Scheinheiligkeit

Einen guten Monat war ich nicht in Rom. In der Zwischenzeit ist mein Oleander nicht mehr beleidigt und knospt wieder, was mich sehr froh macht, die Baustelle unter unserer Wohnung scheint sich in den Endzügen zu befinden und viele, viele einst gefährlich löchrige Straßen sind neu asphaltiert. Ich bin bereit, dies völlig unserer zauberhaften Bürgermeisterin Raggi anzuhängen. Weil sie eine Frau ist und damit pragmatisch. Sie schreibt sich nicht irgendwelche nie zu erreichenden hehren Ziele auf die Fahne, sondern fängt dort an, wo auch wirklich etwas zu erreichen ist. Das mag dann nicht so spektakulär sein wie ein Vorhaben alla „Ich mache Rom wieder zur Nummer eins unter allen Städten“, aber es erleichtert den Menschen den Alltag, macht sie froh, rettet vielleicht auch Leben. Es hat etwas von Demut den kleinen Dingen gegenüber, ohne die große Dinge gar nicht erst möglich wären, von Füßewaschen bei Mafiosi oder von kleinen freundlichen Gesten im Alltag. Männer mögen solche Gesten nicht immer so gerne. Sie sind nicht spektakulär und effekthascherisch genug, um zu gefallen. Im Stillen wirken ist nicht jedermanns Sache.

Wer WhatsApp hat, ist auch oft in WhatsApp-Gruppen. Das liegt in der Natur der Sache. Das hat viele Vorteile. Man muss nicht jeden Einzelnen anschreiben, um eine Verabredung festzuzurren und lernt ganz nebenbei auch noch seine Mitmenschen besser kennen. Da schreibt zum Beispiel einer, dass in seinem Hotel vier Hundewelpen ausgesetzt wurden und ob nicht einer zufällig einen unterbringen könnte, er selbst würde einen mitnehmen. Um kurz vor Mitternacht kommt dann die große Moralkeule , ob man denn auch alle afrikanischen Kinder adoptieren würde oder gar selbst hinführe, sich um sie zu kümmern. Bäng. Groß rausgekommen, Gutmenschentum unter Beweis gestellt, einem, der ganz harmlos und nebenbei entschlossen ist, eher was Gutes als gar nichts zu tun, eine übergebraten und all das, ohne auch nur einen Finger gekrümmt zu haben. Vermutlich noch nach einer Flasche Weißwein vom Sofa aus. Ich habe ziemliche Probleme mit solchen Menschen. Menschen, die nichts tun als die Taten anderer klein zu reden, die es nicht sehen können, wenn andere auch etwas leisten. Das ist das Gegenteil von gut in meinen Augen und hemmt wie ein böses Perpetuum Mobile den Kreislauf des Guten.

Wenn wir an einem Tag wie diesem – Ostern, dem Tag der Auferstehung – bleiben, ist es auch unchristlich. Denn letztlich zählen Taten, wie klein auch immer und nicht blödes, unnützes Daherreden. Natürlich wäre es ganz wunderbar, mit einem Satz alles Elend auf der Welt zu beheben, aber gar nichts zu tun oder das Engagement anderer zu verhöhnen oder zu schmälern, nur weil man selbst den Arsch nicht hochkriegt und sich ärgert, dass ein anderer besser ist, macht mich sehr zornig. Das muss schon jedem selbst überlassen bleiben, wofür er sich engagiert, solange er damit was Gutes tut. Denn letztlich zieht das Gute immer seine Kreise – egal, wo es seinen Anfang genommen hat. Sicher beginnt es nicht mit bösartigen Kommentaren von einem Sofa aus. Eher mit dem Asphaltieren von Straßen und dem Adoptieren von kleinen Hunden. Frohe und tätige Ostern wünsche ich allerseits!

2 Gedanken zu „Scheinheiligkeit“

  1. So sieht es doch aus ich gebe der lieben Bloggerin recht für was sich ein jeder einsetzt ist egal und seine eigene Entscheidung. Wer darf eigendlich festlegen was es wert ist das man sich dafür engagiert ? Klar mache ich mir meine Gedanken das tausende Kinder auf dieser Welt immer noch verhungern oder syrische Kinder einem Giftgasangriff zum Opfer fallen. Das bedürftige Rentner zur Tafel gehen müssen obwohl sie ihr lebenslang gearbeitet haben, das Leute Geld sammeln für Rentner die sich nicht mal eine warmen Mantel kaufen können wenn es draußen kalt ist. Das Hunde geschlagen und misshandelt werden einfach so ! Wer bestimmt wem man helfen darf und wem nicht entscheidend ist wirklich das es Menschen gibt die es einfach machen und nicht lange fragen ob es nötig ist.

  2. Diese sogenannten Gutmenschen sind meist garnicht so gut wie sie scheinen und sich darstellen. Das Gleiche findet man bei diesen sogen. guten Christen. Sonst hätte man in Irland nicht Gräber von Hunderten getöteter Babys und Kinder gefunden, die Nonnen überantwortet waren. Auch sonst ist die Intoleranz bei den Meisten die sich groß und gut darstellen sehr gut sichtbar. Ich hoffe nur, daß der Afrikakinderfreund wenigstens jährlich einen Zehnten seines Jahresgehaltes an ein Kinderhilfswerk spendet.

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