Als Gast zuhause

In einer Welt voller Abenteuer, Perspektivenwechsel und ständig neuer Impressionen gibt es wohl kaum etwas Aufregenderes als Gast in der eigenen Stadt zu sein. Weg von Waschmaschinen, Pförtnern und der Überlegung, ob man zweimal hintereinander Fisch essen kann oder sollte, fällt es leicht, sich auf die Schönheiten der Stadt einzulassen und all die lieben Gäste zu verstehen, die einen Jahr für Jahr besuchen kommen und die meistens entzückt sind. So schön ist Rom also! Nun genieße ich dieses Wunder an Stadt schon immer sehr bewusst, wohl auch, weil ich nicht gezwungen bin, dort Post- oder andere Ämter aufzusuchen, aber gänzlich befreit von Verpflichtungen auf einer Ape durch die Stadt zu brausen – sozusagen mit einem Rad mehr als auf der gewohnten Vespa – das hat schon was. Und wenn wir nicht so ein reizendes Gastgeschenk bekommen hätten und ich nicht nur mit Handgepäck reisen würde und das Geschenk zu hause deponieren hätte wollen, wäre sicherlich auch Massimo (und mir) ein Trauma erspart geblieben.

Gestern nämlich war die Versuchung doch zu groß und ich bin mit Michele, einem weisen und sehr einsichtigen Taxifahrer, nach Hause gefahren. Und weil ich schon mal da war, habe ich auch die Terrasse inspiziert. Alls in Ordnung bis auf einen großen Kirschlorbeer. Wusst ich’s doch. Hatte davon geträumt und es war wie immer in Bezug auf die Terrasse richtig. Meine Pflanzen haben nach mir gerufen. Da mag man drüber lachen, aber es ist eben so. Besagter Kirschlorbeer war also kurz vor dem Sterben und da Massimo nicht wusste, dass ich vorbeischaue, weil ich das auch nicht wusste, war er entsetzt und hat ab nun Verfolgungswahn. Aber ganz ehrlich: die Pflanzen brauchen Fürsorge, ob ich nun in einer Woche angekündigt bin oder nicht. Das ist seine Aufgabe und ich ärgere mich fürchterlich, wenn er sie nicht macht. So habe ich zwar wieder ein Stück Alltag hereingeholt, aber im schlimmsten Fall den Tod einer langjährigen Begleiterin verhindert. Nachdem dies erledigt war, Michele sich der Menschenrechtsorganisation meines Mannes anschließen wird, weil er überzeugt ist, dass ich seiner Frau auf’s Haar ähnle bevor er nachmittags Massimo zur Hand geht (auch das hatte er live erlebt), konnte ich mich ganz beruhigt wieder den Schönheiten der Stadt widmen.

Und weil ich völlig entfesselt war, bin ich nachmittags zum Parucchiere Dino gegangen und habe in Raffaela eine wahre Meisterin ihres Fachs gefunden. Sie teilte mir stolz mit, sie mache den Job jetzt schon seit 35 Jahren, hätte ja schon mit 11 Jahren angefangen und sei nun immerhin schon 43. Sie gab mir ausgesprochen streng einen Ratschlag mit auf den Weg, der mir nach beinahe zwanzig Jahren in der Ewigen Stadt so Manches in Bezug auf italienische Frauen erklärt hat: Non pettinare!!!! Nicht bürsten. Auf meine Frage, ob auch nicht am nächsten Morgen hatte sie nur ein Wort: NO! Eigentlich waren es zwei, aber es fühlte sich wie eines an: Certamente NO! Und so kann ich schließen mit der Bestätigung des alten Sprichwortes: Reisen bildet. Und wer sich Sorgen macht, ob mein Haar aussieht wie ein Vogelnest: Mitnichten. Und falls es doch so wäre – ich fliege gleich nach Paris und da hat man das so.