Fort, nur fort

Reisen ist ja so einfach geworden. Kaum Räuber, wenig gebrochene Kutschachsen, schnelle Verbindungen. Reisen gehört zum Alltag moderner Menschen. In den meisten Berufen sind internationale Termine so normal wie früher die Rohrpost (wobei ich die Rohrpost für notwendiger und sinniger halte, aber das steht auf einem anderen Blatt). Von modernen Nomaden wird da gesprochen und wer weiter gehen möchte, nennt es gar Entwurzelung. Schon als Kind bin ich nicht gerne verreist. Das tun Kinder eh nicht gerne, sie lieben das Vertraute, sortieren gerne ihre Spielsachen von A nach B und fühlen sich wohl, wenn sie wissen, dass die Freunde ums Eck sind und die graue Katze fast täglich um fünf Uhr durch den Garten pirscht. Routinen geben Sicherheit, die Ganglien können sich ausruhen und sind frei zum Erlernen neuer Fertigkeiten.

Weil Reisen früher so immens aufwändig war und mit hohen Kosten und Risiken verbunden, war es nur eine Frage der Zeit, bis es zum Statussymbol der Wohlhabenden und Gelangweilten wurde. Sie strebten in ferne Länder, nicht um sie zu unterwerfen, sondern aus Neugier und Zeitüberfluss. Selbstverständlich auch um Handel zu treiben, seltene Gewürze und Stoffe zu ergattern und manchmal auch um das Land zu erforschen. In Zeiten, in denen man beim Supermarkt ums Eck zwischen zig Teesorten, Safran und Currymischungen wählen kann, ist das natürlich nicht mehr notwendig. Internationale Marken haben mit ihrer konsequenten Marketing- und Preissrategie auch die moderne Jagd nach Währungsvorteilen bei Turnschuhen und Handtaschen zunichte gemacht, was bleibt also noch beim Reisen?

Nicht viel, denn meistens wird ein Hotel gewählt, bei dem das kontinentale Frühstücksbüffet ein wichtiger Aspekt ist, WLAN und Pool sowieso und wenn dann noch jemand deutsch, zumindest englisch spricht, ist es schon fast wie daheim. Warum also reisen? Wegen der Landschaft. Der Kultur. Der warmen Sonne. Oder wegen der Hoffnung, dort auf Reisen endlich glücklich zu werden, zur Ruhe zu kommen, das zu finden, was sich zuhause so hartnäckig versteckt. Zufriedenheit, Dankbarkeit, Bewusstsein. Was passiert aber, wenn es unter Palmen da ist und im heimischen Nadel- und Blätterwald nicht? Dann muss wieder aufgebrochen werden. Und so geht die Reise ewig weiter, ganz im Sinne des alten Sprichwortes: Der Weg ist das Ziel. Ich erspare uns jetzt die abgedroschene Weisheit, dass man sich auf Reisen immer selbst mitnimmt und an sich die ganze Welt in sich trägt. Es ist schließlich Wochenende, eine gute Zeit für einen kleinen Kurztrip.

3 thoughts on “Fort, nur fort

  1. Jetzt mal ganz unter uns: dieser Beitrag und der folgende sind schon harte Kost und erfordern konzentriertes Arbeiten. Den Nachfolgenden habe ich früher bearbeitet, weil ich hoffte, dieser erledige sich von selbst. Pustekuchen. Habe nun schon zweimal meinen Fußballgott aus dem Zimmer verwiesen, er wollte plaudern, das kann ich aber nicht, wenn ich denken und ernsthaft arbeiten muss.
    Also Reisen, meine Leidenschaft, nur warum? Gut, ins Warme, Sonne, Sand, Meer, anderes Essen und früher sicher auch Flucht in der Hoffnung, alles würde besser. Wurde es nicht. In meiner Familie ist mein „kleiner“ Bruder das Paradebeispiel für immer auf Achse und um Himmelswillen nicht zur Ruhe kommen. Egal, ob Wohnungen, sportliche Aktivitäten, Frauen, Autos, das Leben riskieren und um Himmelswillen nicht alt werden. Alles, nur nicht das, immer besser als der durchgeknallteste Jugendliche. Ist auch fragwürdig. Ob er glücklich ist? Auf Befragen würde er sicher meinen, ja, aber sehen kann man das nicht, es hört ja nie auf.
    Bei mir haben einfach die Beschwerden des Alters einen Riegel vorgeschoben und ich sage im Chor mit andere Rentnern, bin ich froh, in meinem Bett zu schlafen. So einfach ist das. Obwohl, ich habe noch Lust auf Bora Bora, Grönland, Eisbären, Kuba, Ostsee, Finnland, Norwegen und Schweden, Island und Irland. Bis morgen fällt mir sicher noch was ein. Wenn mir bis dahin nicht was Neues weh tut.

  2. Mein Problem beim Reisen ist eigentlich nicht mein Alter, der Fußballgott ist die Bremse, er sagt immer, Zaubermaus, das müssen wir alles nicht mehr sehen, wir haben schon soviel gesehen, das muß reichen. Mal sehen, werde von meinen Reisen Berichte senden!

  3. Tja, da bin ich ja gerade voll im Thema. Ich komme gerade von einem Trip mit alten Freundinnen aus meiner Handballzeit zurück und frage mich schon, warum macht man das eigentlich? Es ginge ja auch einfacher: Schwarzwald, Eifel, bayrischer Wald, nein man muss nach Amsterdam! Sind wir jetzt glücklicher? Gute Frage! Was hat mir diese Reise gebracht, außer dass ich feststelle, dass ich dringend eine neue Matratze bräuchte, weil mir hier plötzlich der Rücken wieder weh tut. Also zurück zum Thema: ich glaube ja, dass wenn man weg war und neue Eindrücke hat und aus dem gewohnten Alltag rauskommt, plötzlich neue Gedanken für sein Leben bekommt. Oft ist man doch so eingefahren, alles Tägliche nervt einen, immer Dasselbe, da kann man schön trübsinnig werden. Also ich bin vollkommen motiviert zurückgekommen, habe dieses und jenes vor zu ändern und als erstes das Bett!

Schreibe einen Kommentar zu Mare x

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert