Bericht aus der Hauptstadt

Gerade in Bayern wird ja sehr gerne über unsere teure halbfertige Hauptstadt geschimpft, gelächelt, gelästert. Völlig zu Recht übrigens. Es ist geradezu lachhaft, was hier an Geld versenkt wird. Kaum sagt einer mit dem Wort „Kultur“ im Titel, es wäre doch ganz supi, wenn die Museen auf der Museumsinsel unterirdisch verbunden wären und Besucher sich somit die Highlights in einem Aufwasch anschauen könnten, so bekommt er es. Flughäfen, Bahnhöfe, bei denen der Taxistand quasi nicht vorhanden ist, ein ganzes Schloss wird wiederaufgebaut, alles ist möglich. Die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Ähnlich den berühmt-berüchtigten Kindern vom Prenzlauer Berg, denen offenbar nichts verwehrt wird, immer in der Hoffnung, dass sie sich dafür prächtig entwickeln. Berlin hat natürlich auch ganz wunderbare Ecken und mit ein bisschen Geduld hätte es sich vielleicht auch von alleine prächtig entwickelt. Mit so vielen Retortenbauten, die sich als Rechtfertigung für wahnsinnige Kosten „Kultur und Kunst“ auf die Fahne geschrieben haben, wird das eher schwieriger als einfacher. Finde ich zumindest.

Dafür waren wir einem wirklich goldigen Hotel und konnten Zeuge der erfrischendesten Jugendkultur überhaupt werden. In einem ehemals grässlichen Durchschnittshotel wurde von einer Hotelkette ein hippes Hotel eröffnet mit DEM Frühstückscafé der Stadt. Rund um die Uhr ist das Mümmeln von unfassbaren Mengen an Eiern und Toast und Pancakes hier möglich. Mindestens zehn Nationalitäten arbeiten in Restaurant und Hotel, alle sehr, sehr freundlich, hilfsbereit und kompetent. Was kostet die Welt? ist nicht mal die richtige Beschreibung für die vorherrschende Einstellung. Es ist eher die Gewissheit, dass Vieles möglich ist, einem Vieles zusteht und mit Freundlichkeit alles leichter geht. Die Butter vom Brot lassen sie sich allerdings auch nicht nehmen. Diese Überzeugung spricht für mich als Kleinstadtkind auch aus vielen Geschäften, die mit unendlichem Optimismus eröffnet werden. Man kann förmlich erahnen, wie fröhliche junge Menschen bei irgendso einem veganen Getränk zusammen sitzen und sich ausdenken, dass ein Geschäft, in dem es nur Wasser zu kaufen gibt, doch wunderbar ankommen müsste und die Marktlücke schlechthin schließt?!

Oder eines mit dem bezeichnenden Namen „Brust 24“, das Brustvergrößerungen für 24 Stunden anbietet. Nun muss man kein Poet sein, um da ins Grübeln zu kommen? Wofür braucht man das? Für ein ganz spezielles Date? Für das Vorsprechen für Pornofilme? Für eine Gala? Um es nur einmal zu sehen? Alles ganz erstaunlich. Bei einem Bummel mit einer Bekannten, die seit vielen Jahren in Berlin lebt, konnte ich dann auch noch erleben, wie das Miteinander so ist. Ganz verständnisvoll, einfühlsam, nett. Jeder glaubt hier an seine Einzigartigkeit und die Brillanz seiner Ideen. Schön ist das. Solange es bezahlt wird. Und dass dieses Klima durchaus auch fruchtbar ist, zeigen die supercoolen Startups, die in Berlin und kaum woanders aus dem Boden sprießen. Erfolg braucht Kreativität. Und ein Ambiente, in dem Querdenken und Rumspinnen zum Alltag gehört. Von der Größe und der Vielfalt finde ich, dass Berlin Paris ähnelt. Nur in etwas netter und ja – kreativer und nicht so hart. Kein Wunder, dass die jungen gequälten Pariser so gerne hierher kommen. Und für uns aus der Provinz ist es auch schön, mal zu sehen, wo unsere Steuergelder hingehen (Entschuldigung, das ist ein Gemeinplatz, den ich auch mal verwenden wollte!!!).

2 Gedanken zu „Bericht aus der Hauptstadt“

  1. Ein Urviech von Bayer hat sich freundlicherweise so richtig auf den Hauptstadtslum Berlin eingeschossen. Er ist ein sehr bekannter Blogger und wird von den politischen Medien entsprechend beobachtet oder gemobbt. So lieb und freundlich wie die sehr verehrte Bloggerin Berlin behandelt, kann es da keine Verwarnungen geben.
    Ich persönlich stehe Berlin distanziert und sehr vorsichtig gegenüber, denn ich kenne diese Stadt nur durch verschiedene Besuche und die unsäglich vielen Berichte aus und über Berlin.
    Der verhüllter Reichstag war für mich ein schönes großes Erlebnis mit dem Berlin umging, als hätte jemand drei Semmeln in eine Tüte gepackt. Es war den Berlinern so gut wie egal.
    Das Problem der Berliner ist der Berliner der eigentlich so garnicht existiert. Wir kennen das Problem aus München. Alle kommen, finden es toll, nur der Münchner nicht. Ab 1920, den sogen. goldenen Jahren war Berlin die Stadt schlechthin, Intellektuelle, aufstrebende Mediziner, Literaten, Adel jeglicher Couleur, Potentaten aus dem Osten, Militär, alle waren versammelt,und verschönten das Bild dieser schillernden Stadt bis zum Tage X. Dann war schlagartig alles vorbei. Seitdem wird nur noch versucht, in irgendeiner Form dort anzuknüpfen.
    Das geht nicht, diese Stadt kann die evtl. vorhandenen Chancen nicht nützen.
    Vom römischen Feldlager aus betrachtet ist Berlin beeindruckend, aber ich möchte dort nicht leben.

  2. Nachdem ich hier ja in der Nähe der ehemaligen Hauptstadt lebe weiß ich wie sehr diese immer noch traurig darüber sind. Wenn man jetzt auch noch betrachtet wie dort in der Mitte des Landes das Geld mit vollen Händen ausgegeben wird, ja das macht die Beziehung nicht gerade besser. Geradezu eingeschlafen scheint Bonn zu sein, sie erinnert mich immer ein bisschen an Augsburg aber ist bei weitem nicht so schön. Ich war immer gerne in Berlin irgendwie ist dort alles cooler die Menschen locker, so ähnlich wie Amsterdam dort hat man auch das Gefühl alles tun zu können und keinen interessierts. Auf jeden Fall nicht spießig !

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