Aug in Aug mit Ludwig

Der Ludwig und ich wir sind jetzt ganz dicke. Muss auch. Er schaut schließlich den ganzen Tag in mein Wohnzimmer und bekommt so ziemlich alles mit, was ich hier in Paris erlebe. Und das ist – man kann es sich denken – eine Menge. Vor allem, wenn man keine Vorhänge hat. An keinem Fenster. Auch nicht im Schlafzimmer oder im Bad, hihihi. Am ersten Morgen sah ich mich Aug in Aug mit einem knackigen jungen Mann, nur getrennt durch eine schmale Straße und zwei Fensterscheiben. Empört hat mich mein Mann weggezerrt und mich sogleich mit Handtüchern und seinem breiten Kreuz verhüllt. Kris, unser hochkompetenter und freundlicher Concierge hat mich dann aufgeklärt, dass mitnichten ich mich sorgen müsste, eher mein Mann….Seitdem huscht er morgens ins Bad und duscht ohne Licht. Derweil wäre alles ganz einfach, wenn man nur die Milchglasfolie anbrächte, die ich gekauft habe. Aber mir ist es relativ einerlei, ich hatte seit jeher Nachbarn, die mir ins Fenster geschaut haben und es ist noch alles dran.

Gerade sitze ich am Fenster und schaue auf meinen Platz. Und meinen Luigi. Das kann fatal enden, denn der Platz hat etwas ähnlich Kontemplatives wie eine Waschmaschine. Philosophisch veranlagte Menschen könnten in ihm den Fluss des Lebens wiederfinden. Man fährt rein, rum und wieder raus. Es wirkt von oben wie ein Tanz und ich fürchte, ich werde mir einen anderen Arbeitsplatz suchen müssen, weil ich hier zu sehr abgelenkt bin. Mit den Menschen in den Wohnungen gegenüber habe ich bereits so etwas wie einen Nicht-Angriffs-Pakt geschlossen (auch mit dem nackigen Nachbarn). Wir sitzen alle am Fenster – logisch, sonst bräuchte man keine solche Wohnung – tun aber so, als sähen wir einander nicht. Allerdings werde ich mir doch mein kleines Fernglas mitbringen. Einfach nur, um mir Einrichtungsinspirationen oder Ideen für Vorhänge zu holen. Denn im Moment haben wir genau sieben Stühle, drei kleine Beistelltischchen, einen Fuchs und einen Pinguin, jeweils aus Keramik und einen zyklamfarbenen Lehnstuhl. Bevor ich es vergesse: und einen wunderschönen runden Teppich.

Wie herrlich das Leben mit nur einem Teppich und sieben Stühlen sein kann, hätte ich niemals für möglich gehalten. Kein aufwändiges Tischdecken, kein Kissenaufschütteln, keine Decken zusammen legen, einfach nur sein. Rotwein auf dem Boden trinken, Baguette mit Pastete essen, zwischendurch mal einen Salat, weil man ja gute Vorsätze fürs Neue Jahr hat und ansonsten hier sitzen und auf den Platz schauen. Vielleicht mal einen Artikel schreiben, ok, aber was braucht man mehr? Naja, ein Bett vielleicht. Die Luftmatratze ist zwar ok, aber da mein Mann zum Glück mehr wiegt als ich, muss ich mehrmals während der Nacht wieder den Berg auf meiner Seite hochrobben. Am besten wäre es, ich würde mich dort festschnallen. Mit etwas Fortune geht dieser Zustand jedoch sowieso heute zu Ende. Unser Bett soll kommen. Es ist zwar schon seit vier Wochen da, aber weil wir in Frankreich sind, hat die nette Verkäuferin zwar die richtige Nummer aufgeschrieben, aber sie falsch in den Computer übertragen. Ich hätte das alles klaglos hingenommen und mich über gar nichts aufgeregt, mein Mann, das Kämpferherz jedoch nicht. Er ist randalieren gegangen und siehe da, es klappt. Seit gestern haben wir auch noch ein Rudergerät, so langsam wird es voll hier. Wir versuchen wirklich, unsrem Luigi was zu bieten!

Ein neuer Mensch im alten Jahr

Eine meiner Lieblingsretouren auf enthusiastische Äußerungen meines Prunkschafs war: Menschen ändern sich nicht grundlegend. Meine Mama war ein Mensch der Extreme. Entweder ganz wunderbar oder ganz entsetzlich. Dazwischen war nicht immer viel. Sie gestand Menschen allerdings zu, zwischen diesen Extremen zu wechseln und zu wandern. Dann liebte sie sie oder verteufelte sie. Und in jeder Phase war sie felsenfest davon überzeugt, dass das, was im Moment von diesem Menschen gelebt wurde, seine einzige Seite ist. Und die liebte oder hasste man. In späteren Jahren hat sich das ein bisschen gewandelt und es war durchaus möglich, über das ein oder andere hinwegzusehen, aber nicht wirklich. Ein sehr kindlicher Ansatz ist das und auch ein sehr romantischer. Ein märchenhafter. Denn im Märchen werden aus verzauberten Fröschen oder Schweinehirten schließlich auch Prinzen. Und Märchen hören immer mit einem wahr gewordenen Traum auf. Mit gutem Grund. Worauf will ich eigentlich hinaus an diesem letzten, für manche zum philosophieren einladenden Tag des Jahres?

Darauf, dass ich mich in den letzten Wochen und Monaten der Illusion hingegeben habe, ein anderer Mensch geworden zu sein, völlig neue Seiten an mir entdeckt zu haben, was einfach nicht stimmt. Im Gegenteil, ich bemerke, dass ich viel eher wieder zu dem Menschen werde, der ich in einer Frühphase meines Lebens gewesen bin. Einem zwar nachdenklichen, aber unerschütterlich optimistischen Menschen, der sich täglich der Sonderbarkeit und Wunderlichkeit der Welt bewusst ist und darüber nachdenkt. Dem die Endlichkeit des Lebens allzeit bewusst ist und der trotzdem oder gerade deshalb glücklich ist. Der sehr dankbar für das ist, was er hat. Die Jahre zwischen 40 und 50 waren für mich die schwierigsten meines bisherigen Lebens. Riesengroße Ängste und auch Krankheiten nahestehender Menschen waren ihre Wegbegleiter und auch wenn mein Leben rein objektiv und vor allem von außen erste Sahne schien, so war es in mir drinnen leider nicht so. Und es hat die letzen zwei Jahre gebraucht, festzustellen, warum das so war. Ich war wie gelähmt vor Angst.

Ich hoffe, ich habe wieder das in mein Leben gelassen, was es einst so spannend und wunderschön gemacht hat. Und ich hoffe, es möchte bleiben. Und mir ist auch klar, dass ich alleine dafür sorgen muss, dass es so ist und bleibt. Ich wünsche euch lieben Lesern und Kommentatoren von Herzen einen traumhaft schönen Abend und einen guten Rutsch in ein glückliches, selbstbestimmtes und vor allem gesundes 2018, in dem wir viel miteinander plaudern und uns austauschen!

Frohe Weihnachten

Irgendwie hat mich in den letzten Wochen das Leben überholt und ich hatte wenig Gelegenheit, Gedanken – von wo auch immer – zu haben. Ich hatte zwar Gedanken, die waren aber rein planerischer Art. Wenig Reflektierendes, gar Kontemplatives konnte stattfinden. Dabei ist mir klar geworden, was das für ein Luxus ist, sein Leben fast parallel zu seinen Geschehnissen und dem Erlebten zu reflektieren, es einsortieren zu können, abzugleichen mit Erfahrungen und Werten und es so in ein Gesamtkonzept zu integrieren. Ich habe in diesen letzen Wochen alles Mögliche sortiert, aussortiert, einsortiert und integriert. In der Wohnung meiner Mama, in unserer neuen Wohnung in Paris, in meinem Gefühlsleben. Mein Ostheopath meinte gestern, mein Herz sei heiß gelaufen und die Lunge gepresst. So hab ich mich auch gefühlt. Daran war nichts zu ändern. Das sind Phasen im Leben jedes Menschen und auch die müssen er- und gelebt werden. Sie dienen der Weiterentwicklung. Und wenn ich eines aus diesem Jahr gelernt habe, dann das: Nichts ist schrecklicher als die eigenen Gedanken, die Vorstellungen und die Ängste. Alles wird leichter und lässt sich schaffen, wenn man es angeht, anstatt Angst davor zu haben.

Ich danke Euch lieben treuen Lesern, stillen und natürlich besonders den Aktiven, für, tja, eben Eure Treue und Euer nimmermüdes Interesse an meinen Gedanken. Ein paar neue Leser haben wir dazu gewonnen, denn seit mein Prunkschaf nicht mehr die Exklusivität hat, fällt es mir leicht, über die „Gedanken“ zu sprechen. Auch davor habe ich keine Angst mehr. Es kann weniger passieren, wenn das, was seit Jahren über einem gedräut hat, geschehen ist, wenn ein Projekt, das einem seit Jahren wie ein Damoklesschwert über dem Kopf hängt, durchgezogen ist und auch noch schön war. Mir ist natürlich vollkommen klar, dass es Menschen gibt, die all das nicht verstehen, sagen, „so what? That’s life“, aber die hätten vielleicht auch keinen Blog, in dem sie sich über Dieses und Jenes Gedanken machen. Kurzum: ich bin mehr als in jedem anderen Jahr dankbar für all das, was ich erleben durfte und vor allem für die Menschen in meinem Leben, die mir unermüdlich – jeder auf seine Art – beigestanden haben. Es klingt wie eine Oscar-Rede und ja, für mich war dieses Jahr ein riesiges Projekt und ganz nebenbei war ich selbst das Projekt.

Ich wünsche Euch von Herzen Frohe Weihnachten und wunderbare kuschelige Feiertage mit all Euren Lieben und ich verspreche Euch im Neuen Jahr viele Geschichten über großohrige alte Sizilianer, Fischhändler und vor allem meinen schon jetzt sehr lieb gewonnenen „Luigi“. Seid gespannt. Buon Natale, joyeux Noel!

Es ist nichts so schlecht…

…als dass nicht auch etwas Gutes zu finden wäre. Wie sich vielleicht der ein oder andere erinnern mag, gelte ich inzwischen beinahe europaweit als Maskottchen der Sanitär-Handwerker. Wo ich bin, ist Wasser. Leider gehört es da nicht immer hin. In Rom hatten wir eine Dachterrasse, die leckt, in Paris eine Spülmaschine und in Augsburg ein ganzes Dach. Arglose könnten nun meinen, das könne im fünften Stock, eingebettet zwischen den Stockwerken ja nichts Gravierendes sein, sondern käme sicher von einer Waschmaschine oder Ähnlichem. Weit gefehlt. Aus irgendeinem Grund ist gerade bei mir ein Knick, ein Knie, wie wir Profis sagen, in der Leitung und es sammelt sich das Wasser und das stürzt dann fast ungebremst in die Decke meiner Nachbarin unter mir. Zum Glück ist sie eine freundliche und christliche Seele. Die erste Maßnahme, die Sanitär-Fachleute – oder sollte ich sagen „Sanitäter“? – parat haben, ist „ja gut, dann reißen wir mal die Toilette auf und schauen drunter nach“. Um dies zu vermeiden, habe ich mich inzwischen ausführlich mit der Thematik befasst.

Ich habe nämlich außergewöhnlich schöne Bäder. Mit handproduzierten Fliesen. Einfach genau so, wie ich es mag. Da kommt nicht einfach einer daher und reißt als Erstes alles raus, um dann festzustellen, dass es was ganz anderes war. Und so habe ich meinen Herrn K. kennengelernt. Zunächst war es eine Begegnung auf Augenhöhe, weil ich fachkundig und mutig vor Sorge sagte, der Schaden käme vom Dach. Er fand das interessant, meinen Kaffee gut und war froh, dass die Wohnung und sein Arbeitsbereich sauber waren. Was er mir im Laufe unserer Beziehung (anders kann man das, was wir haben, kaum mehr nennen) aus seinem beruflichen Schatzkästchen erzählte, ist eine gute Basis für eine Null-Diät….Nach einem Dreiviertel Jahr mit einem lärmenden Entlüfter in der Wohnung war klar: es kommt vom Dach. Was eine Totalsanierung des Daches mit Gerüst und allem Pipapo zur Folge hatte. Und wenn man so viel Zeit zusammen verbringt, lernt man einander eben auch besser kennen. Und so habe ich erfahren, dass Herr K. passionierter Jäger ist. Und der Jagdmetzger unseres Vertrauens auf dem Stadtmarkt sein Geschäft schließt.

Und weil wir erst neulich wieder einen Wasserschaden hatten (meine liebe Nachbarin und ich, also sie hat ihn und hat folgerichtig mich angerufen), haben wir uns wieder gesehen und ich habe meine Nachfrage nach Wild erneuern können. Heute um 5.45 hat er mir einen wunderbaren Rehrücken und Schlegel gebracht. Der Rehrücken ist deutlich größer als ich dachte und wir werden lange, lange an Herrn K. denken! Nicht immer ist es so einfach, die Vorteile in einer Malaise zu sehen. Gerade in der aktuellen Phase meines Lebens fällt mir das auch manchmal schwer. Und gleichzeitig bin ich mit so vielen wunderbaren und bereichernden Menschen in Kontakt gekommen, dass ich schon sehr verbohrt sein müsste, um darin nicht auch etwas Gutes und Schönes zu erkennen. Vielleicht lade ich sie ja auch alle zu einem schönen Rehrücken ein?

Unser Prunkschaf

Es ist ruhig geworden in den letzten Wochen. Zumindest im Blog. In meinem Leben war es alles andere als ruhig. Nach einem furiosen Finale ist unser Hauptkommentator und gleichzeitig meine Motivation für diesen Blog, mein geliebtes Prunkschaf, meine Mama am Montag eingeschlafen. Friedlich zu hause. Nach langer, langer und fürchterlicher Krankheit. Es fällt mir schwer, hier weiterzuschreiben, weil der Blog für sie gedacht und betrieben wurde. Wenn ich schon nicht immer da sein konnte, so sollte es doch für mein Prunkschaf jeden Tag eine Motivation geben, wieder aufzuwachen, aufzustehen und weiterzumachen. Man könnte sagen, die Neugierde hat sie am Leben gehalten. Und so war es auch in der Tat. Meine Mama war neugierig. Auf Bücher, Länder, Erlebnisse, Mode – auf das Leben. Zu wissen, dass es jeden Tag einen Gedanken aus dem Ausland gibt, hat sie sehr gefreut. Wir haben nie mit anderen über diesen Blog gesprochen, es war ihrer und zum Glück haben viele, viele andere ihn im Laufe der Jahre entdeckt. Ihre Kommentare werden mir entsetzlich fehlen. Wie sie selbst.

Hurra! Basalganglien überlistet!

Es soll ja Menschen geben, die großes Vergnügen und Befriedigung daran finden, ihre Wohnung andauernd neu zu gestalten, neu einzurichten oder zu verändern. Dass ich nicht zu ihnen zähle, weiß ich nicht erst seit gestern. Ich bin bequem und schätze die Beständigkeit. Damit verhalte ich mich genau so wie die Natur es vorgesehen hat. Unser Gehirn – wir sprachen schon einige Male darüber – schätzt die Beständigkeit und Routine und trachtet nach ihr. Alles soll möglichst schnell zum Standardprozess werden und vereinfacht werden, damit man möglichst wenig Energie damit vergeudet. Über Routine muss man nicht nachdenken, sie läuft energiesparend mit und es bleibt deutlich mehr Zeit für die Imponderabilien des Lebens wie Säbelzahntigerangriffe, die sich ja selten ankündigen, abzuwehren oder sich eine neue Wintergarderobe zuzulegen. So weit, so gut.

Wohnungen und ihre Einrichtungen, außer man lebt auf einem Schloss und hat ein Heer an guten Seelen um sich herum, tendieren dazu, in die Jahre zu kommen und damit auch nicht schöner. So war es mit meiner Wohnung. Seit vielen vielen Jahren lag sie mir wie ein Fels auf der Seele. War sie vor achtzehn Jahren ein triumphaler Befreiungsschlag und der innenarchitektonische Antagonist zum mütterlichen Elternhaus, hatte sie auch doch viele, viele Provisorien, die ich plante, möglichst schnell durch ausgetüftelte Lösungen auszutauschen. Aber oh weh, ich hatte auch hier die Rechnung ohne meinen perfekt energiesparenden Körper und Geist gemacht. Bemalte Nachtkästchen blieben ebenso erhalten wie eine sentimental aus dem Speicher entliehene bemalte Holztruhe. Dadurch, dass wir nicht oft und auch nicht lange vor Ort waren, ließ sich damit – zwar mit einem Grummeln – leben. Aber es war immer da. Dieses „ich müsste mal, ich sollte dringend“. Und die Angst davor. Denn Angst droht – stellt man sich ihr nicht entgegen – aufs Gemeinste ihre Macht auszudehnen, zu chronifizieren.

Warum es dann so weit war, kann ich heute gar nicht mehr genau sagen. Es begann damit, dass ich älter wurde und auf die Schnelle ein Gemeinschaftsgeschenk aus dem Hut zaubern musste, wollte ich nicht mit reichlich Schals oder Coffeetable-Books beschenkt werden. Ich habe mich ohne groß darüber nachzudenken, für einen Tisch entschieden, den ich bei Freunden gesehen hatte und der von einem Schreiner gefertigt wurde. Im Hinterkopf war mir klar: dieser Tisch zieht einen Rattenschwanz nach sich. Und zum Glück hat er das. Und so kann ich heute wahnsinnig stolz von meiner neuen Couch inmitten einer Baustelle berichten: Ich habe meine Baselganglien und meine Dämonen gestellt und – wie es aussieht – besiegt. Denn was für andere etwas Normales, Nettes, Alltägliches ist, bedeutet für mich etwas anderes, Größeres. Die Aufgabe von Sicherheit und das Hineinhüpfen in etwas Neues. Das übrigens keineswegs schlechter, nein eher viel besser und passender ist. Ich bin stolz auf mich. Und ich freue mich.

Es

Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich werde ängstlich. Bin ich früher noch alleine in Santa Barbara an verlassene Strände gegangen, mit dem Greyhound durch Kalifornien gereist oder mit wildfremden Männern an verlassene Baggerseen, denke ich heute drüber nach, ob das Joggen im Wald um sechs Uhr abends wirklich so eine brillante Idee ist und ob man sich lieber dem Unwillen des Taxifahrers wegen der kurzen Strecke aussetzt als an vermummten Gestalten vorbei nach Hause läuft. Wieso ist das so? Hat das mit zunehmender Erfahrung, mit Überfremdung oder den Medien zu tun? Ich hab mir früher exakt gar nichts gedacht, wenn ich irgendwo jemanden mit den Händen in der Tasche, gesenktem Kopf und Kapuzenpulli gesehen habe. Seit meine Mutter mich auf Kapuzenshirtträger aufmerksam gemacht hat, finde ich sie nun ebenfalls in vielerlei Hinsicht bedenklich. Modisch sowieso, entwicklungspychologisch in jedem Fall und eigentlich auch einfach generell so, als hätten sie etwas zu verbergen….

Ein Buch hingegen ist verantwortlich dafür, dass ich – wie sehr, sehr viele andere aus meiner Generation – keinen Clown mehr ohne Hintergedanken betrachten kann. Den von Mc Donalds schon drei Mal nicht. Als ich ungefähr 16 war, habe ich nämlich ein dickes, großes rotes Taschenbuch gelesen. „Es“. Es ist das Buch, bei ich mich vor dem Umblättern gefürchtet habe und das ich – abgesehen von Clowns und seinem wahrlich grusligen Inhalt – auch wegen einer Tierquälerei nicht mehr gelesen habe. Ich habe diese natürlich sofort überblättert, aber nachdem das Auge bedauerlicherweise eine kurze Zeitspanne braucht, um das Gelesene im Gehirn ordentlich verarbeiten zu lassen, hab ich eben nicht schnell genug weitergeblättert…Blöd. Nun jedenfalls ist die Neuverfilmung dieses Buches in den Kinos zu sehen und kaum einer, der keine Meinung dazu hat. Es ist ein Werk, das meine Generation verbindet, mehr noch als abendliches Schweinchen-Dick-Schauen oder Bonanza oder Dallas. Mir war gar nicht klar, dass ich mit meiner großen Angst nicht alleine war, sondern sich vermutlich nur niemand getraut hat, darüber zu reden. Erstaunlich.

Gestern Abend, auf dem Weg zu meinem Steuerberater und einem Glas Wein, bin ich jedenfalls meinem Nachbarn begegnet, der ein recht mysteriöses Ansehen in unserer spießigen Wohngemeinschaft hat. Vieles wird über ihn und seine sehr scheue blonde Frau gemunkelt und eines eint uns alle fast wie das gemeinsame Grauen vor Faltbötchen, die in Gullys verschwinden: der Ärger darüber, dass er als einziger sein Auto immer auf dem Kurzzeitparkerplatz abstellt und sich hartnäckig weigert, einen anzumieten (den Kinderwagen, das Kinderfahrrad und alles, was man sonst vor einem kleinen Reihenhaus abstellen würde, hat er zu unserem Ärger immer im Hausflur deponiert). Man begegnet ihm also mit einem gewissen Misstrauen. Gestern aber, als ich ihn gegen acht Uhr in Laufkleidung gesehen habe, hab ich ihn gefragt, ob er jetzt noch laufen ginge. Ja, sagt er. Und als ich meinte, das sei wahrlich der Unterschied zwischen Männern und Frauen, sagte er: er habe eine Winterrunde und nichts auf der Welt könne ihn bei Dunkelheit in den Wald bringen und ob ich „Es“ kenne? Na klar, sag ich, einfach schrecklich, hab heute noch Angst vor Clowns. Und dann erzählt er mir, dass er neulich im Keller war und das Licht ausgegangen ist und er sich so fürchterlich gefürchtet hat und völlig außer Atem in seiner Wohnung angekommen ist. Soll er doch auf dem blöden Parkplatz stehen. Er ist einer von uns!

Gut geplant…

Spontan, beinahe überstürzt bin ich heute zu einem Spätsommerbesuch nach Rom aufgebrochen. Und dabei ist mir einmal mehr aufgefallen, dass man immer, aber wirklich immer aufpassen muss wie ein „Haftlmacher“. Landläufig gelte ich als gut organisierter und vorausschauender Mensch, nur wenn mich etwas wirklich am Herzen packt, denke ich keine Sekunde nach und sage zu oder mache es. Meistens geht es dann auch richtig gut. Besser als alles, was ich mir zurechtgeplant oder gedacht hatte. Ist wohl bei den meisten Menschen so. Dieser Besuch in Rom passte an sich nicht wirklich rein, war ein Herzenswunsch und musste sein und so habe ich mich am Sonntag beim Familienessen kurz absentiert und alles gebucht. Gewundert hatte ich mich schon da, dass alles so unverhältnismäßig teuer ist und schon so ausgebucht. So auch der Parkplatz (es ist das doofe lange Wochenende!!! Wer denkt denn an sowas???!!!). Dass meine Langzeitparkerplätze umgebaut werden, wusste ich noch nicht, aber das wäre mir auch piepegal gewesen, denn seit die Zubringerbusse dort nur noch fahren, wann sie Lust dazu haben und man schon mal ein Taxi herbeiwinken muss, was die Mischkalkulation empfindlich aus dem Gleichgewicht bringt, haben die mich als Stammkunden so was von verloren! Dafür hab ich – leider schon nach dem Genuss köstlichen Roséchampagners und wunderbaren Rieslings – ein Parkhaus gebucht, das mit großer Terminalnähe geprotzt hat und über das ich mir keine weiteren Gedanken gemacht habe. Warum auch? Ist ein Parkhaus, keine Handtasche. Ja, von wegen! Dann habe ich mich – und das ist eine kleine Schwäche von mir – nicht mehr mit dem Thema befasst. Denn ich denke mir dann meist, jetzt hast Du alles gut geplant, kannst es weglegen und dann wird schon alles passen und gut gehen.

Bis kurz vor dem Flughafen war auch noch alles gut, ich habe mit meiner Mutter telefoniert und dann begann das Drama (das kann ja auch mal in anderer Reihenfolge sein, wie alle, die Mütter haben, wissen). Jedenfalls: Dieses Parkhaus gibt es nicht! Zumindest nicht dort, wo alle ordentlichen Parkhäuser sind. Es war noch ganz früh und ich wollte meinen Mann nicht anrufen und im Übrigen könnte ich das ja auch nicht, wenn ich gar keinen hätte. Habe ich aber zum Glück und deshalb hab ich ihn dann doch angerufen, weil zum ersten Mal keine Polizei zum Fragen da war (ich liebe es, Polizisten zu fragen, das ist eine ganz ähnliche Motivation wie vor über 35 Jahren (sic!), als ich mit meinem Opa in Kenia einen Haifisch bestellt hatte, weil ich die Vorstellung beruhigend fand, diejenige zu sein, die ihn zuerst isst und nicht umgekehrt. Man muss dazu sagen, dass ich mich sogar in einem Pool vor Schatten unter mir fürchten kann!). Unter Mühen haben wir es dann gefunden, vor allem, weil mein Mann erstaunlicherweise mit meiner Standortbeschreibung „rechts sind Flugzeuge hinter einem Zaun“ nichts anfangen konnte. Aber wenn er die Antwort nicht verträgt, darf er – so finde ich – auch nicht fragen, was ich sehe. Egal, unter größten gemeinsamen Anstrengungen haben wir es dann gefunden. Es ist ein scheußliches Parkhaus mit Gitterboden und sehr verwirrend. Dafür offenbar das Parkhaus der Wahl von allen Profis. Bin in ca. 20 Stewardessen reingerannt als ich kopflos versucht habe, mich zurecht zu finden. Schon beim letzten Mal hab ich so ein verlassenes Gebäude am äußersten Eck des Flughafens gefunden.

Über eine Luftbrücke oder so ähnlich kam man zur S-Bahn!!!! Und dann muss man auch noch aufpassen, dass man nicht in die Stadt fährt. Dafür habe ich entzückt festgestellt, dass man mit der S-Bahn aus der Stadt eins A direkt vor Terminal 2 fahren kann. Also da gibt es ja wahrlich gar keinen Grund mehr, ein Taxi zu nehmen. Würde ich ja niemals machen! Ich habe natürlich ab dann alles wunderbar gefunden und bin mir sicher, dass P81 das neue P41 werden wird und ähnlich wie die von mir entdeckte und weitermissionierte Diktierfunktion am Handy künftig in aller Munde und aller Gebrauch sein wird. Bin sehr stolz, dass ich meinen Horizont so dermaßen erweitert habe und als ich dann meinen Mann auch noch dabei erwischt habe, dass er meinte, ich hätte bestimmt einen Sitzplatz hinten bekommen und bräuchte ewig zum aussteigen (er war noch nicht am Flughafen, hihihi), war ich sehr von mir und meinen globetrotterischen Planungsfähigkeiten überzeugt. Ich werde diese Aufregungen nun bei etwas feiern, von dem ich wirklich was verstehe: einer Pasta und einem Glas Wein in der Stadt! Die ist noch da, wo sie hingehört und wenn man sich mit der Vespa verfährt, ist das überhaupt kein Drama. Denn….alle Wege führen nach Rom!

Das Lerchlein in den Lüften schwebt….

….und singt den Himmel an, vom grünen Feld es sich erhebt und grüßt den Ahaaackersmann. So lautete der Refrain des Lieds, das ich mit acht oder neun Jahren im Chor in unserer großen Stadthalle mit meiner damaligen Singschule vorgetragen habe. An diesen Tag kann ich mich exakt erinnern und das ist besonders, denn Vieles sonst ist mir gänzlich entschwunden. Damals trug ich mein Kommunionkleid, das schon ein wenig eng und vor allem sehr, sehr warm war und weil das so war hat mir meine Mutter einen Tip gegeben, den ich bis heute beherzige: Lass kaltes Wasser über die Innenseite Deiner Unterarme laufen, das kühlt den ganzen Körper. Und so war es. Ich glaube, zusammengefasst – ohne die zahlreichen Präsentationen in meinem Leben – kann ich mich noch an zwei weitere Auftritte erinnern und die waren grauenvoll. Einmal als Engel beim Weihnachtsspiel und einmal als irgendein Römer in einer Betttuch-Toga im Gymnasium. Das war auch noch auf Lateinisch, was den Vorteil hatte, dass nur Herr Kunzemüller wusste, ob man patzte oder nicht.

Warum ich all das schreibe? Weil ich gestern wahnsinnig spontan beim Singen war. Und es einfach wundervoll war. Ich hab gar nicht gewusst, wie mir das Singen gefehlt hat. Ich meine jetzt nicht das fröhliche Mitkrähen im Radio oder auf Festen, ich meine das wirkliche gemeinsame Singen, auf andere hören und mit ihnen in einem Chor verschmelzen. Das ist ein Gemeinschaftserlebnis, das mit nichts zu vergleichen ist. Und wie die liebe Bekannte, die mich mitgenommen hatte sagte, man kann dabei an nichts anderes als das Singen denken. Es ist so gesehen die perfekte Yogaübung, bei der Geist und Körper zusammen sind und nur im Jetzt und vielleicht eine kleine Zeile vorweg sind. Ich bin zwar noch keine Zeile vorweg, weil ich keine Noten lesen kann und generell eher einen Achteltakt nachhinke, um zu wissen, wo’s hingeht, aber die Profis huschen schon mal ein bisschen vor, wie ich gestern bemerkt habe. Es ist ein reiner Frauenchor und schon allein das ist wunderbar. Manche kommen abgehetzt, manche gar nicht, es wird geschnattert und – was ich am allerschönsten finde – bei manchen Liedern steht man um den Flügel herum. Das ist sooooo toll!!!

Als ich vor einigen Tagen sehr spontan gesagt hatte „ui, da komm ich mit!“, hab ich gar nicht weiter drüber nachgedacht, was mich erwarten könnte. Das hab ich dafür gestern getan und mich furchtsam gefragt, ob ich wohl auf einem Podest stehen und vorsingen müsste? Gar nach Noten? Ohne Begleitung? Aber nein, alle sind sich ziemlich ähnlich, man darf eigentlich bei der Stimme mitsingen, die einem liegt und keiner wird geschimpft. Ein Traum. Auch werden große Auftritte geplant und ich habe schon vorgeschlagen, dass für den Fall, dass uns gar niemand hören möchte, man ja immer noch in den Zoo gehen könnte. Das wurde als letzte Notlösung in Betracht gezogen. Jedenfalls wird einmal mehr deutlich, dass Anlagen, die in der Kindheit angelegt, gar gefördert werden, zu den erstaunlichsten Zeiten im Leben reaktiviert werden können. Meine Mutter hat immerhin auch wieder mal getöpfert und es zeigt sich, dass es im Menschen drin steckt, Schönes zu tun und danach zu streben und es zu produzieren. Eigentlich wirklich schön oder?

Gesund essen

Gestern war ich kurz in der Stadt und als ich so über den Markt gehuscht bin, haben mich da die wunderschönsten Trauben angelacht, die ich seit langem gesehen habe. Nun bin ich absolut kein Freund unverarbeiteter Trauben (außer sie hängen an der Wand als Produkte wilden Weins bei meinem liebsten launischen Italiener mit dem schönen Gastgarten und mein Mann jault vor Entsetzen auf, wenn ich sie esse), aber diese haben selbst mich gelockt. Pralle grüne samtige Dinger. Einfach schön. Und so appetitliche große Gebinde – der Wahnsinn! Wild entschlossen hab ich auf eine Traube gezeigt, sie mir einpacken lassen und souverän einen Fünf-Euro-Schein hingehalten. Die Verkäuferin hat mich erwartungsvoll angeschaut, ich sie auch, bis sie dann sagte: 8 Euro 41, ach was, machma 8,40 bitte! Wäre fast lang hingeschlagen. Dazu möchte ich sagen, dass ich den Wert eines Einkaufswagens, eines Korbes voller Kleinigkeiten auf der Dult und den Preis eines noch nicht gewogenen Fisches ziemlich exakt schätzen kann. Dieser Preis hat mich schlichtweg umgehauen.

Darf das sein, dass ein gutes Kilo Weintrauben aus Italien mehr kostet als ein Mittagsmenü in der benachbarten Markthalle mit Fleisch, Gemüse und Sättigungsbeilage und Salat und Wasser? Das ist doch krank. Wie sollen Menschen sich denn da gesund ernähren? Wo führt das denn hin? In Rom zahle ich für ein Kilo Trauben (vermutlich dieselben) 2 Euro 50. Der Transport kann doch nicht so teuer sein. Und darf es dann weiter sein, dass ein Brathähnchen 2,99 kostet? Ich weiß, da regen sich alle drüber auf, aber man kann sich auch gar nicht oft genug mit dieser Absurdität beschäftigen. Was ist nun also falsch? Der Preis für tote Lebewesen oder der Preis für Obst und Gemüse? Was geschieht auf unseren Anbauflächen? In vielen Ländern, in denen Obst und Gemüse gut wachsen und einst zur normalen täglichen Nahrung und Kultur gezählt haben, nimmt die Hungersnot und die Erosion und überhaupt alles angeblich zu, weil dort nur noch für uns reiche Europäer angebaut wird. Und dieses Obst und Gemüse ist dann auch noch günstiger. Und ist dann alles, was teurer ist, wirklich so bio und menschen- und umweltfreundlich??

Ich beginne Menschen zu verstehen, denen das ein oder andere in ihrem Leben egal ist, woher es kommt, wie es produziert wird, welche Folgen es für die Umwelt hat. Sie haben einfach weder die Zeit, noch das Geld, noch die Kapazität, sich darüber Gedanken zu machen. Zum Beispiel wollte ich heute eine Fusselbürste kaufen. So eine altmodische, die aus samtähnlichem Stoff besteht und die man so umdrehen kann, damit man mit und gegen den Strich oder mit links und rechts bürsten kann. Ich finde zwar die Kleberollen auch praktisch, aber sie haben halt immer einen Plastikstil und produzieren Müll. Und was soll ich sagen? Es gibt sie im größten Drogeriemarkt unserer Stadt schlichtweg nicht mehr. Sie werden nicht mehr nachgefragt oder nicht mehr angeboten. Was soll das? Ich hatte schon mal über all die blöden Plastikspiele, Becher und so weiter geschrieben, Stammleser können es vermutlich nicht mehr hören/lesen, aber ich finde wirklich, dass die Verbraucher in Extremwerte getrieben werden und einige wenige sich alleine dagegen stemmen – und verzweifeln und ihr Leben dann damit vergeuden. Ich leider nicht mehr. Das waren garantiert meine letzten Trauben dieser Art. Sooooooo wahnsinnig gut waren sie auch nicht und ich hab einen ganz entzündeten Gaumen. Sooooooo bio können sie also auch nicht gewesen sein. Ich weiß schon, warum ich sie verarbeitet lieber mag. Werde mich jetzt einem Glas davon widmen.