Liebe Einzellebkuchenversender!

So begann mein Artikel gestern Morgen nachdem ich eine Benachrichtigungskarte zur schlimmsten Postfiliale Augsburgs bekommen hatte und dann tatsächlich mit einem einzelnen aufwändig verpackten Lebkuchen in einer Pappschachtel wieder abgezogen bin. Ich musste dafür auf einen kostenpflichtigen Parkplatz fahren und alles in allem hat mich der Dreckslebkuchen eine halbe Stunde Zeit gekostet. Zwar wird mir die Firma, die ihn mir übrigens auch in einem Luftposterumschlag hätte schicken können, zeitlebens in Erinnerung bleiben, aber nicht zwingend in guter!!! Dann bin ich nach kurzer körperlicher und geistiger Ertüchtigung wieder an den Schreibtisch geeilt und war dann unglaublich produktiv bis ich eine befremdliche WhatsApp von meiner Mutter erhielt. „Was tun wir jetzt am 25.??“ lautete der erstaunliche Text, denn wenn eines sicher ist an Weihnachten, dann ist es die Gans am 1. Feiertag. Was hatte das zu bedeuten?

Drei Fragezeichen später konnte meine Mutter es nicht mehr aushalten und rief mich an, um mir mitzuteilen, dass wir sozusagen im Herzen des Evakuierungsgebietes lägen und zwar jedes einzelne Familienmitglied. Tatsache. In Augsburg, das ja immer saugerne schrecklich absurde Schlagzeilen schreibt, muss natürlich die größte Fliegerbombe, ein Wohnblockknacker, gefunden werden. Zwar sinnigerweise auf dem Grundstück eines von uns oftmals verteufelten Autohändlers und -reparateurs und direkt neben dem Rewe, der nur durch Glück nicht schon vor Jahren von meiner Mutter höchstselbst in Schutt und Asche gelegt worden ist, aber eben doch auch schrecklich nahe an unseren Wohnungen. In der Retrospektive kann ich jetzt genau sagen, wie ein Schockzustand abläuft: einfach weitermachen, langsam immer wieder dran denken, ungläubig sein, fassungslos, Schuldige suchen, jammern, dass es einen trifft, sich vorstellen, wie schön es wäre, wenn es nicht so wäre, handeln. Erst panisch, dann planmäßig.

Dann eine Flasche Prosecco trinken, allerdings mit inzwischen heimgekehrten Mann, der recht ratlos ist angesichts des inzwischen angehäuften Wissens der Ehefrau. Vor allem wegen der damit verbundenen Sorgen, an die er so vielleicht noch gar nicht gedacht hätte und dann völlig k.o. ins Bett sinken. All das ist schon sehr aufregend und wie das im Krieg gewesen sein muss, mag sich kein Mensch ausmalen. Wenn ich, die ich die Woche über alleine bin, mir vorstelle, diese Krisenzeiten immer, unvorhersehbar und alleine – vielleicht noch mit Geldsorgen und Verantwortung für Kinder – bewältigen zu müssen, dann kann ich nur sagen: Hut ab vor den Frauen der Kriegsjahre. Das hab ich mir natürlich schon vorher gedacht, aber denken und fühlen sind eben zweierlei. Mir tun momentan vor allem die ganzen älteren Menschen bei uns im Haus leid. Viele von ihnen haben den Krieg überstanden und werden nun zu Weihnachten wieder davon heimgesucht. Da sieht man mal wieder, dass es sich nicht lohnt, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Zum Beispiel über einzelne Lebkuchen. Lieber warten. Es kommen schon noch größere Dinge, die eine Aufregung noch viel mehr wert sind!

Gestatten: Unsere zauberhafte Weihnachtsknutschkugel!!!

Wir straffen das Weihnachtsprogramm dieses Jahr ein wenig. Montag Advent. Heute Weihnachten. Und obwohl es so dicht beinander liegt, konnte ich mich nicht dran gewöhnen, wie wahnsinnig gut alles im letzten Jahr organisiert und beschriftet wurde. Auf jedem Karton steht vermerkt, was drin ist, Drohungen ebenfalls, was passieren würde, sollte man sie über die sorglosen Sommermonate rumschubsen und so weiter. Heute Morgen beim Sichten der zahlreichen Kartons habe ich Hasenherz wieder alle drei (Umzugs) Kartons gepackt, geschimpft wie ein Bierkutscher und habe die ganze Heimfahrt vor mich hingemault, dass man sie dieses Jahr aber wirklich endgültig mal beschriften müsste, damit diese hirnlose und unstrukturierte Schlepperei mal ein Ende hätte. Kaum zuhause und hochgetragen, sind wir wieder los, um den Baum zu kaufen. Wie vermutlich alle Menschen ohne Kinder es heute tun oder schon vorher getan haben. Aber dann sieht man sich auch ein bisschen ab, finde ich. Wir waren noch vor zehn, gut, vor halb zehn. Das war unser Glück.

Beim Baumhändler unseres Vertrauens, direkt am Kirchvorplatz, habe ich meine Erfolgsstrategie der letzten Jahre verfolgt und kühn noch ein bisschen verfeinert. Und ich muss vorausgreifend sagen: es war genau richtig!!! Kühnheit zahlt sich aus. Sie stellen nämlich völlig zu Recht im Eingangsbereich diverse Protzbäumchen in verschiedenen Höhen aus. Angelockt von diesen und mit dem Erfolgswind der vergangenen Jahre, bin ich mutig vorangeschritten und habe mich fast in die zweite Reihe vorgewagt. Dort stand ein Bäumchen, über das bestenfalls zu sagen war: er ist eine Weihnachtskugel. Man ist schneller drüber als drumrum. Er hat Charakter. Man kann in ihm verschwinden. Vieles kann in ihm verschwinden, wie wir Stunden später feststellen sollten. Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Widerstand meines Mannes und die leichte Skepsis der Verkäuferin haben mich nur noch in meiner Wahl bekräftigt. Innerhalb von geschätzten zwei Minuten waren wir wieder draußen und zugegebenermaßen mussten eineinhalb dieser Minuten darauf verwendet werden, die Kugel durch den Trichter der Netzumwickelmaschine zu stopfen. Mein Mann musste sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Sockel auf der Gegenseite stemmen, damit er nicht umkippt. Und mein Mann ist keineswegs ein Hänfling. Das möchte ich hier mal anmerken.

Zum Glück wohnen wir den Berg runter und auch nicht lange. Dennoch stiegen zu meiner Linken leichte Dampfwölkchen auf…..Zuhause hat er sich sofort heimisch gefühlt, gut, sein Stamm ist noch ein bisschen zu lange und so sieht er eigentlich aus wie einer der köstlich glasierten Liebesäpfel am Spieß. Das Dekorieren sollte sich dann als umso größere Herausforderung erweisen. Der Baum schluckt, so der Vorwurf meines Mannes, Lichterketten! Die drei Hunderter oder noch mehr wurden förmlich aufgesaugt und es hat einige Stunden eifriger Planung gebraucht, sie so zu drapieren, dass das kleine Kügelchen nicht alles gierig verschluckt und nichts mehr nach außen dringen lässt. Dafür konnte ich mich danach mit dem Schmuck so richtig austoben! Und das habe ich nach allen Regeln der Kunst! Ich kann den Baum jetzt noch nicht zeigen, denn es soll erstens in der Weihnachtszeit keinen Neid geben und den gäbe es zwangsläufig und zweitens gibt es Mitleser, die das noch nicht wissen sollen. Alles in allem hat uns die Schmückerei unter den wachsamen Augen von erfahrenen Familienmitgliedern fast in den Alkoholismus getrieben und dafür gesorgt, dass 70% meines heutigen Weihnachtsprogramms unter den Tisch gefallen sind und das ist doch letztlich auch schön. In der staden Zeit.

Banale Gedanken zu Weihnachten

Man hat ja gerne einzigartige Gedanken, ob aus dem Aus- oder Inland. Sie sind aber nicht immer möglich. Zumindest nicht um diese Jahreszeit, die doch alle gleichermaßen mit ähnlichen Themen beschäftigt, was ich nebenbei bemerkt wunderbar finde, weil sie für ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Gesellschaft sorgen und als vereinendes Fundament unserer Kultur gelten können. Aus welchen Motiven ist da fast egal. Auch die folgenden Gedanken zählen bei mindestens 80% der erwachsenen Bevölkerung zum verbindenden Faktor: Das ungläubige Staunen, dass schon wieder Weihnachten ist. Gestern habe ich hektisch, weil alle um mich herum schon voll weihnachtlich dekoriert haben, meinen Adventskarton im Keller gesucht. Adventskränze mag ich nicht, mochte ich noch nie und hab ich auch noch nie gehabt. Sie auch nie vermisst, die nadeligen Biester, die überall, wo sie stehen Wachsflecken und Verwüstung hinterlassen. Nein, ich mag sie nicht. Aber den Rest von Weihnachten schon.

Gestern also, nachdem ich eine vorweihnachtliche Einladung ausgesprochen hatte, bin ich pflichtbewusst und vorfreudig in den Keller geeilt, denn seit mein superordentlicher Mann mit meiner und der Hilfe eines weiteren Ikeaschranks dort für Struktur und System gesorgt hat, sind die alten Schrecken verschwunden und nicht ganz genauso viele nachgekommen. Vorteil der Restrukturierung ist definitiv, dass nur er sich noch auskennt und ich erkenne inzwischen ein gewisses System darin, dass er sich nie in die Küche oder den Haushalt mischt….ich kann einfach ohne ihn nichts mehr im Keller finden, weil ich sofort ertappt und in der Folge übel ausgeschimpft werde, wenn ich eigenmächtig, sagen wir mal, ein Paar Winterstiefel herausfische oder ein kleines Tütchen mit Sommerkleidung für den Secondhandladen in einen freien Regalplatz stelle. Ich hab den Keller noch nicht ganz abgesperrt, folgt die Rüge auf dem Fuße. Man könne nicht einfach alles reinschmeißen, es gibt ein System und weitere Wahrheiten prasseln dann auf mich ein. Und so sind wir gestern gemeinsam in den Keller und haben dort überrascht festgestellt, dass zum Beispiel der Osterschmuck in einem Karton mit dem Weihnachtsmann drauf verstaut ist. Wie äußerst perfide!!!! Und die Drecksküken und Hasen waren auch noch so gut eingewickelt wie es a) Holzkram gar nicht erfordert und b) dass man auch ja lange mit einer Hand, den Karton auf dem Knie balancieren musste. Natürlich war das vollumfänglich meine Schuld.

Nach kürzester Zeit und dem Gesetz, dass es immer der letzte Schlüssel am Bund ist, der passt, hatten wir auch schon den Adventskarton und wie groß war die Freude, nachdem ich ihn mühsam mit Händen und Schlüssel von seiner wirklich sorgfältigen Verschnürung befreit hatte, dass die Beschriftung eins zu eins mit dem Inhalt übereingestimmt hat. Das war eindeutig auch das Werk meines Mannes und ich ungläubiger Thomas bin selbst Schuld, wenn ich den Karton nicht einfach ohne jegliche Kontrolle dankbar schultere und hochtrage. Das soll mir eine Lehre fürs nächste Jahr sein. Aber so viel Ordnung und System macht doch misstrauisch oder nicht?! Während wir also versucht haben, keinesfalls zu streiten oder dem anderen die Schuld für die Verzögerung in die Schuhe zu schieben, hatten wir wahrlich genügend Gelegenheit in Déjà-vus zu schwelgen, dass es doch wirklich erst vor vier Wochen war, dass wir all das so sorgfältig verpackt haben. Und im Stillen hab ich mich erinnert, wie verwundert ich als Kind war, wenn meine Mama oder meine Oma etwas Ähnliches gesagt haben. Ich fand Weihnachten immer ewig weit weg und habe ihm sehr, sehr entgegen gefiebert. Woran liegt das? Haben Kinder ein anderes Zeitempfinden? Weiß das jemand?

Rauchende Colts

Samstag oder Sonntag, je nachdem, wann es Nachbarn noch zuzumuten ist, über oder unter ihnen zu waschen, ist Bügelmorgen. Ich bügle gerne. In einer schnelllebigen Zeit mit oftmals eher unabsehbaren Projekterfolgen bietet Bügeln eine ideale Befriedigung: Hemd aufs Brett, erst Kragen, dann rechts vorne, dann seitlich, dann Rücken, dann links vorne, dann Ärmel, dann fertig. Wunderbar. Nach fünf Hemden und ein paar Hosen ist sichtbarer Erfolg geschaffen und ein gutes Gewissen. Und manchnmal kann die Zeit auch noch prima genutzt werden um sich über die Woche zu aktualisieren oder – huijuijuijuijui – um tagsüber den Fernseher anzuschalten. Ich bin mit dem strikten Grundsatz (nicht kommuniziert, aber vorgelebt) groß geworden, dass Fernsehen und Alkoholkonsum etwas sind, das nach Sonnenuntergang stattzufinden haben und ich bin nicht schlecht damit gefahren. Daytime-TV gab es in unserer Familie nicht und war bei mir immer ganz nahe bei Hartz IV, wobei es natürlich Lebenssituationen gibt, in denen eine gewisse Geschmeidigkeit in Bezug auf solch rigide Vorstellungen nicht schadet.

Egal. Jedenfalls beim Bügeln kann man prima fernsehen. Auch tagsüber, vor allem weil abends ja wohl kein Mensch bügeln möchte. Als ich heute Morgen mein Bügelbrett aufgebaut habe und nach einer Weile bemerkt habe, dass heute eher ein Tag für Fernsehen als für Austausch mit meinem Mann zu sein scheint, lief ein Western. Was hab ich früher Western geliebt!!! Mit meiner Oma hab ich quasi immer Western angeschaut und – jetzt fällts mir auf – früher gab es auch noch viel mehr davon. Bonanza und all das, vor allem mein All-time-Favourit „unsere kleine Farm“ finden sich nur noch zu ganz abartigen Zeiten, zu denen nicht mal ich bügeln würde. Heute Morgen jedenfalls lief „Rauchende Colts“ und ich war hingerissen. Sogar eine Doppel- oder Dreifachfolge. Ich vermute, die Ausstrahlungsrechte sind supergünstig und man kann kleine Kinder und ältere Menschen mit seniler oder juvenlier Bettflucht wunderbar am Sonntagmorgen damit beschäftigen. Mich auch. Ich war so entzückt, dass ich mir an sich eine doppelte Hemdenladung gewünscht hätte. Denn weiterschauen ohne dabei was zu tun ist nicht in meiner DNA. Leider.

Und als diese Nostalgie nicht schon genug gewesen wäre, kamen in der Werbung (die wir früher nicht kannten, nur aus amerikanischen Filmen und wenn dann so eine Lücke an der spannendsten Stelle war, haben wir uns wissend zugenickt, weil wir wussten, sowas müssen nur die Amerikaner erdulden – o tempora o mores!!!) auch noch die aktuellen Weihnachtswerbungen der großen Lebensmitteldiscounter. Und vielleicht ist es nicht nur mir, sondern auch meinen lieben Lesern aufgefallen, diese Spots entwickeln in den letzten Jahren wahren Kultstatus. Warum? Weil es ihnen tatsächlich gelingt, das hochemotionale Thema „Weihnachten“ in seinen vielen Facetten aufzugreifen und zu spiegeln. Sie regt zum Nachdenken an und schafft es, dass Menschen sich in ihr wiederfinden und vielleicht sogar den Geist der Weihnacht erhaschen können. Ob es der Vater und Opa ist, der seine Familie mit einer Todesanzeige zu sich lockt oder die Frau, die furchtbar Angst vor ihrer Schwiegermutter hat – das ein oder andere Gefühl kennt jeder und weiß, dass er damit nicht alleine ist. Und irgendwie ist das wie „Rauchende Colts“ schauen. Die kennt auch fast jeder und das gibt – wie alles Vertraute – ein wohliges Gefühl. Auch beim Bügeln.

Körpersprache

Es heißt, der Körper würde quasi unabhängig von dem, der ihn gemeinhin steuert, kommunizieren. Ganze Fernsehserien beschäftigen sich mit Augenbewegungen, Handhaltungen und anderen vegetativen Reaktionen. Bei Verhören oder in Verkaufstrainings sind Körpersignale schon längst der totale Renner. Wir haben also gelernt, auf Blinzeln, Erröten, Hand- und Fußhaltung etc. zu schauen. Um daraus einen Vorteil zu ziehen. Was wir manchmal noch nicht gelernt haben, ist auf die Signale aus dem eigenen Körper zu hören. Müdigkeit, Blasssein, Übelkeit oder Schmerzen. Glaubt man seinem Körper, ist er dann an einem Punkt, an dem er Erholung braucht. Einen Spaziergang, ein Schläfchen oder einfach nur eine Tasse Tee mit Plätzchen. Er freut sich in der Regel darüber, wahrgenommen zu werden und arbeitet im Anschluss munter mit einem weiter. Ignoriert man die Zeichen zu lange, kann es sein, dass er ruppig und grantig wird und einen niederstreckt. Das endet im schlimmsten Fall tödlich. Warum hört man nicht auf ihn?

Ich kenne ganz viele Leute, die sind superstolz drauf, dass sie trotz Fieber, Schicksalsschlag oder gerade überstandener Krankheit schon wieder joggen gehen, arbeiten oder Weltreisen antreten. Dann haut’s ihnen irgendwann das Gestell zusammen, wie man in Bayern so lapidar sagt und sie sind völlig fassungslos und empört. Wo ist die Grenze? Was ist die richtige Balance? Denn immer nur rumliegen ist ja sicherlich auch keine Option. Wer keine Grenzen antestet, wird sie auch nicht erweitern, aber auf der anderen Seite – muss man das? Vermutlich schon, wenn es doch immer heißt, das Glück läge auch darin, seine Grenzen zu erforschen und dann zu erweitern und in der Erweiterung zu bestehen? Ach, es ist eine schwierige Gratwanderung. Ich habe noch nie davon gehört, dass Menschen, die immer auf dem Sofa liegen und RTL2 schauen, superglücklich sind. Manager in Hamsterrädern natürlich auch nicht. Bauern vielleicht? Die, denen die Natur den Rhythmus vorgibt? Aber dann nur solche, die ihr Land und ihre Kühe nicht vergewaltigen müssen, um EU-Richtlinien zu genügen. Und schwupps sind wir in einer umfassenden Gesellschafts- und Wirtschaftskritik. Und schwupps schon wieder zurück auf der Ebene, die jedem von uns zur Veränderung zur Verfügung steht: Das eigene Selbst.

Und das ist anerkanntermaßen der schwierigste Bereich. Weil er Taten verlangt, statt Worte. Aushalten, dass man in Frage gestellt wird. Denn lebt man nicht auf einer einsamen Insel, wird jede Veränderung – auch die an sich selbst – Fragen und Unsicherheiten im Umfeld aufwerfen. Und Versuche, die Person, die man zu kennen meinte, wieder zurück in die bekannten und sicher vertrauten Bahnen zu schubsen. Einen neuen anderen Weg mit ihm zu gehen, würde ihn auf den Kern seines Wesens reduzieren, der ja trotz aller Änderungen gleich geblieben ist, aber den nur die Allerwenigsten kennen, weil sie gar nicht zu ihm durchkommen möchten oder können. Weil meistens nur die jeweiligen Kerne der Menschen miteinander sprechen können. Hülle und Kern finden nicht zueinander und weil so viele Menschen nicht durch ihre eigene Hülle hindurch zum eigenen Kern kommen, bleibt es oft bei Hülle zu Hülle. Und dann verstehen diese sich nicht mehr. Logisch. Die Menschwerdung jedoch – so habe ich erst neulich wieder gelesen – sollte uns das wichtigste Lebensziel sein. Warum? Was tun wir damit? Ich denke da jetzt einfach noch weiter drüber nach. Und ihr müsst mitdenken, weil ich meine jeweiligen Fortschritte sicher immer wieder aufschreiben werde. Vor allem jetzt in der staden Zeit. Aber für wen ist die eigentlich stad? Auch diese Pause wird von den Wenigsten genutzt.

Hurra, Schnee im Advent

Genau genommen haben wir schon Advent. In acht Monaten ist Weihnachten und tatsächlich ist es heute wesentlich kälter und verschneiter in Bayern als es vor vier Monaten war. Unerschüttert habe ich dennoch die Strümpfe weggelassen, einen Kurzarmpulli an (allerdings mit Rollkragen) und ein kleines Cape drüber. Und um uns ein wenig warm zu bekommen sind wir zu unserer Einladung gelaufen, denn ganz ehrlich: über eine solche Strecke würden wir in Paris nur kichern. Man wird – entsprechend der Dimension einer Stadt – einfach faul, wenn man das Gefühl hat, von einem zum andern Ende zu laufen. Da unser gesamtes Wochenende aber sowieso unter einem sehr aktiven Stern stand, war es nur logisch, dass wir es mit einem Winterspaziergang gekrönt haben.

Zeitreisen jeder Art waren das Motto des Wochenendes: die erste ging zu Ikea, wo wir feststellen mussten, dass sich in den letzten Jahren schon ganz schön viel geändert hat. Es gibt jetzt Steckschrauben und keine Imbusschlüssel mehr. Außerordentlich praktisch. Und seitdem habe ich einen Keller, der einmal mehr zeigt, dass Computerspiele wie Tetris lebensunterstützende, wenn nicht gar lebensvorbereitende Spiele sind. Übrigens habe ich in diesem Zusammenhang meinen Dampfreiniger, dem ich sogar mal hoffnungsfroh einen Blogbeitrag gewidmet hatte, nach einmaligem Benutzen (und der war teuer!!!) unserem Haus- und Hof-Flohmarktverkäufer vorbeigebracht. Zusammen mit wunderbar langen Skiern und scheußlich schmerzenden Skistiefeln. Sehr befreiend so eine Ausräumaktion.

Und als Belohnung zu all diesen unfreiwilligen klimatischen und ordnungstechnischen Zeitreisen kam dann die schönste am Abend: ein Treffen mit ehemaligen Kommilitonen nach 25 Jahren in unserer Stammkneipe. Außer ein paar Haaren hat sich kaum etwas verändert. Es war einfach herrlich. Genau wie früher. Keiner hat das Spiel: Mein Haus, mein Pferd, mein Park gespielt, wir haben uns einfach unterhalten und fürchterlich gefreut. Frühling halt doch die staade Zeit, in der man sich gemütlich zusammensetzt.

Frohe Weihnachten

Ihr Lieben da draußen, ich wünsche Euch ein Frohes Weihnachtsfest, denen, die nicht feiern einen schönen Abend mit Freunden oder dem einzigartigen Fernsehprogramm, in jedem Fall einen schönen friedvollen Abend!
Weihnachten muss ja auch nicht zwingend an diesem einen Abend stattfinden. Gestern beim Yoga hat unser Lehrer alles mal ein wenig anders gemacht, Beginn mit einer liegenden Meditation und lauter solche Scherze, als hätte man nicht genug Außerderreihenes in diesen Tagen. Es ging so weiter bis zur Schlussentspannung (im Liegen). Wir lagen also alle da, über jedem Kopf ein kleines Wölkchen: Hab ich jetzt genügend Soßen? Hab ich ein Geschenk für….? Was, um Himmels Willen, hab ich vergessen? als sich auf einmal ganz leise Musik in unsere Ohren schlich. Am Anfang kaum zu hören, dachte ich, sie käme vielleicht von Zumba über uns, die uns immer so ein schlechtes Gewissen machen, weil sie 900 Kalorien in der Minute verhüpfen, aber dann wandelten sich die leisen Klänge zu einem Chor, der „Adeste Fideles“ singt und dann war tatsächlich Weihnachten. Die meiste Energie ist bei mir allerdings drauf gegangen, nicht lauthals loszuschluchzen. Beim Augenaufmachen war mir klar, ich hätte mir darüber keine Gedanken machen müssen: wir haben uns alle die Augen gewischt. Und mit diesen Gedanken, dass jeden Moment im Jahr Weihnachten sein kann, lasse ich euch in den festlichen Trubel ziehen und wünsche Euch von Herzen, dass ihr den Geist von Weihnachten spüren könnt. Egal wann und egal wo.

Projekt Weihnachten

Dieses Jahr habe ich mir für die Weihnachtsplanung Hilfe beim Experten geholt. Nicht dass ich Weihnachten groß in Stress gerate, aber irgendwie muss ich ja auch meinen Mann für die Planung begeistern, da er überraschenderweise die Tage vor Weihnachten hier verbringen wird, was mich sehr freut und da ist es doch besser, in seiner Alltagssprache an das Projekt Weihnachten heranzugehen.

Wir haben also zunächst in einem „go-nogo“ – Gespräch festgelegt, dass Weihnachten stattfindet und zwar hier und haben dies mittels eines Transaction Introductory Report an die Familie kommuniziert. Im nächsten Schritt haben wir ein MOU erstellt, ein Memorandum of Understanding, in welchem unsere grundsätzlichen Vorstellungen von dem Projekt Weihnachten zusammengetragen und abgestimmt worden sind. In einem Kick-Off-Meeting haben wir die Ziele der Veranstaltung (nach einem aufregenden Jahr alle zusammen sein, um möglichst viel zu essen und zu trinken) mit den Projektteilnehmern besprochen. Manchen Teammitgliedern musste erst mal deutlich vermittelt werden, dass sie gefälligst auf eine Anwesenheit hinarbeiten und sich plagen sollen, dies sicherzustellen, was in Einzelfällen gar nicht so einfach war.

In einem weiteren Settlement Meeting wurden kurzfristige Ausbüchsversuche geklärt, auf neue Situationen reagiert und der ursprüngliche Beschluss bestätigt und gefestigt. Um unabhängige Drittmeinungen einzuholen, haben wir uns sehr regelmäßig mit lieben Freunden zu einem Board bzw. Investment Komitee zusammengeschlossen und einen Erfahrungs- und Planungsaustausch in aufreibenden Abendessen abgehalten, damit das Projekt auch wirklich von allen Seiten durchleuchtet wird. Ich habe zwischendrin meinen Mann mal gefragt, wann eigentlich alles eingekauft und aufgebaut und geschmückt wird? Das, so sagte er weise, würde selbstverständlich dazwischen geschehen und so habe ich also noch bis zum 22. / 23. Dezember Zeit, denn dann findet das Preclosing Meeting statt, an dem Unvorhergesehenes und noch zu Erledigendes besprochen wird. Als uns persönliches Financial Close haben wir den 24. Dezember festgelegt. Frohe Weihnachten!

Hinfallen, aufstehen, Krone zurechtrücken, weitermachen

Nichts ist so schlimm, dass nicht auch was Gutes dabei herauskommt. Das sagen unerschütterliche Optimisten gerne. Wenn sich ein Rechtshänder den rechten Arm bricht und mit links schreiben lernt, wenn nur noch ein bisschen Speck und ein Ei im Kühlschrank ist und man endlich lernen muss, eine Carbonara zu machen und bei vielen anderen Gelegenheiten, bei denen man eher zum Hadern neigen würde. Und ich finde, es ist auch beim Weltklimagipfel und seinem Vertrag vom Wochenende so. Dieser Vertrag – lange errungen – muss so toll und einig sein, dass die Welt darüber staunt. Und egal, ob er Punkt für Punkt eingehalten wird, zählt doch die Einstimmigkeit und Einigkeit, die ihn hervorgebracht hat.

Das Fass für Terror und all die fürchterlichen Missverständnisse und Gewaltnickeligkeiten auf der Welt – und damit meine ich auch die kleinen, die missgünstigen – ist wohl doch voll gewesen, als dieser Klimabeschluss gefasst wurde und nach der Schockstarre und dem Entsetzen hat sich die einzig menschliche Überlebensstrategie herausgeschält: Trotz, Kampfgeist und das Wissen um die eigene Macht. Die Macht zur Veränderung, die Macht, die Dinge in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Dem Terror des Augenblicks stehen wir hilflos gegenüber und er lähmt uns, umso wichtiger ist es, sich immer wieder hochzurappeln, seine Ziele wiederzufinden und weiterzumachen.

Das kennt jeder im Kleinen, ob nach einem Schnupfen oder Liebeskummer. Immer gibt es Phasen und die wollen auch alle durchlebt werden, Abkürzungen helfen da nicht weiter, die Phasen achten eifersüchtig darauf, dass sie alle auch wirklich dran kommen und gebührend gewürdigt werden, sonst drängen sie sich in andere, spätere hinein und verursachen ein Mordsdurcheinander. Um bei den Phasen zu bleiben: ich habe Weihnachten, obwohl ich es so sehr mag, bisher sträflich vernachlässigt, aber ab heute läute ich meine persönliche Weihnachtszeit ein. Die Phasen müssen eingehalten werden, nicht dass ich zu Ostern noch Weihnachtslieder singe….

Notti magiche

Gleich vorweg: das Mottofest war herrlich, ich als Meerjungfrau natürlich auch. Habe meiner Legende als Meereswesen auch alle Ehre gemacht und mich am Fuß verletzt. In der Fassung, die ich von der kleinen Meerjungfrau kenne (die weit weniger tragisch ist als die eigentliche, wie ich jetzt festgestellt habe), hatte die kleine Meerjungfrau ja auch Schmerzen als würde man ihr mit dem Messer in die Füße schneiden. Ganz so schlimm ist es nicht, es war lediglich ein spitzer Absatz auf meinem Fußrücken. Aber was sind das für schöne Feste, auf denen noch getanzt wird! Einfach traumhaft und wenn dann noch Lieder kommen, die emotional aufgeladen sind wie eben ‚estate italiana‘ mit den notti magiche von der WM 1990 und ein verkleideter Luca Toni und ein Italiener da sind, dann liegen die sich natürlich sofort in den Armen und schwelgen.

Emotional aufgeheizt ist auch die sich anbahnende Lebkuchenzeit. Von randalierenden Hausfrauen und wütenden Twitterkommentaren (gibt es da eigentlich auch mal was Nettes oder schimpft da einfach jeder vor sich hin und macht solche #Aufschrei-Geschichten??) ist da die Rede. Davon dass Pappaufsteller mit Lebkuchenwerbung angezündet und Wareständer im Supermarkt absichtlich umgeworfen werden. Und das alles nur, weil die Weihnachtsspezialitäten schon im Regal stehen während draußen noch Badewetter herrscht. Derweil kommen sie angeblich jedes Jahr um dieselbe Zeit heraus und Lebkuchen sind längst keine Weihnachtsspezialität mehr, sondern ein Herbstgebäck. Weiß ich aus der Süddeutschen.

All das mutet paradox an angesichts der Sorgen, die wir – gerade im Süden Deutschlands – momentan haben. Vermutlich sind jedoch Rituale gerade in turbulenten Zeiten besonders wichtig. Ich komme immer wieder auf die routineverliebten Basalganglien zurück. Die wollen ständig ihre Routinen abarbeiten und sich nicht fragen, ob es auf der ganzen weiten Welt eigentlich noch irgendetwas Positives und Schönes gibt, an dem man sich guten Gewissens erfreuen kann. Angesichts der gravierenden Probleme allerorten. Ein Kindergeburtstag vielleicht? Wie gut, dass heute einer ist.