller Menschen. Wer jemals auf den Kommentarseiten eines Koch- oder Katzen- oder Elternblogs gestöbert hat, weil er zufällig reingeraten ist und nicht mehr die Kraft hatte, sich loszureißen (wie das manchmal auch bei schlimmen Filmen oder gruseligen Büchern ist), kann davon ein lebhaftes Zeugnis abgeben. Schnuffelinchen schreibt da zum Beispiel mit vielen Herzen verziert, dass sie auch allen einen ganz doll schönen Tag wünscht und sich soooo aufs Wochenende freut, Mamiimglück wiederum erfreut sich an ihren etwas rabaukigen Kiddies und Rundebella gibt frohgemut Kochtipps, bei denen man das Leben genießen soll. Bitte, ich finde das ganz herrlich, schließlich nutzen wir ja auch zu aller Wohle das Internet und profitieren nonstop davon. Aber die Frage muss schon erlaubt sein, was viele Menschen in Blogs oder Whatsappnachrichten diesen ganz speziellen Wohlwollen eingibt?
Ist ja nicht so, dass es rein statistisch nicht ebenso gut möglich ist, dass man mal von einer Schnuffelprinzessin an der Ampel wüst beschimpft werden könnte, während sie – ganz in der eindeutigen Ich-Botschaft in ihrem Chat aufgehend – viele, viele Schmatzer und Herzchen hinter ihre doll lieben Grüße setzt. Ich befasse mich mit Statistik, ich weiß, wovon ich da spreche. Das ist wie mit H&M-Teilen, man trägt sie manchmal recht verschämt auch auf gesellschaftlichen Großanlässen und entdeckt an anderen ein Teil, das am Ständer neben dem eigenen Glitzershirt hing (ich würde mir nur im absoluten Notfall einen so modischen Artikel für viel Geld kaufen). Wenn man es selbst tut, tun es die anderen fast hundertprozentig auch. Das ist eine schöne Erfahrung, die die Jahre lehren. Aber zurück zu den KleinesliebesBiestern dieser Welt.
Der Wunsch, mit anderen Mamivonzweirackern oder einfach der ganzen Welt zu verschmelzen scheint riesengroß und kaum zu stillen. Und, das ist das Schöne an einem solchen Chat, er ist so billig zu erfüllen. Der Flow ist maximal leicht zu erreichen. Einfach ein paar Vokale mehr als nötig, ein paar Herzchen und fertig ist die Laube. Man kann dann gleich im Anschluss seinen Mann, Frau, Kind, Hund, was auch immer, nach Herzenslust und allen Regeln der Kunst im realen Leben anpfeifen oder zusammenfalten, kann ja nicht an einem selbst liegen, denn das beweisen ja die anderen Chatteilnehmer, die einen sooooo lieb und verständnisvoll finden und eine ganz arg dolle lieb haben.
Derartige Blogs meide ich, wie der Teufel das Weihwasser. Schon allein die Namensgebung der Antworter erschüttert mich in den Grundfesten. Ja, ich weiß, Prunkschaf ist auch nicht der Weisheit letzter Rat, aber immer noch besser als dieses völlig hirnlose Gesülze, das da aus meinem iPad schwappt. Egal, was man für Anfragen im Netz hat, irgendein Blog hat sich drumrum gebildet und wenn es ums Schuheputzen mit blauer Schuhcreme geht. Sind das alles Arbeitslose, haben die alle keine Bügelwäsche oder Familien die gerne was Warmes essen würden? Alleine schon bei einer Nachrichtenapp kann man nahezu alles kommentieren, ja, Gott im Himmel, wen interessiert das denn, dass es mich nicht interessiert? Dass diesen Menschen ihre Lebenszeit, die sie da vertun, nicht zu schade ist, werde ich nie und nimmer verstehen.
Jeder Jeck ist anders wie man im Rheinland sagt, wobei die da auch nicht so offen sind, wie sie immer tun. Dass heute Leute meinen, jedem und allen über ihr Leben, ihr Haus, ihre Kinder, ihren Urlaub, ihr, ach was weiß ich noch alles zu berichten, ist schon enorm. Da gibt es einen Typen, der den ganzen Tag grillt und damit auch noch seinen Unterhalt verdient. Verrückt!
Mare, toll, daß Du geantwortet hast, stell Dir vor es gibt auch Leute, die tun nichts anderes als irgendwelche kleinen Päckchen auspacken und Tausende schauen zu. Befürchte, wir gehören zu einer schützenswerten Minderheit. Muss mal unsere sehr verehrte Bloggerin auf diesen Sachverhalt hinweisen.