Der neue Schuster mit dem Tattoo

Der Schlüssel zum Katzenfüttern und zum Park war inzwischen leider so verbogen, dass es fast unmöglich war, die jeweiligen Türchen zu öffnen. Irgendwann – bestimmt beim Katzenfüttern – war vermutlich jemand draußen vorbei gegangen und ich wollte schnell durchwitschen und dabei war ich schneller als der Schlüssel, der noch im Schloss gesteckt war. Und weil meiner bequemsten Lieblingssandale sowieso die geflochtene Sohle abgegangen ist und ich seit Langem gesehen hatte, dass wir einen Expressschuster auf der Hauptstraße hinzugewonnen hatten, bin ich also da heute hin. Keinen Tag zu früh, wie ich nun feststellen muss.

Den Laden betritt man durch zwei Lappen, orange und weiß, die aneinander getackert sind, damit keine Fliegen und Mücken rein kommen. Bei all den schönen Girlandenvorhängen aus Blumen oder Bienen drum herum fragt man sich schon, warum der Besitzer zu so einer schnöden Lösung gegriffen hat. Egal, das Ladeninnere ist dennoch so unfassbar sehenswert, dass ich in nächster Zeit vermutlich alle meine Schuhe einer unbarmherzigen Musterung unterziehen werde, um nur ja regelmäßig da rein gehen zu können. Es gibt Lederschnürsenkel von der Rolle, Mottenkugeln, alle Arten von Schlüsseln und was in den Tiefen der Werkstatt und in all den Schubfächern und Regalen verborgen ist, möchte ich zeitnah herausfinden.

Der Schuster, der sehr interessant angezogen war und ‚Roma‘ mit Nachnamen heißt, hat mit unwirscher Kennermine meine Sandalette genommen und gesagt, das würde aber dauern. Dabei habe ich zwangsläufig die Zahlenkombination auf seinem Unterarm gesehen. Dazwischen Striche sah es für mich eher wie ein Code aus. Jetzt muss ich heute Nachmittag mal unauffällig nachschauen, ob es vielleicht das Geburtsdatum von seinen Kindern oder seiner Frau sein kann. Oder aber es bedeutet etwas anderes und er hat aus seiner leidenschaftlichen Sehnsucht für Schlüssel dann letztendlich einen Beruf gemacht. Einer der beiden Schlüssel schließt noch nicht perfekt, also könnte ich zumindest deshalb noch mal hingehen.

4 thoughts on “Der neue Schuster mit dem Tattoo

  1. Ja um Gottes Willen pass bloß auf! Mir fällt dazu nur ein, dass man solche Tatoos im Gefängnis bekommt! Wahrscheinlich ist das eine Geldwäschestube der Mafia oder ein Drogenumschalgsplatz, weil so unauffällig. Ich bewundere den Mut der Bloggerin! Ja und was für ein Tor? Wohnt da niemand? Darf man da einfach rein und kann da jeder einen Schlüssel nachmachen? Also ich wäre ein viel zu großer Hosensch….. Aber das ist der Unterschied, wenn man so lange in Italien lebt, ist man anscheinend furchtlos.

    • Aber nein, aber nein, es ist eben alles abgeschlossen bei uns im Condominio. Und ich hatte ja schon einen Schlüssel und den hab ich mir nachmachen lassen. Keine Sorge. Ich könnte mir auch vorstellen, dass er im Gefängnis von vielen, vielen Schlüsseln geträumt hat und sich vorgenommen hat, wenn er raus kommt, macht er einen Schlüsseldienst auf. Und vielleicht noch einen Schusterbetrieb dazu, weil man das im Gefängnis ja auch eher wenig braucht. Läuft ja keiner viel rum (denke ich mir so).

  2. Bei uns gibt es diese Schnellschuster schon auch, die machen einen Wochenendkurs – wie werde ich Schuster und Schlüsseldienst – und schon dürfen die an Deinen unfassbar teuren Pradaschuhe rumpfuschen. Leider hat die Arbeit dieser Leute rein garnichts mehr mit Handwerk zu tun. Mir widerstreben eigentlich diese Läden, aber in Italien ist wirklich alles anders. Wenn ich nur an den Kurzwarenladen gleich ums Eck denke, der war doch der Wahnsinn und dann stand auch noch der knabenhafte Urenkel der Betreiberin hinter der Theke. Dort gib es Borten noch aus den Fünfziger Jahren verpackt und mit Lira ausgezeichnet. Und ich war die Käuferin, tja, nur alte Leute wissen derartige Schätze zu würdigen. Auch der Laden mit den Plastikeimern, Toilettenpapier, Pfannen, Nachttöpfe, Bettvorlegern, Tulpenzwiebeln hat alles, was man bei uns vergeblich in einem Geschäft sucht. Wirklich alles. Und da scheint mir der neue Schuster tatsächlich ein Gewinn zu sein. Die sehr verehrte Bloggerin sollte lieber mal aufpassen, wo der Safe steht und dann mit etwas Geschick den Arm mit Nummer fotografieren und dann können wir ja mal abends, nachdem wir uns im Nachttopfladen mit dem erforderlichen Einbruchswerkzeug ausgestattet haben, vorbeischauen! Muss nicht falsch sein.

  3. Finde die Idee ausnehmend gut!!! Mach ich beim nächsten Mal! Ich lenke ab und Du machst auf. Es sitzt allerdings, wie ich gestern sehen konnte, eine sehr dicke Frau im hinteren Teil des Ladens. Wir müssten schneller sein als sie beim Aufstehen. Sie sieht aber sehr mit dem Sessel verwachsen aus.

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