Ein neuer Mensch im alten Jahr

Eine meiner Lieblingsretouren auf enthusiastische Äußerungen meines Prunkschafs war: Menschen ändern sich nicht grundlegend. Meine Mama war ein Mensch der Extreme. Entweder ganz wunderbar oder ganz entsetzlich. Dazwischen war nicht immer viel. Sie gestand Menschen allerdings zu, zwischen diesen Extremen zu wechseln und zu wandern. Dann liebte sie sie oder verteufelte sie. Und in jeder Phase war sie felsenfest davon überzeugt, dass das, was im Moment von diesem Menschen gelebt wurde, seine einzige Seite ist. Und die liebte oder hasste man. In späteren Jahren hat sich das ein bisschen gewandelt und es war durchaus möglich, über das ein oder andere hinwegzusehen, aber nicht wirklich. Ein sehr kindlicher Ansatz ist das und auch ein sehr romantischer. Ein märchenhafter. Denn im Märchen werden aus verzauberten Fröschen oder Schweinehirten schließlich auch Prinzen. Und Märchen hören immer mit einem wahr gewordenen Traum auf. Mit gutem Grund. Worauf will ich eigentlich hinaus an diesem letzten, für manche zum philosophieren einladenden Tag des Jahres?

Darauf, dass ich mich in den letzten Wochen und Monaten der Illusion hingegeben habe, ein anderer Mensch geworden zu sein, völlig neue Seiten an mir entdeckt zu haben, was einfach nicht stimmt. Im Gegenteil, ich bemerke, dass ich viel eher wieder zu dem Menschen werde, der ich in einer Frühphase meines Lebens gewesen bin. Einem zwar nachdenklichen, aber unerschütterlich optimistischen Menschen, der sich täglich der Sonderbarkeit und Wunderlichkeit der Welt bewusst ist und darüber nachdenkt. Dem die Endlichkeit des Lebens allzeit bewusst ist und der trotzdem oder gerade deshalb glücklich ist. Der sehr dankbar für das ist, was er hat. Die Jahre zwischen 40 und 50 waren für mich die schwierigsten meines bisherigen Lebens. Riesengroße Ängste und auch Krankheiten nahestehender Menschen waren ihre Wegbegleiter und auch wenn mein Leben rein objektiv und vor allem von außen erste Sahne schien, so war es in mir drinnen leider nicht so. Und es hat die letzen zwei Jahre gebraucht, festzustellen, warum das so war. Ich war wie gelähmt vor Angst.

Ich hoffe, ich habe wieder das in mein Leben gelassen, was es einst so spannend und wunderschön gemacht hat. Und ich hoffe, es möchte bleiben. Und mir ist auch klar, dass ich alleine dafür sorgen muss, dass es so ist und bleibt. Ich wünsche euch lieben Lesern und Kommentatoren von Herzen einen traumhaft schönen Abend und einen guten Rutsch in ein glückliches, selbstbestimmtes und vor allem gesundes 2018, in dem wir viel miteinander plaudern und uns austauschen!

Frohe Weihnachten

Irgendwie hat mich in den letzten Wochen das Leben überholt und ich hatte wenig Gelegenheit, Gedanken – von wo auch immer – zu haben. Ich hatte zwar Gedanken, die waren aber rein planerischer Art. Wenig Reflektierendes, gar Kontemplatives konnte stattfinden. Dabei ist mir klar geworden, was das für ein Luxus ist, sein Leben fast parallel zu seinen Geschehnissen und dem Erlebten zu reflektieren, es einsortieren zu können, abzugleichen mit Erfahrungen und Werten und es so in ein Gesamtkonzept zu integrieren. Ich habe in diesen letzen Wochen alles Mögliche sortiert, aussortiert, einsortiert und integriert. In der Wohnung meiner Mama, in unserer neuen Wohnung in Paris, in meinem Gefühlsleben. Mein Ostheopath meinte gestern, mein Herz sei heiß gelaufen und die Lunge gepresst. So hab ich mich auch gefühlt. Daran war nichts zu ändern. Das sind Phasen im Leben jedes Menschen und auch die müssen er- und gelebt werden. Sie dienen der Weiterentwicklung. Und wenn ich eines aus diesem Jahr gelernt habe, dann das: Nichts ist schrecklicher als die eigenen Gedanken, die Vorstellungen und die Ängste. Alles wird leichter und lässt sich schaffen, wenn man es angeht, anstatt Angst davor zu haben.

Ich danke Euch lieben treuen Lesern, stillen und natürlich besonders den Aktiven, für, tja, eben Eure Treue und Euer nimmermüdes Interesse an meinen Gedanken. Ein paar neue Leser haben wir dazu gewonnen, denn seit mein Prunkschaf nicht mehr die Exklusivität hat, fällt es mir leicht, über die „Gedanken“ zu sprechen. Auch davor habe ich keine Angst mehr. Es kann weniger passieren, wenn das, was seit Jahren über einem gedräut hat, geschehen ist, wenn ein Projekt, das einem seit Jahren wie ein Damoklesschwert über dem Kopf hängt, durchgezogen ist und auch noch schön war. Mir ist natürlich vollkommen klar, dass es Menschen gibt, die all das nicht verstehen, sagen, „so what? That’s life“, aber die hätten vielleicht auch keinen Blog, in dem sie sich über Dieses und Jenes Gedanken machen. Kurzum: ich bin mehr als in jedem anderen Jahr dankbar für all das, was ich erleben durfte und vor allem für die Menschen in meinem Leben, die mir unermüdlich – jeder auf seine Art – beigestanden haben. Es klingt wie eine Oscar-Rede und ja, für mich war dieses Jahr ein riesiges Projekt und ganz nebenbei war ich selbst das Projekt.

Ich wünsche Euch von Herzen Frohe Weihnachten und wunderbare kuschelige Feiertage mit all Euren Lieben und ich verspreche Euch im Neuen Jahr viele Geschichten über großohrige alte Sizilianer, Fischhändler und vor allem meinen schon jetzt sehr lieb gewonnenen „Luigi“. Seid gespannt. Buon Natale, joyeux Noel!