Das Kissenmenü

Für all Diejenigen, die es noch nicht wissen: möchte man es drauf anlegen, mich richtig und nachhaltig zu verärgern, genügt es, mir ein hartes, hohes Kissen – am besten gleich zwei – zu geben. Soll ich auf einem solchen Hochhaus schlafen, ziehe ich es vor, mir einen Schal oder ein Handtuch unter mein Haupt zu schieben. Und bin verärgert. In den meisten Hotels bleibt mir auch nichts anderes übrig als verärgert meinen besten Kaschmirschal zu verrammeln (auf die Idee, mit Kopfkissen zu verreisen, wie es wohl einige Menschen tun, bin ich noch nicht gekommen, muss ich zugeben, ist aber wirklich eine Überlegung, jetzt, wo ich so drüber schreibe…..), nicht so heute. Während einer anderen Hotelroutine, nämlich dem Verstauen sämtlicher Menüs, Hotelinformationen, Bibeln, und Aufsteller, die meiner Meinung nach überhaupt gar nichts an einem Ort zu suchen haben, an dem man sich „wie zuhause“ fühlen soll, habe ich interessehalber einen Blick auf den Plexiglasaufsteller auf meinem Nachtisch geworfen. Denn ganz ehrlich: was soll da drauf stehen? Im Bad ok, da erfährt man, dass zwar gerne alle zwei Stunden die Handtücher gewechselt werden, man von Hotelseite aber doch auch bitte gerne seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten würde. Das ist verständlich und vertraut, was aber kann neben dem Bett an Information (von Hotelseite) stehen?

Dort steht, dass man liebend gerne auf die Wünsche der geschätzten Gäste eingehen möchte und die unterschiedlichsten Bettwaren bereit hält. Also habe ich meinen Mann gebeten, mir doch bitte ein weiches, knautschbares Kuschelkissen, unter dem ich nicht ersticke und das ich mir in den Nacken bollen kann, zu bestellen. Er mag es nicht gerne, wenn man etwas anders möchte, als es vorgesehen ist. Außer bei Wohnungen und Ampeln. Da liebt er es geradezu, Wände und Farben bestenfalls als erste Vorschläge zu betrachten und sie ganz nach eigenem Gusto zu interpretieren. Nach ein paar kleinen Wiederholungen hat er dann dennoch bei der Rezeption angerufen (er spricht einfach so viel besser Italienisch als ich) und hat nach einem anderen Kissen gefragt. Und dann war er baff. Er wurde nämlich gefragt, welche Art von Kissen aus dem „menu dei cuscini“ er denn wohl gerne hätte. Sprachlos war er. Ich konnte ihm das Menu sehr triumphierend reichen und auf das weiche Daunenkissen deuten. Ich finde nämlich, wenn man schon so einen Service anbietet, dann freut man sich doch auch, wenn er genutzt wird. Das ist doch, wie wenn ich mordsviele Gerichte auf ein Buffet stelle und die Gäste dann ein Butterbrot essen. Viel netter ist es, wenn sie fragen, ob noch was von dem Kichererbsenauflauf da ist.

Nun liege ich also auf einem daunenweichen Kissen, freue mich, dass ich kein bisschen allergisch mehr bin und arbeite immer noch die Pasta vom Mittag ab. Zwischendurch höre ich drohendes Hupen von der Hauptstraße, auf der sich andauernd tankergroße Reisebusse aneinander vorbeiquetschen, Motorini sich todesmutig an ihnen und vor allem auch zwischen ihnen entlang fädeln und überlege, ob ich heute tatsächlich nochmal aufstehe. Die Daunen halten mich förmlich gefangen, der Ab- und vor allem der Wiederaufstieg hier in Positano ist steil und ich bin schrecklich müde. Es wäre doch zu schade, würde ich mein Wunschkissen nicht erst mal ausgiebig testen oder? Es wäre geradezu unhöflich…..tssssss.

Wie man einer Ente die Füße schrubbt

Das ist ganz einfach: Man klemmt sich die Ente mit dem Schnabel nach hinten unter den linken Arm, nimmt ein Mikrofasertuch und rubbelt die Füße einen nach dem anderen ordentlich damit ab. Vorher ist es natürlich ratsam, ihr mit einem starken Gummiband den Schnabel zuzubinden, denn wenn Enten so reinliche Tiere wären, dass sie gerne gründlich geschrubbt werden, hätten sie keine so schmutzigen Füße. Logisch oder? Nun mögen sich langjährige Leser fragen, ob der geneigten Autorin das warme Wetter zu Kopfe steigt. Aber nein, das ist es mitnichten. Es ist die feste Überzeugung, dass in Zeiten voller Sorge, in denen das Gehirn Kreise dreht und das Herz sich vor Sorge verkrampft, Beschäftigung – egal welche und idealerweise egal wie stupide – am besten ist. Ablenkung funktioniert schon bei Kindern. Es ist zwar umstritten, ob es nicht besser ist, sie ihre Gefühle durchleben zu lassen, von wegen einmal durchstandene Angstkurve besiegt die Angst und so, aber manche Angstkurven dauern einfach zu lange als dass man sie unbeschadet durch- oder überleben könnte.

Momentan ist wieder einmal eine solche Phase, in der Ablenkung durch monotone Tätigkeiten wie Terrasse putzen, Unkraut jäten, bügeln oder Sofa schrubben überlebenswichtig ist. Und weil Sofaschrubben offenbar in den Ohren meiner Mutter klingt als würde man einer Ente die Füße sauber machen, kam es zu diesem putzigen Bild. In Zeiten, in denen einem außer dem machtlosen Hinnehmen und Ertragen nicht viel Aktives zu tun bleibt, neigen Menschen zu ganz unterschiedlichen Reaktionen. Wie die sind, hängt vom Charakter und vom Moment ab. Ich schwanke zwischen Ablenkung und Aktionismus. Manchmal gibt es aber eben nichts weiter zu tun als zu warten. Und zu ertragen. Ich habe heute mit meiner Freundin gesprochen, die mir von einer anders gearteten Sorge, nämlich um ihre Tochter erzählt hat. Gleichwohl sie nicht konkret ist wie bei einer Krankheit, muss auch sie den schmalen Grat gehen: Sorge und Angst auf sie übertragen, sie warnen, beschützen und sie dadurch prägen oder nichts tun, sie „sorglos“ weiterleben lassen und sich noch mehr sorgen.

Aber zurück zur Ente: Ein selbst strukturierter Alltag wie der meine fast immer ist, ist fast immer ein Luxus, in solchen Momenten jedoch eine zusätzliche Herausforderung, die wesentlich mehr Disziplin erfordert als um acht Uhr ins Büro zu gehen oder irgendwohin zu fliegen. Jeder Schritt muss geplant sein, jede Aufgabe gesucht und gewählt. Kreatives wie Artikel oder brillante Blogbeiträge schreiben fällt dann besonders schwer und sorgt beim leeren Blick aus dem Fenster dafür, dass die unliebsamen Gedanken sich sofort ihren Platz zurückerobern. Beim Entenfüßeschrubben passiert das nicht so schnell. Zu groß ist der Schmutz, zu zappelig die Ente. Ich hoffe sehr, dass am Ende dieser Phase nicht nur saubere Entenfüße, sondern auch schlanke Beine, gute Werte, saubere Bäuche und scharfe Augen herauskommen. All die Ablenkung soll schließlich auch ihr Gutes haben.

Das verlorene Wort

Vor einigen Jahren habe ich in einem Artikel ein Wort gelesen, das mir sehr gefallen hat und es leider fast augenblicklich wieder vergessen. Warum? Wieso? Ich wusste um die Bedeutung und habe sie hoffnungsfroh meinem italienischsprachigen Mann dargelegt. Er hat ein paar Vorschläge gemacht, aber obwohl es sich um ein italienisches Wort und eine zutiefst italienische Eigenschaft handelte, kam er nicht mit dem richtigen Begriff um die Ecke, was mich sehr verdross. Über Jahre habe ich diesem Wort nachgejagt wie ein Jäger einem flüchtigen Reh oder Hasen. Mal hab ich das Schwänzle gesehen, dann wieder die plüschigen Ohren und huschwusch war es wieder im Nebel des Waldes verschwunden. Es hat mich geneckt und getriezt. Bis ich es aufgegeben habe. Vor einigen Jahren habe ich es durch übermenschliche Anstrengung erhascht, niedergerungen für einen Moment, aber es war zu schlau und hat sich wieder frei gemacht. Und ist erneut für Jahre verschwunden.

Vor zwei Tagen dann, beim flüchtigen Blättern in einem Klatschblatt, das gerne ein People-Magazin sein möchte, war es auf einmal da. Stellte sich mir direkt vor die Flinte. Breitbeinig und selbstverständlich lächelte es mich an wie um zu sagen: Ok, Du willst mich wirklich. Hier bin ich. Und jetzt haben wir uns – hoffentlich für immer und ewig. Darum schreibe ich auch darüber in unserem Blog, der ja bekanntlich nichts vergisst wie das ganze Internet eben. Das Wort lautet übrigens „Sprezzatura“ und ist an sich ein Neologismus, wobei mir der Begriff Neuschöpfung doch etwas übertrieben vorkommt für ein Wort, das immerhin vor über 500 Jahren „erfunden“ wurde. Forscht man ihm ein wenig nach, treten Informationen zutage, die nicht nur spannend, sondern auch hochaktuell sind. Im Buch über den idealen Mann am Hofe von Castiglione, dem die Schöpfung dieses Wortes zugeschrieben wird, ist genau beschrieben, was einen guten Höfling, meinen Mann der Gesellschaft ausmacht:

„Grazia (Anmut), misura (Ausgewogenheit), ingenio (Geist) und arte (Kunst) sind immer wieder auftauchende Kernbegriffe. Leitmotivisch werden dabei folgende Merkmale des idealen Hofmannes gefordert:
Sprezzatura, mit der man ohne sichtbare Anstrengung seine Aufgaben bewältigt,
eine humorvolle Gesinnung und schlagfertige Konversation,
eine elegante, urbane Lebenshaltung,
unbedingte Aufrichtigkeit in der Konversation mit dem Prinzen,
Gewandtheit im Umgang mit Frauen und Bildung in den schönen Künsten.
Castigliones Hofmann ist universell gebildet und hat vielseitige Fähigkeiten. Der Hofmann Castigliones sollte harmonisch und ausgewogen sein. So wird zugleich kriegerische Tüchtigkeit und kulturelle Bildung gefordert, höfische Anmut und Schlagfertigkeit, Kühnheit und edle Gesinnung werden beim cortegiano vorausgesetzt. Der Hofmann findet seinen Schwerpunkt in der goldenen Mitte, der positiv verstandenen mediocrità. Prinzipiell träfen diese Tugenden auch auf die Frau zu, die jedoch noch durch typisch weiblichen Eigenschaften, wie Umgänglichkeit und Herzensgüte zu ergänzen seien.“

Sehr schade, dass wir keine echten Höfe mehr haben. Aber sehr wunderbar, dass ich mein Wort endlich (wieder) habe!

Bericht aus der Hauptstadt

Gerade in Bayern wird ja sehr gerne über unsere teure halbfertige Hauptstadt geschimpft, gelächelt, gelästert. Völlig zu Recht übrigens. Es ist geradezu lachhaft, was hier an Geld versenkt wird. Kaum sagt einer mit dem Wort „Kultur“ im Titel, es wäre doch ganz supi, wenn die Museen auf der Museumsinsel unterirdisch verbunden wären und Besucher sich somit die Highlights in einem Aufwasch anschauen könnten, so bekommt er es. Flughäfen, Bahnhöfe, bei denen der Taxistand quasi nicht vorhanden ist, ein ganzes Schloss wird wiederaufgebaut, alles ist möglich. Die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Ähnlich den berühmt-berüchtigten Kindern vom Prenzlauer Berg, denen offenbar nichts verwehrt wird, immer in der Hoffnung, dass sie sich dafür prächtig entwickeln. Berlin hat natürlich auch ganz wunderbare Ecken und mit ein bisschen Geduld hätte es sich vielleicht auch von alleine prächtig entwickelt. Mit so vielen Retortenbauten, die sich als Rechtfertigung für wahnsinnige Kosten „Kultur und Kunst“ auf die Fahne geschrieben haben, wird das eher schwieriger als einfacher. Finde ich zumindest.

Dafür waren wir einem wirklich goldigen Hotel und konnten Zeuge der erfrischendesten Jugendkultur überhaupt werden. In einem ehemals grässlichen Durchschnittshotel wurde von einer Hotelkette ein hippes Hotel eröffnet mit DEM Frühstückscafé der Stadt. Rund um die Uhr ist das Mümmeln von unfassbaren Mengen an Eiern und Toast und Pancakes hier möglich. Mindestens zehn Nationalitäten arbeiten in Restaurant und Hotel, alle sehr, sehr freundlich, hilfsbereit und kompetent. Was kostet die Welt? ist nicht mal die richtige Beschreibung für die vorherrschende Einstellung. Es ist eher die Gewissheit, dass Vieles möglich ist, einem Vieles zusteht und mit Freundlichkeit alles leichter geht. Die Butter vom Brot lassen sie sich allerdings auch nicht nehmen. Diese Überzeugung spricht für mich als Kleinstadtkind auch aus vielen Geschäften, die mit unendlichem Optimismus eröffnet werden. Man kann förmlich erahnen, wie fröhliche junge Menschen bei irgendso einem veganen Getränk zusammen sitzen und sich ausdenken, dass ein Geschäft, in dem es nur Wasser zu kaufen gibt, doch wunderbar ankommen müsste und die Marktlücke schlechthin schließt?!

Oder eines mit dem bezeichnenden Namen „Brust 24“, das Brustvergrößerungen für 24 Stunden anbietet. Nun muss man kein Poet sein, um da ins Grübeln zu kommen? Wofür braucht man das? Für ein ganz spezielles Date? Für das Vorsprechen für Pornofilme? Für eine Gala? Um es nur einmal zu sehen? Alles ganz erstaunlich. Bei einem Bummel mit einer Bekannten, die seit vielen Jahren in Berlin lebt, konnte ich dann auch noch erleben, wie das Miteinander so ist. Ganz verständnisvoll, einfühlsam, nett. Jeder glaubt hier an seine Einzigartigkeit und die Brillanz seiner Ideen. Schön ist das. Solange es bezahlt wird. Und dass dieses Klima durchaus auch fruchtbar ist, zeigen die supercoolen Startups, die in Berlin und kaum woanders aus dem Boden sprießen. Erfolg braucht Kreativität. Und ein Ambiente, in dem Querdenken und Rumspinnen zum Alltag gehört. Von der Größe und der Vielfalt finde ich, dass Berlin Paris ähnelt. Nur in etwas netter und ja – kreativer und nicht so hart. Kein Wunder, dass die jungen gequälten Pariser so gerne hierher kommen. Und für uns aus der Provinz ist es auch schön, mal zu sehen, wo unsere Steuergelder hingehen (Entschuldigung, das ist ein Gemeinplatz, den ich auch mal verwenden wollte!!!).

Würdevolle Meerschweinchen

Frauen oder Mädchen, die gerne Männer sein oder werden wollen, konnte ich noch nie verstehen. Bei jedem Ball gleich aussehen? Bei eigentlich fast jeder Gelegenheit? Kaum eine Mode mitmachen können, ohne als hirnloser Geck zu gelten? Bei Schuhen höchstens zwischen schwarz, braun und – ganz flippig – dunkelblau wählen können? Nein, das ist wahrlich wenig verlockend. Die paar Vorteile, dass man mehr verdient und kürzer bei öffentlichen Toiletten oder auf der Wiesn ansteht, können all die Nachteile sicher nicht wett machen. Und – ich muss es leider so deutlich sagen: ich wollte mich als Mann echt nicht mit Frauen rumschlagen. Ich finde Frauen prima, aber ich bin auch froh, dass die Natur mir mitgegeben hat, sie lediglich als Freundinnen haben zu wollen und nicht als Partner. Nun halte ich mich, wie die meisten Menschen es ja generell tun, für ein Paradebeispiel, dass ein Mann wirklich fast alles in einer Frau finden kann. Ich möchte die einzelnen Rollen und Funktionen hier gar nicht aufführen, aber ebenso wie ich ihn ganz wunderbar finde, gelingt es meinem Mann zum Glück auch, kleine Schrullen liebevoll in mein Gesamtbild zu integrieren.

Immer wieder wird gefragt: was will ein Mann von einer Frau? Wie soll sie sein? Was soll sie mögen? Wirklich nur blond, vollbusig und willig? Vor vielen, vielen Jahren, nach einem kleinen bisschen Wein und mit dieser situativ-typischen Weisheit konnte ich mal fließend auf jene entnervt gestellte Frage antworten: Sie wollen am liebsten eine Frau, die ihnen zu essen gibt wenn sie Hunger haben, lieb ist, wenn gewünscht und einen schlafen lässt, wenn man müde ist. Ich glaube, das kommt weitgehend hin. Wenn sie noch hübsch ist, auch gut. Die schwäbische Erklärung dazu lautet: eine Hübsche isst auch nicht mehr wie eine Hässliche. Klar, wenn sie eine reiche Erbin ist, die ihren Mann im mittleren Management dennoch haltlos bewundern kann, umso besser. Aber ansonsten sind Männer, denke ich, etwas toleranter als Frauen. Die wollen nämlich ordentlich viel. Zurzeit zum Beispiel einen Alpha Softie, was kurz und bündig heißt: draußen ein Wildschwein, drinnen ein Meerschweinchen. Aber bitte ein würdevolles.

Ich frage mich, wie lange Männer das noch mitmachen möchten? Zwar bin ich weit davon entfernt, eine Männerfrau zu sein, schon alleine, weil ich Frauen, die sagen, dass sie sich lieber mit Männern als mit Frauen unterhalten, weil das immer so schön unzickig und direkt ist, nicht mag und sie für sozial inkompetente Nestbeschmutzer halte, die in einer Unterhaltung grundlos Bewunderung suchen und das bei matten Männern leichter geht, aber die ganze Entwicklung mit dem Männerbild nimmt doch inzwischen groteske Züge an. Das ist ähnlich wie in einer Ehe. Ewig lang kann man rumnörgeln, quengeln, stänkern. Der andere hört sich alles immer geduldig an. Bis er es sich eines Tages eben nicht mehr geduldig anhört, genauso ruhig aufsteht und verschwindet. Ich als Mann (und ich wäre bereits mit Mitte zwanzig bei meinen dritten Zähnen angelangt, weil ich ein übler Raufbold gewesen wäre, dem man seine Kommentare eben leider nicht so verziehen hätte wie man es bei einer Frau tut) würde mir das ganze Gfrett nicht antun und schon dreimal nicht gefallen lassen. Weder wäre ich ein Wild- noch ein Meerschwein und schon tausend Mal kein Alpha Softie. Mir wurde beigebracht, dass der- oder diejenige, die Ansprüche stellen, auch im Gegenzug etwas parat haben sollten. Oder es handelt sich schlichtweg um Liebe. Dann ist all dieser Anspruchskram sowieso Makulatur.

P.S. Natürlich ist mir vollkommen klar, dass das abgebildete Tier KEIN Meerschweinchen ist. Dafür eines, wenn nicht gar: mein Lieblingstier.

Es soll den Kindern ja schmecken

Wie herrlich unaufgeregt die Obama-Zeit war, wissen wir vermutlich erst jetzt zu schätzen, wo wir täglich mit #-Nachrichten des erdbeerblonden Derwischs konfrontiert sind. Dafür wird diese Nostalgie stetig und sehnsüchtig wachsen. Leider ist die ruhige, ja fast langweilige Zeit – um eines meiner Lieblingsworte zu benutzen – unwiederbringlich. Abgesehen von außenpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Einschlägen, wird nun eine der, wie ich finde, entscheidendsten und richtungsweisendsten und, ja, auch menschenliebensden Maßnamen der Obamaregierung aufgehoben: die Neukonzipierung des Schulessens. Michelle Obama hat sich angesichts der zunehmenden Verfettung und Verblödung der amerikanischen (und nicht nur dieser) Kinder dafür stark gemacht, dass sie weg vom reinen Komfortfood hin zu gesundem Essen kommen. Was die Nahrungsmittelindustrie, die Verpackungs- und Vermarktungsindustrie alles anstellen, damit keine unverarbeiteten Lebensmittel in den Handel gelangen (außer im hochpreisigen Biosektor, aber der deckt keinesfalls die breite Masse ab), ist unvorstellbar in seiner Perfidie und List.

Da wird zum Beispiel zuckerhaltiger Ketchup als Gemüse (Tomaten) deklariert, damit der Gemüseanteil am Essen stimmt. Gleichzeitig können viele Kinder eine Tomate schon gar nicht mehr erkennen. Weder in Echt noch auf Fotos. Um die Machenschaften der Nahrungsindustrie zu verstehen, muss man wirklich ziemlich tief hinein tauchen in deren Tun. Da ist zum Einen die Strategie, funktionale Lebensmittel zu schaffen, die sich fast gar nicht von anderen unterscheiden, aber mit einem minimalen Zusatz Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Fettleibigkeit lindern oder verhindern sollen. Krankheiten, die primär von anderen Produkten aus demselben Konzern verursacht sind. Dem Verbraucher soll suggeriert werden, dass er auf die anderen Lebensmittel aus dem Konzern nicht verzichten muss, gar weniger essen, nur diesen einen Joghurt, Trinkjoghurt (am besten mit ergonomischer Schnabeltassen/Nippelform) zu sich nehmen muss und alles ist wieder gut. Kauen gilt inzwischen als Anstrengung, gar als Sport, der kaum einem Kind (und Erwachsenen in Dreiviertel-Kargo-Hosen und T-Shirt) mehr zugemutet werden darf.

In Ländern mit hoher Armutsrate und hoher Kochtradition werden seit einigen Jahren zum Beispiel Kleinstpackungen von Brühwürfeln, Erdnussbutter oder anderen Fertigprodukten direkt in den Slums angeboten, die für ein, zwei Cent zu kaufen sind. Ein, zwei Cent deshalb, weil es die Beträge sind, die die Frauen im Laufe des Tages zwischen den Mahlzeiten durch Kleinstverkäufe oder Betteln auf der Straße zusammen bekommen. Damit werden geschmacksneutrale Lebensmittel wie Toastbrot oder Kohl „verfeinert“. Die meisten anderen Gemüsesorten sind inzwischen zu teuer, weil die Anbauflächen für den reichen Westen (und die weiterverarbeitenden Konzerne) gebraucht werden. Dadurch dass auch hier Zucker und Geschmacksverstärker enthalten sind, schmeckt es den Kindern und side verlangen in der Folge danach. Damit ist ein wahnsinnig wichtiges kulturelles Element beim Teufel, Familienbindungen, Traditionen, Werte, alles geht den Bach runter. In anderen Ländern passen sich die Konzerne den Einkaufsgewohnheiten der Hausfrauen an und bieten vorwiegend Tiefkühlgerichte im Tür-zu-Tür-Verkauf durch andere Hausfrauen an. Was ich damit sagen will?

Die ganze Welt schaut auf Kriegsgebiete und Krisenherde. Dabei übersehen wir die schrecklichsten weil schleichenden direkt unter unserer Nase. Auf unserem Teller. Ich könnte da verzweifeln.