Second Life

Manche Dinge, so kurzlebig sie auch sein mögen, bleiben aus unerfindlichen Gründen im Gedächtnis, gar in Erinnerung. Bei mir ist es das Internetspiels „Second Life“. Es ging oder geht – sehr grob gesagt – um ein zweites Leben im Internet mit allem, was so dazu gehört, angefangen von Häusern, Freunden, Jobs, Problemen, Geld und natürlich Mode, die man kaufen kann, zwar mit Internetgeld, aber irgendwie ist es dann doch zu echtem Geld geworden. Und wofür? Um das Leben in einem zweiten zu imitieren. Und dann gibt es ja auch auch noch diese Farmspiele, bei denen man seine Hühner und Kühe auf Weiden führen muss und das füttern und tränken nicht vergessen darf. Natürlich wäre es gut, den echten Hund, der vielleicht im Haushalt lebt, auch nicht zu vergessen. All diesen Spielen ist gemein, dass Menschen sich in vorgegebenen Schemata bewegen und letztlich nichts Eigenes schaffen, sondern etwas nachmachen. Und damit liegen sie voll im Trend.

Wie hipp das imitieren ist, zeigen in unserer offenbar völlig orientierungslosen Welt die Fashionblogger. Sie ziehen sich irgendwas über, stellen die Füße so, wie unsere Mütter uns ermahnt haben, es nicht zu tun, weil man da schiefe Absätze, Hüftschäden oder O-Füße kriegt, setzen eine große Sonnenbrille auf und fertig ist die Laube. Das kommt dann ins Internet und schwupps ist der Streetstyle des Tages fertig. Und diese ganze Vormachen-und-Imitieren-Masche läuft wie geschmiert, wie ein Moped, wie geschnitten Brot. Die Nachmacher sind glücklich und dankbar, wenn sie einfach nur kaufen müssen, was ihnen jemand vormacht. Fashionblogs sind superschnell, flexibel, jung und glaubwürdig. Bereits die Wahlmöglichkeiten in Zeitschriften sind zu vielfältig und das Überangebot in Geschäften zu verwirrend.

Sowieso sind die liebsten Spielwiesen von Testimonials inzwischen die verschiedenen Youtube Kanäle. Auch hier geht um scheinbar sinnfreie, fröhlich quietschende junge Personen, die ungerührt Drogeriewaren in die Kamera halten und Stein und Bein schwören, dass sie all das benutzen und deshalb so irre cool aussehen. Menschen lieben Imitationen und das ist verständlich. Früher hat Imitation Leben gerettet. Wenn alle rennen, rennt man am besten mit, könnte ja ein Säbelzahntiger ums Eck kommen. Nachkaufen erlöst vom anstrengenden Weg zu sich selbst, der vor allem deshalb anstrengend ist, weil davor erstmal herausgefunden werden muss, wer dieses ominöse Selbst eigentlich sein könnte. Bereits Konfuzius hat sich über das Phänomen Gedanken gemacht und ist zu folgendem Schluss gekommen: Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: erstens durch nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.

2 thoughts on “Second Life

  1. Meine derzeit oberallerliebste Hochglanzzeitschrift ist darauf spezialisiert diesen sogenannten Streetstyle u.a abzulichten. Da fällt einem meistens nichts mehr dazu ein. Wenn ich so aus dem Haus gehen würde, hätte ich Angst, dass mir alle Hunde der Stadt nachlaufen oder gar mich anfallen, weil so unmöglich darf man nicht rausgehen. Völlig richtig, diese idiotische Beinstellung, ein Relikt aus Kindertagen, soll entweder das Kindchenschema beleuchten oder auf die ultradünnen O-beine hinweisen. Denn diese ja gewünschte Lücke oberhalb der Knie sieht man mit dieser Beinstellung noch besser. Und heute haben wir in einer unserer gerne besuchten Lieblingsboutique als Deko zwei dünne bodenlange „Morgenmäntel“ gesehen. Habe mich belehren lassen, dass man das jetzt hat und das keine Morgenmäntel für 790– Euro seien. Sowas trägt man jetzt mit Turnschuhen. Meine Güte, wo sind wir gelandet?

  2. Habe erstmal ein paar von diesen Blogs anschauen müssen wegen der Beinstellung! Stimmt, sieht unmöglich aus! Meine süße Tochter ist ja nun kurz vor dem Teenageralter und ich versuche sie, wo es geht, zu unterstützen, nicht wie alle rumzulaufen. Leider glaub ich, nicht mehr lange Einfluss zu haben und hoffe, dass sie ein bisschen Individualität entwickelt und nicht wie bereits früher erwähnt mit einer mörderteuren Designertasche in die Schule läuft. Jetzt geht sie erstmal mit ihrer neuen, sehr schönen, praktischen, in ihren Lieblingsfarben Tasche in den Malunterricht !

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