Also wirklich

Auch unsere Lieblingsstadt Rom kann einen auf die Probe stellen. Zum Beispiel mit äußerst schwierigem Wetter. Während in Deutschland – angeblich – die Sonne auf Karnevalisten aller Art niedergebrannt ist, schlagen wir uns hier mit Regen und vor allem grauem Himmel rum. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal erlebt habe. Besonders ärgerlich ist das natürlich, wenn man selbst dafür verantwortlich ist. Ich hätte es wissen müssen, als ich kurz nach der Ankunft mein Auto fast schon zwanghaft zu Michele zwecks Reinigung gefahren habe. Die folgenden Tage verbrachten wir in steter Sorge, dass bei einem unserer kurzen Streifzüge dicke Tropfen auf das blanke schwarze Gefährt fallen könnten. Bis es uns gestern dann völlig wurscht war und wir zu unseren Streifzügen aufgebrochen sind. Zuerst zu Ivan, dem Fischhändler. Auf dem Weg dorthin habe ich meine Mutter schonend darauf vorbereitet (sie lehnt Veränderungen in diesem Ausmaß eher ab), dass wir uns vielleicht einen neuen Fischverkäufer suchen müssten. Ivan war die letzten Male nie mehr im Laden und bis ich seinen Bruder an mich gewöhnt haben werde, dauert mir das zu lange. Ich bin einfach zu selten da und muss auf die Treue der vergangenen Jahre zählen können.

Einen Fisch wollten wir dennoch. Also bin ich schon etwas wehmütig angesichts des drohenden Abschieds hinein und war äußerst positiv überrascht: die Theke war so groß wie zu unseren besten Zeiten, Fische aller Art lagen geschichtet übereinander (Acqua fredda porta buon pesce, kaltes Wasser bringt guten Fisch), Toni (so der Name des Bruders, wie ich kurz darauf erfahren sollte) stand mit geraffter Schürze da und blinkte mich freundlich an – gar nicht soooo schlecht. Wir haben kurz geplaudert, vor allem auch darüber, dass Ivan wohl gar nie mehr in seinem Laden vorbeischaut und schwupps stand er hinter mir. Und schwupps lagen wir uns glücklich in den Armen. Wenn man sich so selten sieht, merkt man erst, wie gerne man sich mag. Was war das für ein Wiedersehen. Und dann erzählte er mir eine Geschichte, bei der ich gemerkt habe, dass ich entweder sauvergesslich oder überhaupt nicht nachtragend bin. Seine langjährige Mitarbeiterin – keine Ahnung, wie sie hieß – ist nämlich seit geraumer Zeit nicht mehr da. Und in diesem Zusammenhang hat er sich ganz arg und oft bei mir entschuldigt, dass sie mich vor einiger Zeit darauf angesprochen hatte, dass ich mit einem falschen Zwanziger bezahlt hätte. Wer kann sowas ahnen? Würde ich Geld fälschen, hielte ich mich sicher nicht mit blauen Scheinen auf. Soviel steht mal fest.

Ich hab das gleich wieder vergessen, weil ich mir absolut keiner Schuld bewusst war, aber er fand es skandalös, eine seiner treusten und brav zahlensten Kundinnen – im Nachhinein – so anzugehen. Und jetzt, wo er es sagt, finde ich es eigentlich auch skandalös. Nun, jedenfalls haben wir einander wieder, keiner muss sich umgewöhnen und alles ist gut. Dann sind wir weiter zu einem Einkaufszentrum, das uns sintemal viel Freude bereitet hat, denn für Stadtbummel oder Sightseeing war das Wetter eindeutig zu schlecht. Was uns dort erwartet hat, hat betroffen gemacht. Wären wir in Südindien in so ein Viertel gestoßen, hätten wir gesagt: naja, ist ja klar, ist ein armes Land, aber in Europa?? Die Straßen war so kaputt, dass sich die Via Appia Antica dagegen wie eine Autobahn fährt, Straßen- oder Hinweisschilder gab es nicht und als wir es dann endgültig gefunden hatten, war die Auswahl der Geschäfte so schäbig und billig, dass einem Angst und Bange um die Menschheit werden möchte. Alles billig, hässlich und kurzlebig. Nur Fastfoodketten und dementsprechend nur Menschen mit Kopfhörern, Kapuzenjacken und Turnschuhen. Ein echtes Elend. Ist es das, wofür man arbeiten geht? Sich von Montag bis Freitag plagt? Um in einem solchen Zentrum billige Ware zu kaufen? Wir waren schockiert. Und dann hatte der blöde Wind auch noch Saharasand in die Atmosphäre über Rom geweht und zusammen mit dicken Tropfen über meinem Auto fallen lassen. Bin echt bedient. Abends gab es dann Fisch. Der war gut.