Es wird

Es ist beinahe zu schön, um wahr zu sein, aber zumindest eines unserer Sofas ist angekommen. Auch noch fast pünktlich. Wir sind völlig erschlagen. Das andere, das pinkfarbene, ist nach wie vor verschwunden. Man versichert mir und den zehn anderen Personen, die da immer wieder anrufen zwar gebetsmühlenartig, dass es ganz sicher nicht verschwunden ist, was mich ehrlich gesagt auch wundern würde, denn es müsste ja doch etwas auffällig und sperrig sein, aber gefunden hat man es dennoch nicht bisher. Eine Woche ist es bald verschollen. Dafür haben wir uns jetzt auf das Konzept zurückbesonnen, das auch bei den letzten Teilen in Augsburg schon so hilfreich war. Antiquitäten. Ich weiß jetzt, warum so viele Menschen einen Mix aus Ikea und Antiquitäten haben. Sie sind den Aufregungen von Möbelneubestellungen einfach nicht gewachsen. Und so haben wir ein schönes Wochenende auf dem Pariser Flohmarkt verbracht und dürfen nun zumindest einen Küchentisch und eine Kommode unser eigen nennen.

Das Wochenende stand nach unserem Getränkeeinkauf zu besagtem freundlichen Supermarkt um die Ecke sowieso unter einem guten Stern, denn dort habe ich erstaunlicherweise einen Blumenkohl geschenkt bekommen. Zwar ein Kohl, meinte der freundliche Mann an der Kasse, aber eben auch mit Blumen dabei. Hat er Recht. Mein Mann hätte fast geweint deshalb. Er hasst Blumenkohl. Und ich muss sagen: selten hat ein Geschenk einen solchen Rattenschwanz nach sich gezogen. Gibt man Blumenkohl und zum Beispiel Curry in Google ein, kommen Rezepte, die mich auch nach 30 Jahren Kocherfahrung an den Rande eines Nervenzusammenbruchs, zumindest aber in den Alkohol treiben. So unfassbar viele Zutaten sind notwendig, um aus dem geschenkten Kohl etwas zu machen, das auch einem erklärten Blumenkohlhasser mundet, es war der helle Wahnsinn. Dafür konnten wir dieses Essen an einem echten Tisch mit zwei Stühlen und in 74cm-Standardhöhe zu uns nehmen. Eine Kerze hat auch noch auf den Tisch gepasst!

So erfreulich geht es weiter und wieder mal bewahrheitet sich die alte Regel: zünde Dir eine Zigarette an (am besten die letzte aus der Packung) und der Bus kommt noch vor dem wunderbaren ersten Zug (ich habe wirklich, wirklich gerne geraucht!). Und so ist es auch bei uns: Kaum hatte ich den Zug für heute gebucht, kündigte sich besagtes Sofa an, die Kommode kommt auch heute und der Tisch, ein kleiner Tausendsassa, der für jemanden wie mich, der sich nicht so gerne festlegt, einfach ein Traum ist, ebenfalls. Ich sause gleich zum Zug und hoffe, dass ich die Wohnung so vollgestellt überhaupt noch wiederkenne bei meiner Rückkehr….

Sofas, Hühner, Zwiebeln

Seit heute morgen um sieben Uhr sitze ich wie eine Braut am Hafen vor dem Fenster und starre auf den Platz hinunter. Und eigentlich kann kaum eine Braut sehnsüchtiger geschaut haben als ich. Ich habe nämlich gestern Abend um 18.33 Uhr (sic!) eine E-Mail bekommen, dass unser Gästesofa heute zwischen sieben und neun Uhr geliefert werden wird. Ich finde es recht sportlich, erst zwölf Stunden vorher eine solche Information zu erhalten, aber wir Deutschen sind halt auch recht verplant und nur wenig spontan. Stimmt schon. Nun ist es 11.19. Hinter mir liegen mehrere ratlose Gespräche mit meinem Mann, eines mit dem genervten Mann vom Relais Colis, was wohl die französische Verladestelle für alles Mögliche ist, der meinte, die Lieferung sollte zwischen sieben und neun zugestellt werden, habe sich aber wohl verzögert und eines mit Kris, dem Concierge, welcher meint, das sei gar nicht normal und läge bestimmt am Schnee der letzten Tage (sic!!!). Dadurch seien sehr viele Lieferungen verzögert worden. Was einem das Leben im Ausland also in jedem Fall abverlangt, ist eine muttertheresaartige Lang- und Demut. Und Sitzfleisch.

Eine Bekannte, die erstaunlicherweise ums Eck wohnt (und das im großen Paris!) meinte, sie käme dann am Nachmittag um das Sofa zu bewundern, aber fürchte, sie wird auch bis dahin mit mir alleine Vorlieb nehmen müssen….
So, es sind jetzt weitere viereinhalb Stunden vergangen. Ich habe alle Tricks versucht, bin sogar einkaufen gegangen, was normalerweise – allerdings ohne Vorsatz – immer funktioniert. Hat es jemand schon mal eilig gehabt und musste an jeder Ampel anhalten? Klar. Und wollte sich schon mal jemand an einer roten Ampel die Lippen nachziehen? Na, bitte, grüne Welle. Das Einkaufen hat nicht funktioniert, aber dafür was viel Tolleres. Der Metzger, bei dem ich mich langsam hocharbeite, hatte zu. Nun wollte ich aber meine hart erkämpfte Freiheit nicht untätig und vor allem ebenso erfolglos verstreichen lassen wie den übrigen Tag und habe im Handy eine andere gesucht. Auf dem kurzen Weg dorthin habe ich nicht nur ein sehr hübsches zugewachsenes Haus entdeckt, sondern gleich gar ein neues Viertelchen und – man höre und staune – einen Metzger, der ausschließlich glückliche freie Tiere verkauft. Dafür haben zwei Hühnerbrüstchen mit Fuß (oder Flügel?! dran) auch zwanzig Euro gekostet. Er hatte sie schon zerlegt, da wollte ich nicht schwierig werden. Und außerdem spricht er auch Englisch. Bin froh, wenn ich mal nicht muhend oder gackernd in einem Laden stehen muss, um zu erklären, was ich möchte.

Auf dem Rückweg bin ich dann doch im Obst- und Gemüsetempel vorbei, bei dem ich allerdings inzwischen auch schon gelernt habe, dass er versteckte Fallen beherbergt und man etwas achtsam sein muss. Vor allem mit den unterschiedlichen Preisen. Zu den Cashewkernen wollte ich noch Suppengrün kaufen, denn derart teure und glückliche Hühnerschenkelchen dürfen nicht ungenutzt bleiben und auf die Frage, ob ich eine Suppe draus machen wolle, habe ich natürlich eifrig genickt. Eine Rübe und ein Stängelchen hatte ich schon, fehlten also nur noch Zwiebeln, die ich eh kaufen wollte. Einzeln gab es die unterschiedlichsten, aber in einem praktischen Netz wie bei uns nur eine Sorte. Also dann die. An der Kasse musste ich mein Stängelchen Sellerie tatsächlich wiegen (muss ich in Rom NIEMALS und auch die Rübe nicht!!!) und dann war große Verwirrung, was wohl die Zwiebeln kosten. Als die Kasse 9,95 zeigte, dachte ich mir, naja, werden wohl die Cashewkerne sein, aber dann stand auf einmal 13,61 da und auf dem Kassenzettel durfte ich dann lesen, dass ich die wohl exklusivsten Zwiebeln der Welt gekauft habe: Oignon de Roscoff. Hmpf. Habe mir zur Sicherheit gleich mal das Rezept auf der Innenseite aufgehoben. Man will sie ja nicht vergeuden und nur das Beste damit anfangen. In den Kühlschrank dürfen sie übrigens auch nicht. Schade, den hätte ich. Dafür hat die Verpackung – wenn ich mich noch recht entsinne – eine ähnliche Farbe wie das Sofa, das ich leider immer noch nicht habe…

Gesund essen

Gestern war ich kurz in der Stadt und als ich so über den Markt gehuscht bin, haben mich da die wunderschönsten Trauben angelacht, die ich seit langem gesehen habe. Nun bin ich absolut kein Freund unverarbeiteter Trauben (außer sie hängen an der Wand als Produkte wilden Weins bei meinem liebsten launischen Italiener mit dem schönen Gastgarten und mein Mann jault vor Entsetzen auf, wenn ich sie esse), aber diese haben selbst mich gelockt. Pralle grüne samtige Dinger. Einfach schön. Und so appetitliche große Gebinde – der Wahnsinn! Wild entschlossen hab ich auf eine Traube gezeigt, sie mir einpacken lassen und souverän einen Fünf-Euro-Schein hingehalten. Die Verkäuferin hat mich erwartungsvoll angeschaut, ich sie auch, bis sie dann sagte: 8 Euro 41, ach was, machma 8,40 bitte! Wäre fast lang hingeschlagen. Dazu möchte ich sagen, dass ich den Wert eines Einkaufswagens, eines Korbes voller Kleinigkeiten auf der Dult und den Preis eines noch nicht gewogenen Fisches ziemlich exakt schätzen kann. Dieser Preis hat mich schlichtweg umgehauen.

Darf das sein, dass ein gutes Kilo Weintrauben aus Italien mehr kostet als ein Mittagsmenü in der benachbarten Markthalle mit Fleisch, Gemüse und Sättigungsbeilage und Salat und Wasser? Das ist doch krank. Wie sollen Menschen sich denn da gesund ernähren? Wo führt das denn hin? In Rom zahle ich für ein Kilo Trauben (vermutlich dieselben) 2 Euro 50. Der Transport kann doch nicht so teuer sein. Und darf es dann weiter sein, dass ein Brathähnchen 2,99 kostet? Ich weiß, da regen sich alle drüber auf, aber man kann sich auch gar nicht oft genug mit dieser Absurdität beschäftigen. Was ist nun also falsch? Der Preis für tote Lebewesen oder der Preis für Obst und Gemüse? Was geschieht auf unseren Anbauflächen? In vielen Ländern, in denen Obst und Gemüse gut wachsen und einst zur normalen täglichen Nahrung und Kultur gezählt haben, nimmt die Hungersnot und die Erosion und überhaupt alles angeblich zu, weil dort nur noch für uns reiche Europäer angebaut wird. Und dieses Obst und Gemüse ist dann auch noch günstiger. Und ist dann alles, was teurer ist, wirklich so bio und menschen- und umweltfreundlich??

Ich beginne Menschen zu verstehen, denen das ein oder andere in ihrem Leben egal ist, woher es kommt, wie es produziert wird, welche Folgen es für die Umwelt hat. Sie haben einfach weder die Zeit, noch das Geld, noch die Kapazität, sich darüber Gedanken zu machen. Zum Beispiel wollte ich heute eine Fusselbürste kaufen. So eine altmodische, die aus samtähnlichem Stoff besteht und die man so umdrehen kann, damit man mit und gegen den Strich oder mit links und rechts bürsten kann. Ich finde zwar die Kleberollen auch praktisch, aber sie haben halt immer einen Plastikstil und produzieren Müll. Und was soll ich sagen? Es gibt sie im größten Drogeriemarkt unserer Stadt schlichtweg nicht mehr. Sie werden nicht mehr nachgefragt oder nicht mehr angeboten. Was soll das? Ich hatte schon mal über all die blöden Plastikspiele, Becher und so weiter geschrieben, Stammleser können es vermutlich nicht mehr hören/lesen, aber ich finde wirklich, dass die Verbraucher in Extremwerte getrieben werden und einige wenige sich alleine dagegen stemmen – und verzweifeln und ihr Leben dann damit vergeuden. Ich leider nicht mehr. Das waren garantiert meine letzten Trauben dieser Art. Sooooooo wahnsinnig gut waren sie auch nicht und ich hab einen ganz entzündeten Gaumen. Sooooooo bio können sie also auch nicht gewesen sein. Ich weiß schon, warum ich sie verarbeitet lieber mag. Werde mich jetzt einem Glas davon widmen.

Es soll den Kindern ja schmecken

Wie herrlich unaufgeregt die Obama-Zeit war, wissen wir vermutlich erst jetzt zu schätzen, wo wir täglich mit #-Nachrichten des erdbeerblonden Derwischs konfrontiert sind. Dafür wird diese Nostalgie stetig und sehnsüchtig wachsen. Leider ist die ruhige, ja fast langweilige Zeit – um eines meiner Lieblingsworte zu benutzen – unwiederbringlich. Abgesehen von außenpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Einschlägen, wird nun eine der, wie ich finde, entscheidendsten und richtungsweisendsten und, ja, auch menschenliebensden Maßnamen der Obamaregierung aufgehoben: die Neukonzipierung des Schulessens. Michelle Obama hat sich angesichts der zunehmenden Verfettung und Verblödung der amerikanischen (und nicht nur dieser) Kinder dafür stark gemacht, dass sie weg vom reinen Komfortfood hin zu gesundem Essen kommen. Was die Nahrungsmittelindustrie, die Verpackungs- und Vermarktungsindustrie alles anstellen, damit keine unverarbeiteten Lebensmittel in den Handel gelangen (außer im hochpreisigen Biosektor, aber der deckt keinesfalls die breite Masse ab), ist unvorstellbar in seiner Perfidie und List.

Da wird zum Beispiel zuckerhaltiger Ketchup als Gemüse (Tomaten) deklariert, damit der Gemüseanteil am Essen stimmt. Gleichzeitig können viele Kinder eine Tomate schon gar nicht mehr erkennen. Weder in Echt noch auf Fotos. Um die Machenschaften der Nahrungsindustrie zu verstehen, muss man wirklich ziemlich tief hinein tauchen in deren Tun. Da ist zum Einen die Strategie, funktionale Lebensmittel zu schaffen, die sich fast gar nicht von anderen unterscheiden, aber mit einem minimalen Zusatz Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Fettleibigkeit lindern oder verhindern sollen. Krankheiten, die primär von anderen Produkten aus demselben Konzern verursacht sind. Dem Verbraucher soll suggeriert werden, dass er auf die anderen Lebensmittel aus dem Konzern nicht verzichten muss, gar weniger essen, nur diesen einen Joghurt, Trinkjoghurt (am besten mit ergonomischer Schnabeltassen/Nippelform) zu sich nehmen muss und alles ist wieder gut. Kauen gilt inzwischen als Anstrengung, gar als Sport, der kaum einem Kind (und Erwachsenen in Dreiviertel-Kargo-Hosen und T-Shirt) mehr zugemutet werden darf.

In Ländern mit hoher Armutsrate und hoher Kochtradition werden seit einigen Jahren zum Beispiel Kleinstpackungen von Brühwürfeln, Erdnussbutter oder anderen Fertigprodukten direkt in den Slums angeboten, die für ein, zwei Cent zu kaufen sind. Ein, zwei Cent deshalb, weil es die Beträge sind, die die Frauen im Laufe des Tages zwischen den Mahlzeiten durch Kleinstverkäufe oder Betteln auf der Straße zusammen bekommen. Damit werden geschmacksneutrale Lebensmittel wie Toastbrot oder Kohl „verfeinert“. Die meisten anderen Gemüsesorten sind inzwischen zu teuer, weil die Anbauflächen für den reichen Westen (und die weiterverarbeitenden Konzerne) gebraucht werden. Dadurch dass auch hier Zucker und Geschmacksverstärker enthalten sind, schmeckt es den Kindern und side verlangen in der Folge danach. Damit ist ein wahnsinnig wichtiges kulturelles Element beim Teufel, Familienbindungen, Traditionen, Werte, alles geht den Bach runter. In anderen Ländern passen sich die Konzerne den Einkaufsgewohnheiten der Hausfrauen an und bieten vorwiegend Tiefkühlgerichte im Tür-zu-Tür-Verkauf durch andere Hausfrauen an. Was ich damit sagen will?

Die ganze Welt schaut auf Kriegsgebiete und Krisenherde. Dabei übersehen wir die schrecklichsten weil schleichenden direkt unter unserer Nase. Auf unserem Teller. Ich könnte da verzweifeln.

Männer im Supermarkt

Ich fahre ja oft und gerne zum Einkaufen. Vor allem hier in Rom. Die meisten Leute in den Geschäften meiner Wahl arbeiten schon seit Ewigkeiten dort und so kennen wir uns und freuen uns aufeinander. Vom Metzger werde ich regelmäßig zur deutschen Politik befragt, was mich fast in ebensogroße Verlegenheit bringt, wie die gleich darauffolgenden Fragen nach dem deutschen Fußball. Meist verstehe ich sie gar nicht so richtig, weil der Dialekt doch sehr arg ist und auch ein wenig Genuschel hinzu kommt. In meinem Supermarkt, den ich vor Jahren aus der Versenkung meiner Gedanken gehoben habe und in dem ich inzwischen wie ein Großwildjäger, nein eher wie ein Trüffelsammler wahre Schätze entdecke und berge, habe ich ein paar fröhliche Mädels, mit denen man herrlich über das Leben an sich und im Speziellen philosophieren kann. Fast immer sind sie fröhlich, nennen einen Amore oder Bella und scheinen sich ein Loch in die Mütze zu freuen, wenn man ein halbes Brot möchte.

Nun hat der Supermarkt – vermutlich nicht nur dank meiner wiederaufgenommen Einkäufe dort – vor zwei Jahren total renoviert und seitdem haben wir auch eine Wursttheke. Zunächst dachte ich noch: naaaa, das geht doch nie, das ist doch so ein günstiger Supermarkt, fast wie der Aldi, was soll es da schon geben?! Aber weil man ja Neueerungen gegenüber aufgeschlossen sein soll, habe ich dort meinen gekochten Schinken gekauft. Zunächst nur hundert Gramm und ganz dünn geschnitten. Und als ich forsch auf die Frage nach der Sorte geantwortet habe, dass ich bitte gerne den besten hätte, konnte ich bei dem Schinkenschneider ein rasches Glitzern in den Augen sehen, denn fast nichts freut sie mehr als eine willfährige Kundin, die aber schon auch das Beste zu schätzen weiß, sich aber gleichzeitig anleiten lässt und angebotene Ware erster Güte probiert und danach auch noch sagt, dass sie vorzüglich war. Eine ebensolche kann ich sein. Ein Bund fürs Leben war geschmiedet mit Alessio und Michele (glaub ich). Alessio zeigt mir seine Zuneigung inzwischen verbal, indem er gerne in englischen Brocken mit mir kommuniziert, was fast noch schwieriger zu verstehen ist als der römische Dialekt vom Metzger gegenüber oder handfest, indem er mich mit Mozzarrella- und Schinkenstücken abfüttert. Wir sind ein Dreamteam und er hat mir versichert, er würde Frauen immer und in jeder Form zufrieden stellen, was mich sehr beruhigt. Für mich und auch für seine Frau.

Gestern, als ich zu einer für mich sehr ungewöhnlichen Zeit einkaufen gefahren war, habe ich bereits auf dem Parkpatz frohlockt. Nur ein anderes Auto, wo sich normalerweise zwanzig stapeln – ein Traum. Auch drinnen gähnende Leere, ein,zwei verlorene Männer, sonst nichts. In fünf Minuten bist Du raus, dachte ich mir und bin frohgemut in Richtung Schinken gestürzt. Ein Kunde vor mir – prima! Alessio krähte erfreut sein Ciao Bellissima und als ich gehört habe, dass er auch schon genau wusste, was ebendieser Kunde vor mir nehmen wird (due, due, due, vero? – si!), hab ich mich schon auf meine eigene Bestellung vorbereitet. Fast hätte ich sie vergessen. Was sind Männer nur für Ratschkattln! Fußball, Fernsehen, Frauen – alles haben sie eingehend besprochen, der Wahnsinn! Dann kam noch einer angeschlendert, der zwar keinen Schinken wollte, aber ganz sicher auch mitreden und schön langsam habe ich angefangen innerlich von tausend runter zu zählen. Irgendwann war ich dann doch dran, habe Alessio während des Bestellvorgangs die Basics im Deutschen (ich liebe Dich) beigebracht und wurde durch diese ganze Bummelei Zeuge eines mörderischen Streits zwischen dem Fleischzerteiler, den wir Kunden gar nie zu Gesicht bekommen, weil er immer im Kühlraum sein muss (was offenbar auch seinen guten Grund hat!!!) und der Filialleiterin. Es scheint so, als ob der Kühlraum Sergejs Gemüt erst so richtig aufgeheizt habe, es hat nicht viel gefehlt und er hätte sein Hackebeil geholt. Ich komme immer wieder zu dem Schluss: Männer im Einkaufs- und Verkaufsbereich müssen mit Bedacht gewählt werden. Männer im Einkaufssektor sogar mit noch mehr Bedacht. Sie können sonst ganze Lawinen an Stau und Empörung auslösen.

Einfacher Rührkuchen??!!!

Vieles im Leben hat Konsequenzen, die sich einem nicht gleich erschließen. Sie tauchen erst viel später auf und verursachen doch die ein oder andere Herausforderung. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht an unsere zügellosen Vacanze Romane im Sommer. Als wir beinahe jeden Abend mit der Vespa in die Stadt gesaust sind und Unmengen an Aperol Spritz in uns hineingeschüttet haben und damit der nicht so alleine im Bauch rumplätschert auch in der Folge immer neue Restaurants ausprobiert haben. Weil mein Mann eben doch schon länger in diesem schönen Land lebt, gar dort geboren ist, ist er mir in wenigen kulinarischen Finessen auch einen Hauch voraus. Und so bestellte er sich eines schönen Abends „Polpette al Sugo“. Weil wir in einem echt schönen Restaurant waren, das eigentlich wie ein bayerischer Biergarten angelegt war, schmeckten sie einfach traumhaft gut. Ich hatte einen Mordsrespekt vor ihnen! Und verschob dieses Urgericht der römischen und natürlich italienischen Küche erst mal ein wenig. Ist kein echtes Sommergericht.

Neulich in Augsburg jedoch überkam mich die Tollkühnheit und ich hab mich sofort mit drei verschiedenen Rezepten dran gemacht. Ich glaube wenig an Einzelrezepte, denn der eine, der es niederschreibt, mag dieses Gewürz nicht, der andere hat es nicht im Haus und so weiter und so scheinen Notgeburten auf einmal das Maß aller Dinge. Dem trau ich nicht und mische meist die Rezepte. Egal, jedenfalls waren diese Bällchen ein voller Erfolg und ich wollte sie natürlich auch in Rom machen. Aber dafür braucht man Eier. Und damit nahm alles seinen Lauf. Eier habe ich fast nie zuhause. Es gibt sie auch nur im Sechserpack. Ihretwegen hätte ich schon zweimal fast meine Wohnung abgefackelt, weil ich aus den Resteiern meist versuche, harte zu machen, sie dann aber auf dem Herd vergesse. Resteier und ich werden keine Freunde mehr in diesem Leben. Gestern dachte ich mir jedoch: Mensch, das trifft sich prima, Wochenende ist’s, Mann ist da, Eier sind da – machst einen Kuchen. Nachdem ich auch noch Butter im Gefrierfach gefunden hatte und ein Rezept, für das man kaum etwas anderes brauchte als Zucker, Mehl, Butter und eben Eier, wollte ich loslegen.

Eier und Zucker schaumig rühren. Ging nicht. Mixer hat noch ein röchelndes Geräusch gemacht und war dann tot. Bis dahin hatte ich schon so viele Hürden genommen und da war es dann ähnlich wie mit Mares Poncho vor eineinhalb Jahren, da kann ich dann stur werden. Also sind wir zum Elektronikfachmarkt unseres Vertrauens gesaust, haben da auch gleich noch bunte Tassen gekauft und haben uns an den Kuchen gemacht. Leider war auch das Backpulver etwas älter und auch der Vanillezucker, aber inzwischen war ich zu allen Risiken bereit. Langer Rede, kurzer Sinn: es hat dann funktioniert. Man hätte vielleicht auch die angegebene Milch reintun können, dann wäre er nicht ganz so trocken geworden, aber nun, am zweiten Tag und unter einer hübschen Glasglocke, schmeckt er ganz passabel und zu meiner Freude kann ich vermelden, dass auch alle das alte Backpulver überlebt haben. Das Einzige, was mich an dem Kuchen stört, ist sein Namen: Einfacher Rührkuchen. Hallo? Ich war zwei Stunden damit beschäftigt. Mag mir gar nicht ausmalen, welche Mühe ein nicht einfacher Kuchen macht.

Also wirklich

Auch unsere Lieblingsstadt Rom kann einen auf die Probe stellen. Zum Beispiel mit äußerst schwierigem Wetter. Während in Deutschland – angeblich – die Sonne auf Karnevalisten aller Art niedergebrannt ist, schlagen wir uns hier mit Regen und vor allem grauem Himmel rum. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal erlebt habe. Besonders ärgerlich ist das natürlich, wenn man selbst dafür verantwortlich ist. Ich hätte es wissen müssen, als ich kurz nach der Ankunft mein Auto fast schon zwanghaft zu Michele zwecks Reinigung gefahren habe. Die folgenden Tage verbrachten wir in steter Sorge, dass bei einem unserer kurzen Streifzüge dicke Tropfen auf das blanke schwarze Gefährt fallen könnten. Bis es uns gestern dann völlig wurscht war und wir zu unseren Streifzügen aufgebrochen sind. Zuerst zu Ivan, dem Fischhändler. Auf dem Weg dorthin habe ich meine Mutter schonend darauf vorbereitet (sie lehnt Veränderungen in diesem Ausmaß eher ab), dass wir uns vielleicht einen neuen Fischverkäufer suchen müssten. Ivan war die letzten Male nie mehr im Laden und bis ich seinen Bruder an mich gewöhnt haben werde, dauert mir das zu lange. Ich bin einfach zu selten da und muss auf die Treue der vergangenen Jahre zählen können.

Einen Fisch wollten wir dennoch. Also bin ich schon etwas wehmütig angesichts des drohenden Abschieds hinein und war äußerst positiv überrascht: die Theke war so groß wie zu unseren besten Zeiten, Fische aller Art lagen geschichtet übereinander (Acqua fredda porta buon pesce, kaltes Wasser bringt guten Fisch), Toni (so der Name des Bruders, wie ich kurz darauf erfahren sollte) stand mit geraffter Schürze da und blinkte mich freundlich an – gar nicht soooo schlecht. Wir haben kurz geplaudert, vor allem auch darüber, dass Ivan wohl gar nie mehr in seinem Laden vorbeischaut und schwupps stand er hinter mir. Und schwupps lagen wir uns glücklich in den Armen. Wenn man sich so selten sieht, merkt man erst, wie gerne man sich mag. Was war das für ein Wiedersehen. Und dann erzählte er mir eine Geschichte, bei der ich gemerkt habe, dass ich entweder sauvergesslich oder überhaupt nicht nachtragend bin. Seine langjährige Mitarbeiterin – keine Ahnung, wie sie hieß – ist nämlich seit geraumer Zeit nicht mehr da. Und in diesem Zusammenhang hat er sich ganz arg und oft bei mir entschuldigt, dass sie mich vor einiger Zeit darauf angesprochen hatte, dass ich mit einem falschen Zwanziger bezahlt hätte. Wer kann sowas ahnen? Würde ich Geld fälschen, hielte ich mich sicher nicht mit blauen Scheinen auf. Soviel steht mal fest.

Ich hab das gleich wieder vergessen, weil ich mir absolut keiner Schuld bewusst war, aber er fand es skandalös, eine seiner treusten und brav zahlensten Kundinnen – im Nachhinein – so anzugehen. Und jetzt, wo er es sagt, finde ich es eigentlich auch skandalös. Nun, jedenfalls haben wir einander wieder, keiner muss sich umgewöhnen und alles ist gut. Dann sind wir weiter zu einem Einkaufszentrum, das uns sintemal viel Freude bereitet hat, denn für Stadtbummel oder Sightseeing war das Wetter eindeutig zu schlecht. Was uns dort erwartet hat, hat betroffen gemacht. Wären wir in Südindien in so ein Viertel gestoßen, hätten wir gesagt: naja, ist ja klar, ist ein armes Land, aber in Europa?? Die Straßen war so kaputt, dass sich die Via Appia Antica dagegen wie eine Autobahn fährt, Straßen- oder Hinweisschilder gab es nicht und als wir es dann endgültig gefunden hatten, war die Auswahl der Geschäfte so schäbig und billig, dass einem Angst und Bange um die Menschheit werden möchte. Alles billig, hässlich und kurzlebig. Nur Fastfoodketten und dementsprechend nur Menschen mit Kopfhörern, Kapuzenjacken und Turnschuhen. Ein echtes Elend. Ist es das, wofür man arbeiten geht? Sich von Montag bis Freitag plagt? Um in einem solchen Zentrum billige Ware zu kaufen? Wir waren schockiert. Und dann hatte der blöde Wind auch noch Saharasand in die Atmosphäre über Rom geweht und zusammen mit dicken Tropfen über meinem Auto fallen lassen. Bin echt bedient. Abends gab es dann Fisch. Der war gut.

Baguetteannagen

Nur wenig Dinge im Leben sind verlockender als ein frisches Brot/Baguette oder gekochter Schinken aus Italien. Und deshalb gelingt es mir fast niemals, von einem frisch gekauften Brot oder eben Baguette nicht sofort ein Stück abzunagen. Früher war ich der Schreck meiner Mutter, wenn ich ausgehöhlte Brote vom Bäcker mit nach Hause gebracht habe. Heute der meines Mannes, der es unpassend findet, dem Baguette noch im Geschäft oder auf der Straße den Po abzunagen. Ihm zuliebe beherrsche ich mich bis nach der Kasse. Denn normalerweise nehme ich es und breche ein Stück ab. Schlimm. Das mit dem Schinken in Italien ist hingegen ein Kindheitsversprechen an mich selbst. Früher, wenn wir unsere Ferien in Italien verbracht haben, gab es einen kleinen „Despar“, bei dem man schon auch mal Bonbons rausbekommen hat, wenn kein Kleingeld in der Kasse war oder es sich um so piepkleine Beträge gehandelt hat, die beim besten Willen nicht mehr monetarisierbar waren. Dort haben wir unsere größeren und kleineren Einkäufe erledigt. Und neben massig Schokolade und Ovomaltine für meinen unterernährten Vater, gab es auch immer den herrlichen gekochten Schinken, der in Italien so ganz anders schmeckte und immer noch schmeckt als in Deutschland.

Schon der Kauf war außerordentlich aufregend. Die Maschinen viel größer und auch die Verpackung. Die Ware wurde in Waschspalier eingewickelt, der Preis mit dickem schwarzen Filzstift auf das hellbraune Papier geschrieben und dann thronte er duftend in unserem Kühlschrank. Hauchdünn war er geschnitten und herrlich trocken (ich mag außer bei Fleisch fast gar nichts Saftiges, vielleicht noch bei Zwetschgendatschi, aber keinesfalls bei Garnelen oder Fisch!!!). Und er sollte die Quelle einer großen Sehnsucht werden. Er war nämlich für den Papa. Man konnte schon mal eine Scheibe haben, aber nicht die Mengen, die ich gerne gehabt hätte. Und damals vor dem kleinen Kühlschrank in der Küche mit dem Vorhang habe ich mir geschworen: wenn ich mal groß bin, kaufe ich mir gekochten italienischen Schinken, so viel ich will. Und esse ihn ohne Brot. Morgens, mittags und abends. Nun muss man wissen, es gab bei uns vernünftigerweise auch keine Cola oder Fanta oder so einen Kram. Aber das war mir relativ egal. Der Schinken war und ist bis heute hingegen eine große Freude für mich und mein Metzger in Rom weiß ganz genau, dass es keine gute Idee ist, ihn erstens zu dick zu schneiden und mit zweitens nicht probieren zu lassen.

Nun bin ich sicherlich mit solchen Kindheitserinnerungen oder -sehnsüchten gut dran und kann sie relativ harmlos im Leben ausleben (natürlich hilft es, dass ich regelmäßig in Italien bin, wer weiß, welch schlimme Störung sich sonst in mir breit gemacht hätte), aber was ist mit all den Menschen, denen (noch) Wichtigeres als dieser Schinken gefehlt hat? Neulich habe ich in der Mediathek einen Zweiteiler über den zweiten Weltkrieg gesehen und dass damals Kinder nach England verschickt wurden. Sie lebten dort bei fremden Familien – über Jahre hinweg – und sollten dann wieder zurück zu ihren eigenen (traumatisierten) Eltern. Wie soll das gehen? Und wie kann es sein, dass unsere Wohlstandskinder heute beinahe verstörter, dicker und lebensunfähiger im Sinne von sozial auffällig sind als diese Kinder? Fehlt ihnen das Korsett der Disziplin, an dem sie sich halten können? Ich für meinen (kindheitserinnernden) Teil freue mich jedenfalls sehr, dass ich momentan zwar noch in Paris, morgen aber bereits in Rom sein werde und als eine der ersten Taten mindestens 200 Gramm gekochten Schinken ordern werde. Wieviel davon nach Hause kommt, steht auf einem anderen Blatt.

Stadt der Liebe

Ich hatte ja versprochen, den Gedanken über vorurteilsbehaftete Schönheit bei einem Abendessen mit einem schönen Mann weiter zu beleuchten. Im Prinzip eignet sich ein jeder Ort dazu, aber einer nach landläufiger Vorstellung vielleicht ganz besonders: Paris. Also dieses Paris ist doch immer wieder ein Mirakel. Stadt der Liebe? Statt der Liebe? Es gibt wohl kaum eine Stadt, in der es einem so schmerzhaft bewusst wird, wenn man keinen Menschen an seiner Seite hat wie Paris. In der man die Hektik und Anonymität einer Großstadt schlechter aushält ohne einen anderen oder in der man häufiger nach dem Arm einer hoffentlichen Begleitperson greift wie in Paris. Deshalb, ja, es könnte durchaus die Stadt sein, in der einem die Liebe dankbar bewusst wird, wohingegen man sie in anderen, weniger gefährlichen Städten eher selbstverständlich hinnimmt. In der rauen Kühle der Pariser Luft hingegen ist sie nicht nur ein wärmende Kaschmirjäckchen, vielmehr ein notwendiger Daunenparka. Über den man sich nicht minder freut, wenn es kalt ist als über fluffige, kuschelige und federleichtes (farblich passende) Strickwaren bei einem Nachmittagsschokolade bei „Angelina“. Mein Verhältnis zu Paris ist zwiegespalten wie das einer Pariserin (hihihi). Ich bin superkritisch an den meisten Tagen und zähneknirschend verliebt an den anderen. Dieses Wochenende entwickelt sich zu einem verliebten Paris-Wochenende. Trotz oder gerade wegen mancherlei drolliger Dinge, die vermutlich nur hier passieren können.

Nehmen wir einfach mal den Freitagabend: Unerwarteterweise hat mich mein Mann in ein immer ausgebuchtes Restaurant mehr oder weniger unter dem Eiffelturm geführt. Wir waren da schon mal im Sommer vor zwei Jahren (kurz nachdem ich mich schrecklich mit meinem Onilne-Befragungsdienstleister gezankt hatte und immer noch vibriert habe vor lauter Ärger) und es war wunderschön. Denn tatsächlich sieht man das Stahlkonstrukt zwar von fast jeder Stelle der Stadt – außer aus einem der teuersten Restaurants in Paris, das sich eben gerade in der Spitze jenes Turms befindet -, aber es verliert auch dann nicht an Wirkung. Schon beim Betreten ist mir leider aufgefallen (ich finde es schlimm, dass mir so etwas auffällt, aber dann darf man mich nicht so lange an der Garderobe warten lassen), dass das Datum auf der Begrüßungskarte nicht stimmt und der Teppich durchaus eine Grundreinigung vertragen könnte. Freitag, der 14. ist einfach nicht am Freitag, den 13. Das kann man drehen und wenden wie man will und es hat nichts mit Creation und „je ne sais quoi“ zu tun. Das Essen war vorzüglich, nur etwas karg, so dass ich in meiner Not Butter bestellt habe. Damit haben wir uns dann sehr respektable Butterbrote geschmiert und feinsten Wein dazu geschlürft. Herrlich. Das Dessert wollten wir sicherheitshalber woanders nehmen und sind kichernd in einem nach feuchter Wäsche riechenden Taxi ins neu eröffnete Ritz gefahren. Das hat für seinen Totalumbau immerhin fünf Jahre gebraucht und entsprechend gespannt waren wir auch. Es liegt nämlich genauso nahe, dass es durchaus eine Art Stammbar für besonders nette Abendbeginne oder -ausklänge hätte werden können.

Aber wie groß war die Überraschung! Ein fast menschenleeres, blumenloses, totenstilles Ambiente hat uns empfangen. Die Bars seien im hinteren Flügel und nachdem wir einen Straßenzug im Inneren des Hotels vorbei an zahlreichen Vitrinen gelaufen sind und uns zunehmend wie in einer Shoppingmall in einem arabischen Emirat gefühlt haben, konnten wir leises Gemurmel hören. Es kam aus zwei gegenüberliegenden Räumen, die erleuchtet und nett gestaltet waren, aber zum Einen voll und zum Anderen irgendwie deplatziert in dieser unbelebten Atmosphäre. Hat uns nicht gefallen. Hunger hatten wir aber dennoch. Und so sind wir also in einem spanischen/italienischen Restaurant mit Bar gelandet, wo wir einen Teller mit feinstem Schinken Brot und zwei Gläser Rotwein bekommen haben. Satt, hochzufrieden und im sicheren Gefühl, der Stadt trotzdem das Beste abgetrotzt zu haben, sind wir heimgewankt. Gestern dafür hielt ein noch viel schöneres Restaurant die Überraschung bereit, so gut und fein zu sein, dass ich nur wieder an meinen kürzlich geposteten Beitrag anschließen kann: keine Vorurteile gegenüber Schönheit. Weder bei Restaurants noch bei ausnehmend hübschen Platzanweiserinnen oder Kellnern. Es ist einfach nicht fair. Und Paris gegenüber ist es vermutlich auch nicht fair, es zu verteufeln, nur weil es so eindrucksvoll schön ist. Halt auf eine ganz andere Art als mein Rom, das ich nächste Woche nach einer Ewigkeit wieder sehen werde.

Gulasch

Bei so vielen Beiträgen und so tiefen Einblicken in meinen Alltag ist es nun auch grad schon wurscht (wie der Bayer zu sagen pflegt), ob auch noch meine geheimsten Vorlieben zu Tage gefördert werden. Ich labe mich selten an ihnen, vielleicht können sie deshalb auch ihren Sitz in meinem Herzen so ruhig und beharrlich gegen alles Neue und „Fancyhafte“ verteidigen. Sie residieren dort und oft ist nicht mal mir selbst klar, wie fest sie dort verankert sind. Sie leben Seite an Seite mit den Ureinwohnern der Seele, den Gerüchen und vertragen sich offenbar prima. Sie werden nur selten wachgerüttelt und verlassen ihr wohliges Heim auch nicht gerade häufig. Wenn sie aber tun, dann sind sie wunderbare Gäste, die sich freuen, mal den Schritt vor die Türe gewagt zu haben und zu zeigen, dass es sie noch gibt. Zurück in ihren wohligen Gemächern zehren sie noch lange von den schönen Momenten und freuen sich auf den nächsten Besuch, der durchaus auch erst in zwei, drei Jahren stattfinden kann.

Wovon ich spreche? Von Gulasch natürlich. Und von Knödeln. Nicht erst seit mein Mann mir über ebendiesem Gericht den festen Wunsch geäußert hat, sein Leben mit mir zu verbringen, liebe ich dieses Gericht. Es ist so unprätentiös und kuschelig. Und seine besten Freunde, die Knödel erst!!! Ich weiß, heutzutage macht man sie bitteschön selbst oder kauft zumindest den feinen Knödelteig, den es inzwischen überall in den Kühlregalen gibt, jedoch zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen zählt nach wie vor diese: ich sitze bei meiner Oma in der Küche auf einem graublauen Küchenstuhl, den man drehen konnte und gefährlich weit damit hochfahren konnte. So weit, dass nur noch ein dünner Stab ihn hielt, der dann auch gerne aus der Verankerung kippen wollte (und manchmal ist!!! Was die Oma nicht gerne hatte). Und meine Oma, die an hohen Festtagen Knödel aus der Packung gemacht hat. Und die waren aus Pulver: Halb und Halb, 12 Stück und wir haben immer sehr gelacht, was das wohl für Schusser sein müssten. Wir bekamen maximal zehn raus.

Die wurden in einer silbernen Schüssel gerührt und man musste sie dann stehen lassen, damit der Teig fest wird. Mir hat selbst dieser Teig geschmeckt. Vielleicht war es auch die Vorfreude auf Gans, Schweinebraten oder Gulasch. Oder weil alle zusammen kamen? Eindrücke, Erinnerungen und Vorlieben sind ja selten isoliert für ein wohliges Gefühl verantwortlich. An die Gulaschnostalgie hat dann auch noch meine nichtgernekochende Mutter angeknüpft und so hat sie heute einen sicheren Platz in meinen Erinnerungen. Derweil mache ich es wahnsinnig selten, vergesse ganz oft, dass ich es überhaupt kann und wenn, dann mache ich es auch ganz anders als alle zuvor. Der Eindruck und die Gefühle sind jedoch genau die gleichen. Es ist sozusagen das Gold unter den Gerichten. Selten, dafür wertstabil. Hab noch zwei Knödel und ein kleines bisschen übrig….