Wer glaubt, mit ein paar Emoticons die Sprache junger Menschen erfasst zu haben, hat sich aber mal ganz schön getäuscht. Denn wer in heiklen Situation immer noch zum altbewährten ‚Wart mal ab, überstürz nichts‘ greift, der qualifiziert sich als hoffnungslos altmodisch und abgehängt. Besser wäre es zu sagen: ‚Du, merkel mal ein bisschen‘. Kommt dieser Rat nicht an, könnte man ein beherztes ‚Jetzt komm, Alter, oxidier mal‘ nachlegen. Ratlos? Nein, eigentlich nicht. Denn die politisch interessierte Jugend hat offenbar durchaus verstanden, welches Motto unsere ans Anstehen und Warten gewohnte Kanzlerin vertritt. Merkeln heißt dementsprechend nichts anderes als Abwarten und Tee trinken. Und das feinsinnige Rumoxidieren zeugt gar von altgriechischer Bildung und der Kenntnis chemischer Zusammenhänge. Es kann am besten mit Rumchillen übersetzt werden, das ja längst in den operativen Sprachgebrauch übergegangen ist. An Anspruch übertroffen werden sie nur noch vom ‚krimmen‘, was die unschöne Eigenschaft beschreibt, jemandem etwas wegzunehmen, was man ihm vorher gegeben hat (Krim-Krise).
Sprechen Jugendliche wirklich so? Sprechen sie überhaupt noch? Haben unsere Eltern noch Sorgenfalten gehabt, weil stundenlang das Telefon blockiert war und der Steuerberater nicht durchkam mit seiner dringenden Frage, warum die Rechnung über eine Handtasche in den Steuerunterlagen gelandet war (lag bei den wichtigen Unterlagen) und ob sie wirklich abgesetzt werden soll (wäre schön, geht aber wohl leider nicht), so erleben sie heute, wie ihre Sprösslinge nur noch textend miteinander kommunizieren. Ich glaube, am liebsten würden sie das auch noch dann tun, wenn sie nebeneinander sitzen. Tun sie wahrscheinlich auch. Ist auch durchaus eine probate Kommunikationsalternative in manchen Situationen.
Zum Beispiel gestern Abend. Da war ich auf einem wirklich schönen Fest, auf das ich mich gefreut hatte, nur um dann festzustellen, dass ich mich aus rein akustischen Gründen nicht unterhalten konnte. Steinfußboden und Steindecke haben eine Akustik geschaffen, die eine normale Unterhaltung vollkommen unmöglich gemacht haben, was sehr schade war. Da half weder merkeln noch rumoxidieren, nur schreien oder schreiben waren Alternativen. Haben doch Recht die armen jungen Menschen, die dauernd in schönen aber unpraktischen Locations Zeit verbringen müssen. Kein Wunder, dass sie dabei auf solche Ideen kommen.
Das ist ja dramatisch was ich da lese, denn heute morgen in der FAZS war ein Bericht mit der Feststellung, Alphakevin darf nicht das Unwort des Jahres werden. Die Erklärung war, das sei zu diskriminierend, hahaha. Den Rest habe ich gelesen, aber nicht verstanden, weil, er bestand nur aus den Begriffen, die die sehr verehrte Bloggerin oben verwendet, ha. Ja, wo sind wir denn? Verblöden die jetzt alle oder was soll das? Ich weigere mich schon, das Wort chillen zu benutzen und finde es völlig daneben, mich mit derartigen Sprachauswüchsen zu befassen.
Zum Glück unterhalten sich die jungen Menschen nur untereinander so und finden es total peinlich, wenn ihre Eltern anfangen, wie sie zu sprechen. Ich komm mir mittlerweile wenigstens nicht mehr blöd vor bei ‚give me five‘ oder die Faust mit Bombe! Ich zitiere auch immer öfter alte Sprüche wie z.B. der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! Nun ja chillen und reminden können sie gut, sprechen nicht mehr so gut! Huch Rosamunde Pilcher geht los, muss jetzt Schluss machen.