Live aus der Krisenregion (Gegendarstellung Teil 2)

Gut. Habe mich erholt. Wo war ich also? Ach ja, bei dem unerklärlichen Stimmungsumschwung. Auf einmal war keine Rede mehr von „Omale“ oder sonstigen Nettigkeiten. Da ging es sehr handfest zur Sache, nach dem Motto „Sauviecher, elende“ und das war noch mit das Netteste, das kann ich versichern. Warum? Warum nur? Klar, wir entspannen uns hier und wenn man sich entspannt, entspannt sich halt alles. Also alle Muskeln. Und ja, da gibt es Flecken. Das ist mir schon klar. Aber was soll ich machen? Ein, zwei Häuser weiter, im dritten Stock werden wir sogar gefüttert, aber da dort ist es halt nicht so schön sauber und gemütlich und Gertrud legt da eben schon großen Wert drauf.

Egal, vor ein paar Wochen – genau zu unserer Einflugszeit – wurden diese scheußlichen Stacheln auf der Brüstung montiert. Der nette Mann stand wie ein Cowboy da und klebte, was das Zeug hielt. Danach war’s freilich nichts mehr mit gemütlichem Anlanden. Ein paar Mal haben wir es noch versucht, manchmal vertut man sich ja, aber da gabs nichts zu Deuteln: der Balkon war zu einer Festung geworden. Nach zwei Tagen konnte ich Gertruds trauriges Gesicht nicht mehr sehen und habe es noch einmal versucht. Dieses Mal habe ich die Landetechnik variiert und fliege jetzt in einem größeren Bogen ein. Denn dann, ja, dann kann ich direkt auf dem Boden landen. Auch gut. Ich kann zwar nicht mehr so viel beobachten, aber dafür näher an meine Gertrud heran rücken und das ist ja sogar noch viel schöner. Dieser Spruch, dass nichts so schlecht ist, dass es nicht auch was Gutes hat, kam mal wieder voll zur Geltung. Aber logisch, auch dieser Frieden war nur von kurzer Dauer. Nach ein paar Tagen Ruhe, da war sie glaube ich in Rom und hat unsere Todfeinde die Katzen gefüttert, kam die Frau hinter der Scheibe wieder zurück und – Mannomann – die war mal richtig sauer! Uiuiuiuiuih! Dreckstauben, Sauviecher, alles hat sie uns gehießen. Am liebsten hätte ich Getrud die Ohren zugehalten. Sie hat es zuerst gar nicht verstanden, was los war. Ab dem Moment war die Stimmung völlig gedreht. Auch wenn wir uns in den hintersten Winkel unter einen Schemel zurückgezogen haben, hat sie es nicht gemocht. Die scheußlichsten Reinigungschemikalien hat sie verwendet und geschimpft hat sie. Du liebe Zeit. Das kann doch auch nicht gesund sein. Dann hat eine andere – eigentlich auch nett aussehende Frau – einen komischen starren Vogel aufgestellt, der immer losplärrt, sobald man vor ihm landet. Herr im Himmel, was haben wir uns erschreckt. Aber – und deshalb kommen wir in der Großstadt zu gut zurecht – auch an den haben wir uns gewöhnt. Von dem albernen Raben, der da rumsteht haben wir uns ja auch nichts ins Bockshorn jagen lassen. Glaubt die, wir sind doof?? Jetzt allerdings stehen die Zeichen auf Sturm. Aus Gesprächen habe ich vernommen, dass ein Baustellennetz aufgetrieben worden ist und dann wird es echt blöd mit dem Landen. Momentan hängt ein Leintuch dort, weil der an sich nette Mann der nicht mehr so netten Frau verboten hat, es alleine anzubringen. Ich berichte weiter. Fühle mich wie ein Kriegsreporter. Gertrud hat darauf bestanden, kleine Zweiglein für den Nestbau zu deponieren. Das habe ich für keine gute Idee gehalten. Aber bei solchen Dingen hab ich leider nichts zu melden. Sie sieht ja jetzt, dass ich Recht hatte. Mal wieder.

One thought on “Live aus der Krisenregion (Gegendarstellung Teil 2)

  1. Jetzt ist mir doch der so gute Kommentar weggeflogen. Also nochmal. Wir gehen doch auch nicht her und annektieren irgendwelche Bäume und Sträucher oder Türme zum wohnen. Das tut man nicht, es ist auch kurzsichtig. Man plant in einem Krisengebiet keine Familiengründung! Bei meiner Freundin hat sich eine Ente niedergelassen und brütet. Ja und dann? Wo bitte sollen die Kinder schwimmen lernen ?! Jetzt muß die Feuerwehr kommen und Sippe umsiedeln. Das ist nicht lustig. Also trollen sie sich mit ihrer Tusnelda und lassen mein Kind in Ruhe. Sonst werden wirkliche Geschütze aufgefahren.

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