Nackte Füße

Wir haben Fashion Week in Paris. In der Gegend, in der ich bis vor kurzem gewohnt habe, wäre mir das gar nicht so lange entgangen, aber hier in dieser ruhigen Ecke bemerkt man es nur, weil es aus dem gegenüberliegenden Studio im ersten Stock andauernd blitzt, wenn die Fotografen wieder ein Model in äußerst fragwürdiger, farbenfroher, dafür unförmiger japanischer Mode ablichtet. Am Wochenende haben sich die Limousinen vor unserer Haustüre gestaut und in den Restaurants sitzen aufgeregt schnatternde italienische und amerikanische junge Frauen entweder in düsterem Schwarz oder Männer in verwegenem Farb- und Mustermix. Gerne mit weiten karierten Hosen und irgendwelchen erstaunlichen Oberteilen. Vor allem italienisch, amerikanisch und asiatisch wird gesprochen, was aber alle eint, ist der maximale Willen, sich zu erkälten. Keiner trägt Strümpfe. Und gehöre schon ich aus dem kleinen Augsburg zur Fraktion, die als erstes mit nackigen Füßen in Schuhen herumläuft, so muss ich doch neidlos und mit einem gehörigen Maß an Respekt anerkennen, dass ich hier meine Meister gefunden habe. Es ist ihnen vollkommen egal, dass es unter Null Grad hatte.

Ich hatte das zum ersten Mal in New York gesehen. Damals waren wir in einem schicken italienischen Restaurant, ich glaube, es war das Cipriani, Sex and The City war in den Anfängen und ich ein junges argloses Ding, das nur das Buch gelesen hatte, sonst noch nicht viel damit am Hut hatte. Wir waren über meinen Geburtstag im März, es war also wirklich noch sehr, sehr frisch, um nicht zu sagen, schweinskalt. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich relativ neue, sehr coole hohe schwarze Stiefel mit Absätzen hatte und sie bei jeder Gelegenheit getragen habe. Ich fand sie so unglaublich schick! Bis wir in besagtem Restaurant saßen und um mich herum alle Frauen in kleinen Riemchensandalen oder Pumps saßen. Zwar trugen sie Pelze in beachtlichen Dimensionen, aber die Füße und Beine waren leicht gebräunt und bar jeglicher Bedeckung. Mein unpassendes Schuhwerk hab ich verschämt unter dem Tisch versteckt und bin an die Entstehung und Aussagekraft dieser doch sehr antizyklischen Mode gegangen.

Es musste damit zu tun haben, dass all diese Frauen in Limousinen herbeigeschafft wurden und somit nur die kurzen Meter von ihrem Haus mit Teppich und Baldachin zur Limousine und dann wieder über Teppich und unter Baldachin heutransportiert worden sind. Aus einem Vorort mit der U-Bahn sind unbestrumpfte Beine und Füße um die Null Grad deutlich schwieriger durchzuhalten. Andererseits: vielleicht sind sie der Schlüssel zum Erfolg?? Egal. Hier in Paris jedenfalls trägt kein Mensch, der etwas auf sich hält welche. Um am besten auch keine geschlossenen Schuhe, sondern Schläppchen (nennt man bestimmt auch anders, Pantoletten vielleicht?) oder Singpumps oder eben andere Riemchenschuhe. Weiße Turnschuhe werden schon mal mit Füßlingen getragen, aber das gehört zum Jahrein-Jahraus-Straßenbild und damit lockt man auf den Boulevards nun wirklich keinen Hund mehr hinterm Ofen vor. Ich kann nur sagen, dass ich ich diese extreme Mode nicht mitmache und an diesem Abend mit blickdichten Strümpfen da saß. Und was soll ich sagen: Ich bin diejenige, die erkältet ist. Vielleicht schützt so viel Chupze vor Unbill? Ich kann das beim besten Willen nicht ausprobieren, mich frierts schon auf den Fliesen in der Küche….

Zustellung

Vor einiger Zeit wurde mal eine zauberhafte Kolumne zum Thema „Online-Bestellung“ veröffentlicht. Von einem Mann zwar, aber nicht minder zutreffend. Was natürlich nicht heißen soll, dass Männer grundsätzlich keine Ahnung haben, wenngleich beim Thema „Einkaufen“ durchaus noch Luft nach oben ist. Zumindest bei den meisten. In dieser Kolumne wurde mit spitzer Feder darauf hingewiesen, dass das Online-Shoppen durchaus auch mit mehr Aufwand verbunden sein kann, als das klassische Bummeln und in ein Geschäft gehen, sehen, probieren, bezahlen und vielleicht auch noch beraten werden. Das, meine Herren, ist ein seltener idealer Ausnahmefall und natürlich würde ich über so etwas auch gleich eine Kolumne schreiben. Die Realität sieht hingegen wesentlich betrüblicher aus und nicht immer findet man genau das, was man sucht, weil man ja oft noch gar nicht weiß, dass man etwas sucht, geschweige denn wie genau es aussehen soll. Man weiß nur, welches Gefühl man haben möchte, wenn man es trägt. Oder dass man jetzt ganz genau das Konzept der Frau neulich auf der Rue Saint Honoré getroffen hat, der man ja schwerlich nachlaufen und sie nach allen Details fragen könnte. Davon abgesehen, dass man so etwas niemals tun würde, weil man es schon hasst, wenn einen andere kopieren. Egal.

Dann jedenfalls kommt das Online-Shopping gerade recht. Man sitzt auf dem Sofa, schaut einen Film, von dem man sich deutlich mehr versprochen hat und schnobert so durch die Online-Gazetten. Auf einmal poppt eines dieser unglaublich listigen und einfühlsamen Werbebanner auf und zeigt einen fantastischen Fellmantel. Natürlich weiß man, dass das zugeschnitzte Werbung und damit sehr böse ist, aber der Film ist noch viel böser, weil langweilig und ein Konto hat man ja eh bei dieser Firma. Kann man ja mal schauen. Und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf, man bestellt noch ein schwarzes Kaschmirjäckchen der Lieblingsfirma und fertig ist die Laube. Zustellung in drei Tagen. Man freut sich, weil man es – gemäß Wettervorhersage – bereits Mitte September tragen kann….Irgendwann in diesen drei Tagen verlässt man dann selbst als homeofficeschaffender Freiberufler mal die Wohnung und schwupps wird das Paket geliefert. Die Abholkarte grinst einen hämisch an und zum hundertsten Mal fragt man sich, nach welchem Prinzip diese unergründlichen und geheimnisvollen Paketboten ticken? Mal legen sie es vor die Türe, mal geben sie es dem Nachbarn, mal in eine Abholbox und mal bringen sie es in eine Postfiliale, die sage und schreibe 2,4 Kilometer entfernt ist.

Wäre ich nun eine alte gebrechliche Frau und hätte mir eine Büchersendung für meine einsamen Abende bestellt, weil ich die Bücher nicht mehr nach Hause wuchten kann und hätte dann meinen Enkel (so ich einen hätte!!!) gebeten, mich dorthin zu fahren und die schweren Bücher zu schleppen, dann wäre ich gestern genauso wie wie viele andere vor dem Schild „Heute wegen Betriebsversammlung geschlossen“ gestanden. Und was dann? Dann müsste ich ihn entweder am nächsten Tag wieder bitten oder mit der Straßenbahn dorthin fahren, das schwere Paket holen und es nicht nur aus der Stadt, sondern auch noch diese ganze Strecke heimtragen. In diesem Punkt hat der kluge Kolumnist vollkommen Recht. Face-To-Face-Einkaufen hat auch Vorteile. Die sind jedoch eher im spontanen und eher zufälligen Jagderfolg begründet. Alles geplante und vernünftige Einkaufen, wie wir Frauen es eben schätzen, findet im Internet statt. Heute jedenfalls war die Filiale wieder offen und ich konnte ein RIESIGES Paket in Empfang nehmen, das kaum in mein Stadtfahrzeug gepasst hätte. Und was soll ich sagen? Den Mantel hätte ich im Geschäft in der Tat nicht gekauft. Und so auch nicht. Aber das Jäckchen, das ist ein süßes Dingelchen und darf bleiben. Es bleibt also unentschieden.

Erste Strumpfhose

Heute war es soweit: Nachdem ich letzte Woche – aufgrund brillanter Wettervorhersagen – mit blau gefrorenen Beinen und Füßen (ja, auch wir in Bayern können – die Betonung liegt auf „können“ dazwischen unterscheiden! – rumgelaufen bin, war es mir heute Morgen nach einem Blick auf die beschlagenen Scheiben dann doch zu blöd und ich habe mich ergeben und Strumpfhosen auf meine immer noch wunderbar gebräunten Beine angezogen. Was das für die Bräune und den Frust bedeutet, muss ich wohl niemandem sagen. Erstens ist es bei Strumpfhosen wie bei weißen Handtüchern, an denen einem erschreckend deutlich wird, wieviele Hautschuppen man wohl täglich verliert und wie schnell die sauer und teuer erarbeitete Hautpigmentierung im wahrsten Sinne den Bach runter geht und zweitens sind die ersten Strumpfhosen ein resignatives Eingeständnis, dass die Sommerzeit wohl endgültig zu Ende geht und dass nun wieder viele, viele Monate Strümpfe folgen. Bis die Allertapfersten unter uns sie im April, Mai wieder weglassen (zwar auch zum Teil blau gefroren, allerdings mit Optimismus!).

Meine heutige saisonal erste Strumpfhose habe ich mit der gleichen Todesverachtung übergezogen wie schon als Kind. Es zählt – und da bin ich nach einigen Recherchen im Freundeskreis keineswegs alleine – zu den traumatischsten Kindheitserlebnissen, eine Strumpfhose unter einer Hose angezogen zu bekommen und zu tragen. Bei mir kam noch die Mehrfachbelastung mit der Bluse unter dem Pulli hinzu. Dies alles in den Siebziger Jahren, als die Pullovermode auf engen Ärmeln bestand. Ein Graus. Sah hübsch aus, gar kein Zweifel, aber das Rumgezupple hat meiner Cousine und mir Wut- und Verzweiflungstränen in die Augen getrieben. Heute jedoch habe ich es schlau gemacht und zur ersten Strumpfhose das erste Mal ein neues Kleid getragen, dies allerdings unvernünftig ohne Unterhemd, was ich zutiefst bereut habe, aber das Hemdchen soll seinen gesonderten Premierenauftritt haben. Da muss man schon gerecht sein. Es hat schließlich ebenso lange im Schrank gelegen und sich womöglich ungeliebt und vergessen gefühlt. Und damit sogar für ein paar wenige Monate Recht gehabt.

Ärgerlich an der ersten Strumpfhose und dem ersten Hemdchen ist nur eines: wenn die Natur dann herbstgemäß beschließt, einem saukalten Morgen mit Raureif einen wahnsinnig warmen Mittag und Nachmittag folgen zu lassen. Und wer schon einmal in Strumpfhosen und mit Unterhemd in der Sonne saß, weiß, wovon ich spreche. Was also tun? Zügellos alles von sich werfen? Das ginge im Moment zwar noch, weil die Beine braun und die Schuhe passend sind, aber wie lange noch? Spätestens im Goldenen Oktober ist damit Schluss. Käsige Beine unter naturgemäß kürzeren Herbst- und Winterkleidern sind nunmal ein Unding. Andererseits, diese Gefahr scheint zumindest im Moment gebannt, es zieht schon wieder zu und ich denke, ich ziehe mir noch ein Strickjäckchen über. Geht halt doch auf Weihnachten zu. Übrigens: das auf dem Foto sind nicht meine bestrumpften Beine. Für sowas hab ich eine eigene Kategorie in meinem Fotoprogramm.

Zauberhaftes Italien

Für alle Zuhause- bzw. Noch-Zuhause-Gebliebenen: Es ist in Rom kein bisschen warm und grauen Wolken hängen über der Stadt, was mich sehr empört und verängstigt, weil ich mein Auto als Erstes gewaschen habe, wie ich das übrigens in Rom immer tue. Es steht während meiner Abwesenheit so treu und brav in der Garage, wird eingestaubt und respektlos von Katzen besetzt, da ist es das Mindeste, was ich tun kann bei meiner Rückkehr. Trotz der deutschen Wetterverhältnisse und Gewohnheiten haben wir sofort bemerkt, dass wir wieder in Italien sind. Denn in Rom ist Taxistreik. Und das seit fünf Tagen. „Uber“ und vor allem „Uber Pop“ sind die Steine des Anstoßes. Das ist verständlich. Zumindest aus Sicht der Taxifahrer, die teilweise jahrelang ihre Lizenzen und Konzessionen abbezahlen, mit denen ein recht übler Handel getrieben wird. Angeblich vergibt die Stadt zu wenige. Und die, die vergeben sind, streiken recht oft. Dass sich dort – ebenso wie in Paris – ein privates und flexibles Unternehmen prima hineinschlängeln kann, liegt auf der Hand. Unser höchsteigener Tassista, der liebe Berardo teilte mir all dies bereits per WhatsApp mit, als ich ihm unsere Ankunftszeit mitteilte.

Und so kam er dieses Mal nicht als Taxifahrer, sondern als sehr guter Freund der Familie im Auto seiner Tochter. Und welch Glück, dass er seine Tochter vergöttert und verwöhnt. Deshalb konnten wir mit unserem nicht unerheblichen Gepäck in einem Einser BMW Platz nehmen. Mein Vater war kein Taxifahrer und ich auch Einzelkind, aber mein erstes Auto war der Uralt-Golf von meiner Oma und den musste ich ihr auch noch abkaufen. Das ist jedoch ein anderes Thema und soll hier nicht weiter behandelt werden. Im Hinterkopf kann man es ja mal behalten. Berardo (so heißt er und nach über fünfzehn Jahren bin ich mir immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob das sein Vor- oder Nachnamen ist) stand also bei den Abflügen, weil man ihn bei der Ankunft erkennen und gegebenenfalls lynchen würde. Als er uns ratlos suchend sah, ist er aus dem Auto gesprungen und wir sind wie zwei Verliebte aufeinanderzugeeilt, weil auch noch die Polizei und Teile des italienischen Militärs um uns herumstanden. Damit es noch glaubwürdiger wird, hat er auch noch meine Mutter sehr geschmust und uns fürsorglich Stück für Stück in den deutschen Kleinwagen geschichtet.

Heute dann, als wir für meine Mutter endlich eine Handtasche gekauft haben, durften wir erneut feststellen, was für ein zauberhaftes und engagiertes Land dieses Italien doch ist. Kaum mit dem Taxi an der Spanischen Treppe angekommen, sind wir in das Geschäft ihres Vertrauens, besser gesagt ihrer Sehnsüchte gestürmt und haben dort einer verdatterten Verkäuferin in Rekordzeit eine Handtasche abgekauft. Sie spricht vermutlich jetzt immer noch darüber, welche tollen Modelle es gibt und dass um drei Uhr in Mailand die Herbst/Winterkollektion vorgestellt wird. Wir bekamen Espresso und Wasser und nach einer halben Stunde haben wir uns auch schon wie zuhause gefühlt. Aus Ermattung und Resignation hab ich mich dann auf die Treppen gesetzt – mein Mutter hat da mehr Contenance und ist stur wie ein Sägebock an der Kasse stehengeblieben – und habe begonnen, mir meine Gedanken über den Durchlauf in solchen Geschäften zu machen und wie oft mein Mann dort vernünftigerweise einkaufen würde, wenn der Bezahlvoqrgang zwanzig Mal so lang dauert wie das Auswählen. Dann kam die Lösung: Es war keine passende Schachtel aufzutreiben, der Po der Tasche, so wurde mir erklärt, sei zu sperrig und passte in jede Schachtel in letzter Sekunde dann doch nicht hinein. Nun, welche Frau kennt dieses Problem nicht? Man habe jetzt jemanden in ein anderes Geschäft geschickt, um eine Schachtel holen zu lassen. Und das hat nun eben gedauert. Es ist und bleibt ein hinreißendes Land dieses Italien.

Männer in Filzpantoffeln

Über so vieles im Leben macht man sich Gedanken: Werde ich die Prüfung bestehen? Hab ich noch Butter im Haus? Passt der schwarze Rolli zum silbernen Plisseerock? Über so vieles andere wiederum nicht. Das ist ein Fehler, wie ich spätestens seit einer kürzlichen Veranstaltung weiß. Die Frage der Stunde müsste lauten: dürfen Männer bei einer Einladung im eigenen Haus gemütliche, ausgelatschte Filzpantoffeln tragen? Hm. Wer hätte sich darüber je Gedanken gemacht? Es war nie notwendig und schwupps sind wir bei dem, was mein Orga-Professor an der Uni einen „Hygienefaktor“ genannt hat. Und der hat an sich recht wenig mit Hygiene zu tun. Konkret geht es dabei um die Umstände und Fakten, die nicht positiv auffallen, wenn sie vorhanden sind, weil sie – ähnlich wie saubere Waschräume – als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Sind sie jedoch mangelhaft oder liegen gar nicht erst vor, fallen sie umso unangenehmer auf und haben auch Einfluss auf andere, durchaus positive Umstände und Elemente. Sie haben also eine geheime Macht, die erst durch ihre Abwesenheit zum Tragen kommt. Voll fies sowas.

Bei manchen Dingen braucht es aber tatsächlich so einen Hygienefaktor, der dem eigenen Unwohlsein bei bislang unbedachten Sachverhalten so richtig Form und Gestalt gibt. Wenn es bei uns klingelt oder wir Besuch haben, werde ich echt fuchsig, wenn mein Mann keine Schuhe anhat, bei Frauen geht es im Sommer vielleicht noch, wenn sie barfuß sind, aber Männer sollten in meinem Unterbewusstsein wohl doch immer verteidigungs- oder auch angriffsbereit sein. Und das sind sie nun mal nicht in Schluppen. Daher fürchte ich auch nichts mehr als Einladungen, wo ich Schuhe vor der Haustüre (entsetzlich) oder im Flur (grauenvoll) vorfinde und mir liebevoll ein Paar Pantoffeln hingestellt wird. Ich hab mir etwas gedacht, als ich genau diese Schuhe zu meinem Outfit gewählt habe. Es wirkt in Strümpfen einfach nicht. Oder ich bin tollkühn bei Eisregen barfuß in Lackschuhe gehüpft, weil ich ein bisschen Sommergefühl haben wollte und es einfach besser aussieht. Dann wirke ich wie eine hilflose Ente, die sich durch hohes Laub watschelt. Ein einziger Graus. Und kein Parkett der Welt kann dies wert sein finde ich (deshalb sieht meines auch so aus wie es aussieht).

Was ist es, das Schuhe so besonders macht? Die Frage an sich ist für Frauen beinahe unvorstellbar, die meisten würden nur selten auf eine Gelegenheit verzichten, neue, hohe, unbequeme, einzigartige oder seltene Schuhe zu tragen und zu zeigen. Schuhe haben so viele Vorteile. Sie sind nicht weiter nachtragend, auch wenn man zwei Wochen nur von Eis und Pasta und Weißwein gelebt hat, ignorieren, dass die Jeans von H&M und das T-Shirt vom Freund ist, gehen eine Allianz mit der Handtasche ein oder stemmen sich ihr charakterstark entgegen und verleihen der Trägerin Streetstyle-Chic, kurzum: Schuhe sind unverzichtbare Begleiter im Leben. Vielleicht nicht im Haus. Dort kann auf sie verzichtet werden, aber wenn ich drüber nachdenke, auch erst in den letzten Jahren. Meine Mutter oder meinen Vater habe ich selten bis niemals ohne Schuhe gesehen. Wikipedia sagt dazu: „In der Antike war das Tragen von Schuhes das Vorrecht der Herrschenden und damit ein Symbol der Macht, während die Sklaven barfuß gehen mussten.“ Erniedrigt man sich also selbst, wenn man sich anderen barfuß präsentiert? Oder ist es in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext einfach respektlos, in Filzpantoffeln aufzukreuzen? Egal wie, auch hier haben Frauen einfach ein natürliches Gefühl für Anstand und Sitte: sie würden nur unter ganz besonderen Umständen eine Gelegenheit auslassen, ihre Schuhe zu zeigen. Und wir ertragen auch noch mit Gleichmut die ständig wiederkehrenden Fragen, ob wir nicht schon ein paar „schwarze, hohe Schuhe“ hätten…..Ja, so sind wir.

Mittagsbummel auf den Champs-Elysées

Es gibt Dinge, die passieren einem eher in Paris als in Augsburg. Obwohl Vieles von dem, was ich zu schreiben plane durchaus auch dort passieren könnte, wenn ich es mir genau überlege. Wollen mal sehen. Heute Morgen zum Beispiel war ich auf der Suche nach einem möglichst sehr warmen Pulli, weil es in dieser Wohnung zwar saunaartige Zustände hat, wenn man reinkommt, sitzt man aber über Stunden da und tippt vor sich hin, kühlt es sakrisch aus, wie der gepflegte Bayer sagen würde. Dann ist man froh um einen wärmenden Rolli. Zum Glück habe ich für solche Eventualitäten vorgesorgt und immer und überall einen schwarzen Rolli zur Hand. So viele, ich muss es zugeben, sind es inzwischen, dass ich sie bestenfalls noch an der Enge des Kragens unterscheiden kann. Die ist für mich nämlich immens wichtig. Ich hasse so Halbheiten, wenn der Rollkragen nicht anliegt. Wozu brauche ich ihn dann bitteschön? Jedenfalls habe ich heute Morgen ganz unten drin meinen allerältesten und heißgeliebten ersten schwarzen Kaschmirrolli gefunden. Was war das für eine Wiedersehensfreude!!! Ich habe diesen speziellen allerdings nicht am Kragen, sondern an den liebevoll aufgenähten Lederflicken am Ärmel erkannt. Die habe ich vor über zehn Jahren in Wien in einem Kaffeehaus durchgewetzt und ich sehe heute noch die Tränen der Rührung in den Augen meines geliebten Gatten. Um solche ärgerlichen Notstände künftig zu vermeiden, habe ich seitdem in steter Folge und mit nie ermüdendem Eifer immer wieder für Nachschub gesorgt und ich nehme auch auf fast jede Reise einen mit. Nur nicht, wenn wir im Frühjahr auf meine Geburtstagsreise gehen. Da bin ich voller Hoffnung und friere dann bitterlich. Oder kaufe einen neuen, aber meist gibt es sie nicht mehr, weil die Frühjahrsmode gerade rausgekommen ist. Unpassenderweise, zumindest, wenn man sich nach den Temperaturen richtet, was ich ja leider auch nicht tue….

Mit dieser kleinen Nischenleidenschaft bin ich jedoch beileibe nicht alleine auf der Welt wie mir gerade ein Blick in die heutigen Gazetten verdeutlicht hat. Es gibt andere Frauen auf der anderen Seite des Ozeans, die haben eine – weitaus fatalere – Leidenschaft für unpassende Blusen. Blusen, die den Busen ganz schaurig einrahmen oder betonen. Und das dann auch noch in fragwürdigen Farben und nicht in schlichtem schwarz, was fast immer das Schlimmste mindern oder nivellieren kann. Und was natürlich erschwerend hinzukommt: ich trage meine schwarzen Rollis zuhause am Schreibtisch oder mal beim Essen oder einfach den ganzen Winter durch. Diese Frau überm Meer trägt sie in einer sexistisch aufgeheizten Wahlkampfrede, angeblich um ihren Mann zu unterstützen. Das ist ungefähr so hilfreich, wie einem Diabetiker erst mal ein Nutellabrot zu schmieren. Egal, das soll nicht unsere Sache sein. Ist es für meinen Geschmack eh schon viel zu viel.

Was ich aber eigentlich berichten wollte, fand gestern auf den Champs-Elysées statt. Weil es also kalt in der Wohnung war und ich einen kleinen Hänger hatte, bin ich an die frische Luft und da das Wetter herrlich und ich so richtig in Schwung war, bin ich ziemlich weit gekommen bei meiner Wanderung. Entlang der Straße wurde schon der Weihnachtsmarkt mit allem Drum und Dran aufgebaut. Der Anblick eines halben Riesenrads beweist übrigens erneut wie fragil all diese technischen Fahrgeräte doch sind, aber das nur nebenbei. Auf meinem weiteren Weg habe ich dann aus den Augenwinkeln etwas sehr Buntes wahrgenommen. Ein Schaufenster mit SEHR floralen Motiven und einer Tafel mit Uhrzeiten. Die Uhrzeiten waren tatsächlich die Zeiten, zu denen man die Kenzo-Sonderkollektion bei H&M anschauen und kaufen durfte. Bereits auf den Tafeln war zu lesen, dass man sich gefälligst ordentlich zu benehmen hätte. Offenbar habe aber nur ich die gelesen. Drinnen ging es nämlich wirklich wüst zu. Ich war ja zum ersten Mal bei sowas. Und nicht nur, dass ich jetzt viele Worte für „Das probiere ich gerade, lassen Sie bitte ihre Finger von meiner eigenen Jacke“ und „Das sieht schrecklich aus“ kenne, weiß ich jetzt auch, dass es bei H&M nur wenige Spiegel im Verkaufsraum gibt und dass Französinnnen keineswegs immer so verruchtes Zeugs drunter tragen wie sie uns immer glauben machen wollen. Alles in allem war es ein hochinteressanter Mittag, den ich nun bei ruhigen Tätigkeiten zu verarbeiten gedenke.

Sparsame Frauen

Dies ist ein Beitrag an alle vorurteilsgetriebenen Männer da draußen. Darin geht es – wie könnte es anders sein – auch um Handtaschen und Schuhe, die beiden Accessoires mit dem allerhöchsten Spar- aber auch Fehlerpotenzial! Es gibt ja solche Männer, die sich einen Sport daraus machen, Frauen mit der Unterstellung zu quälen, sie hätten nichts als Schuhe oder Handtaschen im Kopf. Ein für allemal müssen hierzu ein paar Fakten klar gestellt werden:
1. Kaum ein Accessoire gibt es, das mehr Geld spart als eine Handtasche. Mit einer anständigen Tasche können fast alle anderen Teile von H&M sein. Gut, ein kapitaler Brillantring würde auch seinen Teil dazu beitragen, aber mit der falschen Handtasche hielte man sogar den für falsch.
2. Männer packen mehr Zeugs in eine Handtasche hinein als Frauen (und wollen die verstauten Teile unsagbar oft wieder haben „Schatz, Hasi, Liebling – whatever, gibst Du mir mal meine Kreditkarten, mein Handy, mein Geld, die Tickets (beliebig erweiterbar)?!“
3. Handtaschen verbinden, sie schaffen Nähe zu anderen Frauen, können als ultimative Bestätigung für vermutete Charaktereigenschaften dienen, denn bei den verschiedenen Marken und „It-Bags“ (die ich persönlich sehr schwierig finde, weil ich viel zu großen Respekt vor der klassischen Aura richtig schöner Handtaschen habe, um sie nur saisonal schön zu finden oder gar mit schlimmen Frauen in einen Topf geworfen zu werden, indem ich sie trage), zeigt sich zuverlässig, welcher Kategorie die Trägerin wirklich angehört.
4. Investiert man also in eine gscheite Handtasche, begleitet sie einen fast ein ganzes Leben lang. Und wird irgendwann eine richtig wertvolle Vintage-Tasche (von wegen Oldtimer und Garagengold!!! Schrankgold!)
Und nun zu Schuhen:
5. Schuhe können (und tun dies auch zuverlässig) ein noch so nettes Outfit nachhaltig ruinieren. Und auch für sie gilt in jedem Fall Punkt 1, allerdings nicht so sehr, weil sie doch sehr stark der Mode unterliegen und wirklich klassische Schuhe vielleicht zu einem Tweedrock immer prima aussehen, aber wer geht schon täglich im trüben Moor auf die Jagd?
6. Und nun kommen wir zum Ausgangspunkt für diesen Blogeintrag, nämlich dass ich eine besonders sparsame Frau bin, was Schuhe angeht: für unseren kleinen Ausflug an die gegenüberliegende Küste habe ich mit flinker Hand ein paar Sandalen (Wedges) eingepackt, die ich schon sehr, sehr lange habe (bestimmt 12 Jahre, wenn nicht 15). Und was soll ich sagen? Ich sitze beim Aperitif und frage mich, was das für Krümel auf dem Boden sind und es sind meine Schuhe. Teile meiner Schuhe. Sie lösen sich auf, gehen einfach kaputt. Dasselbe hatte ich dieses Jahr schon einmal mit ebenso alten Schuhen, weil ich ja geradezu zwanghaft sparsam bin bei Schuhen wie fast ein jeder weiß. Leider habe ich nur diese Schuhe als Absatzschuhe dabei und mein Mann – und meine Mutter, also die beiden Hauptreferenzstellen, wenn es um Mode und Einkäufe geht – haben mich inständig gebeten, mir doch endlich ein neues Paar zu kaufen. Und was soll ich sagen? Ich konnte diesen Punkt bereits auf dem Weg in die Oper (die übrigens fantastisch war) abhaken. Leider habe ich damit den Navigator außer Kraft gesetzt, aber angesichts der Vorkommnisse hat auch mein Mann verstanden, dass es im Moment wirklich andere Prioritäten als den Weg zur Oper gibt.
Und das war die Geschichte von den sparsamen Frauen.
P.S. Diese Schuhe waren günstig. Sieht man ja, was man davon hat.

Kundenorientierung

Verkäufer, die sich und ihre Waren aus dem Effeff kennen, sind Segen und Fluch zugleich. Wie ich das meine? Kommt schon, die Geschichte braucht Anlauf. Also: Gestern Abend haben offiziell unsere Ferien begonnen. Noch ein kleiner geschäftlicher Termin auf der Via Veneto – es könnte einen schlimmer treffen – und dann nichts wie los in den Urlaub, in die Vacanze Romane. Während es für andere nichts Schöneres gibt, als im Urlaub mal richtig auszuflippen, jeden Tag woanders zu sein und es voll krachen zu lassen, gibt es für mich und zum Glück für meinen Mann auch, nichts Schöneres als an einem Ort zu sein und gar nichts, aber wirklich gar nichts vorzuhaben außer riesige Wassermelonen zu essen (und die Planung, wann wir sie anschneiden, kostet uns schon viel Kraft und Energie) oder zu entscheiden, ob wir mit der Vespa in die Stadt fahren oder nicht. Das kann in unserem Fall durchaus eine Challenge sein, denn unsere wunderhübsche cremeweiße Vespa ist eine wahre Diva, die für unfassbare Maintenanceekosten im Prinzip doch macht, was sie gerade möchte. Und das ist nicht immer anspringen.

Also bin ich heute los in den chinesischen Laden unseres Vertrauens und habe mir eine LED-Lampe, besser gesagt, mehrere, gekauft. Darunter ist auch eine Kopflampe, die ich gedenke, mir verkehrt herum um den Helm zu binden. Nachdem ich heute schon an den Fußrasten von einem Motorrad, das unbedingt in der Garage stehen muss mein frisch poliertes Auto ruiniert habe, kann ich keine weiteren Schäden mehr brauchen. Der Chinese jedenfalls ist ein Phänomen, denn bis auf Duschgel hat er tatsächlich alles. Er legt kurz sein wellensittichkleines Köpfchen schräg und schon saust er los in die Tiefen seines Ladens und wenn etwas nicht da ist, fragt er, ob man hier wohnt und wenn ja, dass es bis Montag da sein könnte. Prima. Er muss immer sehr flink sein, denn erstens gibt es drei solche Läden in unserer Straße und zweitens muss er die Kasse alleine lassen, während er uns was zeigt und das bereitet ihm körperliche Schmerzen. Würde man ihn nach einem Heißluftballon fragen, würde er auch den Kopf schräg legen und vermutlich bedauernd sagen, die seien gerade aus, könnten aber bis Montag, spätestens Dienstag wieder im Laden sein.

Auf ebenso viel Kompetenz bin ich im Zentrum Roms bei Fragen nach einer Handtasche gestoßen. Und das war so: In dem Restaurant / Café / Arabertreff, in dem die Besprechung stattgefunden hatte, hatte ich wirklich Zeit genug, mir zu überlegen, dass Geld alleine keine Schönheit kaufen kann und dass nicht alle westlichen Errungenschaften ein Segen für alle Menschen sind. Insbesondere gilt das wohl für Fast- oder Komfortfood. Was Geld allerdings kaufen kann, sind wunder- einfach wundervolle Handtaschen! Und ich bin da keineswegs leicht zu beeindrucken. Eine jedoch hing an einer Frau, die so jung, so arg geschminkt und so sehr böse war, dass es einem eiskalt den Rücken hinunterlief. Ich habe die Tasche sofort fotografiert und bin damit in das ihr zugehörige Geschäft gefahren, was zum Glück nicht weit entfernt war und dort teilte mir der Storemanager freundlich mit, die Tasche, ja, die sei von ihm, aber der Gurt nicht, der sei von einer anderen Firma. Ich habe mich geschämt und muss mich wirklich empören, denn wenn ich einmal, zum ersten Mal in meinem Leben etwas derart nachverfolge, dann möchte ich bitteschön nicht gleich auf solche Schwierigkeiten und Peinlichkeiten stoßen. Da kaufe ich lieber weiter bei meinem Chinesen. Der wollte mir für das letzte Exemplar einer herzförmigen Tasche mit Kette an der Kasse sogar noch einen Preisnachlass machen, aber ich würde vermutlich von dem Geruch beim Tragen ohnmächtig werden. Ist auch keine Lösung.

Fleckenteufel

Eine unbestreitbare Tatsache ist, dass die Menschen in halb volle und halb leere Gläsertypen zu unterteilen sind. Ob generell oder je nach Situation, das hängt von der inneren Stabilität ab. Sind sie völlig gelassene und hochentwickelte im Hier-und-Jetzt-Typen, nehmen sie die Dinge und das Leben einfach hin und werten gar nicht mehr, ja sind sogar absichts- und wunschlos. Möglicherweise gibt es genau einen solchen Menschen auf irgendeinem nepalesischen Gipfel oder er ist Ziegenhirte in einer abgeschiedenen Gebirgsregion. Eine weitere Tatsache ist, dass wir zwar heute jederzeit und immer auf unsere Begierden und Wünsche achten und danach trachten, sie möglichst sofort erfüllt zu haben, aber die allerwenigsten ihre wahren Bedürfnisse kennen, weil das auch gar nicht so einfach ist. Ein Porsche ist nämlich ein Wunsch und kein Bedürfnis. Aber hier schweifen wir ganz eindeutig in die Philosophie bzw. die Psychologie ab und an sich wollte ich ja über meine Kaschmirpullis sprechen.

Ich kann mich in der momentanen Situation nämlich genau zwischen den beiden Gläsertypen entscheiden. Bin ich der halb volle Typ, dann freue ich mich, dass ich bald viele neue Kaschmirpullis kaufen kann, weil Platz im Schrank ist oder bin ich der halb leere Typ und gräme mich über den überproportional gehäuften Schwund an Kaschmirpullis in meinem Leben. Der Schwund tritt nämlich in den letzten beiden Monaten geradezu inflationär auf. Von der Mottenplage in Paris hatte ich ja schon berichtet, nun könnte man von einer Gallseifenplage sprechen. Leider widerfährt mir hin und wieder ein kleines Missgeschick, von dem ich die längste Zeit gar nichts bemerke und fröhlich weiter vor mich hin wurschtle, während meine Vorderfront kleine Schlieren oder Schmutzbätzele aufweist, gerne auch Tomatensoßenspritzer. Denen rücke ich dann mit Gallseife zu Leibe. Was auch fantastisch funktioniert. Die Flecken gehen immer raus. Zurück bleiben dafür weiße, größere Flecken. Von der Gallseife. Auf diese Art habe ich schon einen neonpinken Pulli mit blöden Giltzerschmetterlingsapplikationen benähen lassen müssen, bei einem flaschengrünen ist nichts mehr zu machen und heute habe ich einen meiner ältesten und schönsten karamellfarbenen in ein Entfärbebad gesteckt. Weil’s grad schon wurscht ist, warum ich ihn wegwerfe.

Noch bin ich in der Phase stärksten Haderns und noch nicht wirklich zum Optimismus bereit, es könnte aber sein, dass sich das bei der nächsten Einladung zu einem Cashmere-Sale wie das ja nun neudeutsch heißt, ändert und ich fröhlich und enthemmt wie nie zuschlage. Denn das weiß ich sicher: Kaschmirpullis sind kein Wunsch, sondern ein Bedürfnis.

Sneakers

So, heute wollen wir uns mal einem zeitgeistigen Begriff für etwas Altbekanntes widmen. Dem Sneaker. Ich muss zugeben, dass ich den Begriff nicht wirklich gut kannte, bis er in meiner Familie immer mal wieder hochgeschwappt ist. Ich glaube, ich hatte schon mal erwähnt, dass Sport etwas ist, ohne das ich prima auskomme und das ich auch keinesfalls vermisse, sollte es sich mal nicht einrichten lassen. Von daher kannte ich nur Turnschuhe und die halt auch eher vom Schulsport her. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, ein derart verhasstes Sport-Accessoirce außerhalb des Turnunterrichts zu tragen. Mit 16 dann kam allerdings die Mode der hohen weißen Adidasstiefel, zu denen es eigene Farbstifte zu kaufen gab um die Streifen individuell zu gestalten. Da ich auch damals schon meiner Zeit weit voraus war und leider größere Füße hatte, als es die Schuhindustrie in Mitteldeutschland vorsah, war das natürlich eine exzellenter Ausweichmethode aus meiner modischen Misere.

Aber ansonsten Turnschuhe? Fehlanzeige. Was ich allerdings relativ schnell für mich entdeckt hatte, waren Supergas. Und zwar in weiß und das sollte sich auch bis in die Jetztzeit erhalten. Wenn ich unter zehn Paaren davon, in verschiedenen Verfallsstadien, habe werde ich nervös. Das ist wie bei Nudelpackungen, unter 5 Kilo geht pro Haushalt nichts. Außer in Paris, da würden sie überproportional viel Platz verschlingen und ich müsste sie im Kleiderschrank lagern, was ja natürlich nicht geht, weil da schon die Supergas stehen. Sneakers, Schleicher, kamen und kommen also in meinem Leben bislang nicht vor und ich vermute, das bleibt auch so. Denn letztendlich ist der Sneaker des Turnschuhs Feind und es kommt sicherlich nicht von Ungefähr, dass es in den letzten Jahren eine entschiedene Gegenbewegung zu den Luxusmodellen der mittelalterlichen unter Jugendzwang gibt. Anstatt Valentino-Modelle mit Safaridruck für 550 Euro setzen sich die Klassiker aus dem letzten Jahrtausend in einer sensationellen Neuauflage durch und traben lässig federnd durch die Großstädte.

Denn da fühlen sie sich auch wohl. Dort wurden sie im Alltag als Statement, Auflehnung oder eben als Turnschuh getragen, weil man – zwar im Kostüm, aber mit eben mit Turnschuhen – von der U-Bahn zum Büro laufen musste wie Tess McGill in „Die Waffen der Frauen“ in den frühen Neunziger Jahren. Sneakers hingegen sind die Schuhe, die Frauen ab Mitte vierzig und leider auch Männer, die in Vororten leben, gerne tragen, weil sie meinen, bei maximaler Bequemlichkeit auch noch modisch-lässig zu sein, wenn sie im SUV zum Gartencenter oder in den Tennisclub fahren. Ich finde, das ist eine eklatante Fehleinschätzung. Rätseln lässt mich allerdings das – an sich recht propere – Paar Stiefel, das ich heute Morgen auf der Rue Saint Honoré liegen sah. Hat der Besitzer Fußweh? Neue Schuhe, die er unbedingt gleich anbehalten wollte? Oder ist auch er ein Anhänger bequemer Sneakers geworden und schleicht demnächst neben mir durch die Straßen von Paris?