Es soll den Kindern ja schmecken

Wie herrlich unaufgeregt die Obama-Zeit war, wissen wir vermutlich erst jetzt zu schätzen, wo wir täglich mit #-Nachrichten des erdbeerblonden Derwischs konfrontiert sind. Dafür wird diese Nostalgie stetig und sehnsüchtig wachsen. Leider ist die ruhige, ja fast langweilige Zeit – um eines meiner Lieblingsworte zu benutzen – unwiederbringlich. Abgesehen von außenpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Einschlägen, wird nun eine der, wie ich finde, entscheidendsten und richtungsweisendsten und, ja, auch menschenliebensden Maßnamen der Obamaregierung aufgehoben: die Neukonzipierung des Schulessens. Michelle Obama hat sich angesichts der zunehmenden Verfettung und Verblödung der amerikanischen (und nicht nur dieser) Kinder dafür stark gemacht, dass sie weg vom reinen Komfortfood hin zu gesundem Essen kommen. Was die Nahrungsmittelindustrie, die Verpackungs- und Vermarktungsindustrie alles anstellen, damit keine unverarbeiteten Lebensmittel in den Handel gelangen (außer im hochpreisigen Biosektor, aber der deckt keinesfalls die breite Masse ab), ist unvorstellbar in seiner Perfidie und List.

Da wird zum Beispiel zuckerhaltiger Ketchup als Gemüse (Tomaten) deklariert, damit der Gemüseanteil am Essen stimmt. Gleichzeitig können viele Kinder eine Tomate schon gar nicht mehr erkennen. Weder in Echt noch auf Fotos. Um die Machenschaften der Nahrungsindustrie zu verstehen, muss man wirklich ziemlich tief hinein tauchen in deren Tun. Da ist zum Einen die Strategie, funktionale Lebensmittel zu schaffen, die sich fast gar nicht von anderen unterscheiden, aber mit einem minimalen Zusatz Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Fettleibigkeit lindern oder verhindern sollen. Krankheiten, die primär von anderen Produkten aus demselben Konzern verursacht sind. Dem Verbraucher soll suggeriert werden, dass er auf die anderen Lebensmittel aus dem Konzern nicht verzichten muss, gar weniger essen, nur diesen einen Joghurt, Trinkjoghurt (am besten mit ergonomischer Schnabeltassen/Nippelform) zu sich nehmen muss und alles ist wieder gut. Kauen gilt inzwischen als Anstrengung, gar als Sport, der kaum einem Kind (und Erwachsenen in Dreiviertel-Kargo-Hosen und T-Shirt) mehr zugemutet werden darf.

In Ländern mit hoher Armutsrate und hoher Kochtradition werden seit einigen Jahren zum Beispiel Kleinstpackungen von Brühwürfeln, Erdnussbutter oder anderen Fertigprodukten direkt in den Slums angeboten, die für ein, zwei Cent zu kaufen sind. Ein, zwei Cent deshalb, weil es die Beträge sind, die die Frauen im Laufe des Tages zwischen den Mahlzeiten durch Kleinstverkäufe oder Betteln auf der Straße zusammen bekommen. Damit werden geschmacksneutrale Lebensmittel wie Toastbrot oder Kohl „verfeinert“. Die meisten anderen Gemüsesorten sind inzwischen zu teuer, weil die Anbauflächen für den reichen Westen (und die weiterverarbeitenden Konzerne) gebraucht werden. Dadurch dass auch hier Zucker und Geschmacksverstärker enthalten sind, schmeckt es den Kindern und side verlangen in der Folge danach. Damit ist ein wahnsinnig wichtiges kulturelles Element beim Teufel, Familienbindungen, Traditionen, Werte, alles geht den Bach runter. In anderen Ländern passen sich die Konzerne den Einkaufsgewohnheiten der Hausfrauen an und bieten vorwiegend Tiefkühlgerichte im Tür-zu-Tür-Verkauf durch andere Hausfrauen an. Was ich damit sagen will?

Die ganze Welt schaut auf Kriegsgebiete und Krisenherde. Dabei übersehen wir die schrecklichsten weil schleichenden direkt unter unserer Nase. Auf unserem Teller. Ich könnte da verzweifeln.

2 Gedanken zu „Es soll den Kindern ja schmecken“

  1. Erst gestern habe ich mich mit so einem jungen Ding übers kochen unterhalten. Sie kocht nur, weil sie halt was essen muss aber Lust drauf hätte sie nicht, es ist also ein notwendiges Übel. Natürlich hat man Zeiten, in denen, weil jung und ungebunden, man mittags zum Chinesen um die Ecke gegangen ist. Aber wir haben uns zu dieser Zeit auch abends getroffen zum quatschen und da gab es immer Selbstgekochtes zum Wein! Nicht erst seit ich Kinder habe, mache ich mir Gedanken ums essen (manchmal ein wenig zu viel), irgendwie habe ich das immer schon gerne gemacht. Es ist doch total schön bei einem guten Essen zusammen zu sitzen und sich vorher auch Gedanken macht, was es geben soll. Ich merke immer, wenn wir mittags lecker essen, sind alle zufrieden und schaffen den Rest des Tages einfach besser. Und nicht zu vergessen: Essen macht glücklich und verbindet.

  2. Ich kann da wirklich nicht drauf antworten, da ich seit einer Woche so gut wie ohne Essen und Trinken auskomme. Das sind verlorene Seelen von Eltern, die an nichts mehr Interesse haben und mit der Zeit, die durch Nichtkochen und Junkfoodessen gewonnen wurde, nichts anfangen können. Vor ca. 20 Jahren erklärte mir mal ein ganz gescheiter Mensch, dass die Welt in Kürze von nur noch drei maßgeblichen Personen regiert würde. Ich denke, wir sind angekommen. Mein Kopf ist leider viel zu dumm und klein, um das was ich befürchte, in die richtigen Worte zufassen.

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