Erste Strumpfhose

Heute war es soweit: Nachdem ich letzte Woche – aufgrund brillanter Wettervorhersagen – mit blau gefrorenen Beinen und Füßen (ja, auch wir in Bayern können – die Betonung liegt auf „können“ dazwischen unterscheiden! – rumgelaufen bin, war es mir heute Morgen nach einem Blick auf die beschlagenen Scheiben dann doch zu blöd und ich habe mich ergeben und Strumpfhosen auf meine immer noch wunderbar gebräunten Beine angezogen. Was das für die Bräune und den Frust bedeutet, muss ich wohl niemandem sagen. Erstens ist es bei Strumpfhosen wie bei weißen Handtüchern, an denen einem erschreckend deutlich wird, wieviele Hautschuppen man wohl täglich verliert und wie schnell die sauer und teuer erarbeitete Hautpigmentierung im wahrsten Sinne den Bach runter geht und zweitens sind die ersten Strumpfhosen ein resignatives Eingeständnis, dass die Sommerzeit wohl endgültig zu Ende geht und dass nun wieder viele, viele Monate Strümpfe folgen. Bis die Allertapfersten unter uns sie im April, Mai wieder weglassen (zwar auch zum Teil blau gefroren, allerdings mit Optimismus!).

Meine heutige saisonal erste Strumpfhose habe ich mit der gleichen Todesverachtung übergezogen wie schon als Kind. Es zählt – und da bin ich nach einigen Recherchen im Freundeskreis keineswegs alleine – zu den traumatischsten Kindheitserlebnissen, eine Strumpfhose unter einer Hose angezogen zu bekommen und zu tragen. Bei mir kam noch die Mehrfachbelastung mit der Bluse unter dem Pulli hinzu. Dies alles in den Siebziger Jahren, als die Pullovermode auf engen Ärmeln bestand. Ein Graus. Sah hübsch aus, gar kein Zweifel, aber das Rumgezupple hat meiner Cousine und mir Wut- und Verzweiflungstränen in die Augen getrieben. Heute jedoch habe ich es schlau gemacht und zur ersten Strumpfhose das erste Mal ein neues Kleid getragen, dies allerdings unvernünftig ohne Unterhemd, was ich zutiefst bereut habe, aber das Hemdchen soll seinen gesonderten Premierenauftritt haben. Da muss man schon gerecht sein. Es hat schließlich ebenso lange im Schrank gelegen und sich womöglich ungeliebt und vergessen gefühlt. Und damit sogar für ein paar wenige Monate Recht gehabt.

Ärgerlich an der ersten Strumpfhose und dem ersten Hemdchen ist nur eines: wenn die Natur dann herbstgemäß beschließt, einem saukalten Morgen mit Raureif einen wahnsinnig warmen Mittag und Nachmittag folgen zu lassen. Und wer schon einmal in Strumpfhosen und mit Unterhemd in der Sonne saß, weiß, wovon ich spreche. Was also tun? Zügellos alles von sich werfen? Das ginge im Moment zwar noch, weil die Beine braun und die Schuhe passend sind, aber wie lange noch? Spätestens im Goldenen Oktober ist damit Schluss. Käsige Beine unter naturgemäß kürzeren Herbst- und Winterkleidern sind nunmal ein Unding. Andererseits, diese Gefahr scheint zumindest im Moment gebannt, es zieht schon wieder zu und ich denke, ich ziehe mir noch ein Strickjäckchen über. Geht halt doch auf Weihnachten zu. Übrigens: das auf dem Foto sind nicht meine bestrumpften Beine. Für sowas hab ich eine eigene Kategorie in meinem Fotoprogramm.

Ich will jetzt Herbst

Um mich herum tirilieren die Menschen, die gerade erst aus ihrem schulferienmotivierten Urlaub zurück gekommen sind, wie schön warm es noch ist und wie nahezu wunderbar diese Tage mit der nicht enden wollenden Hitze sind. Ich möchte an dieser Stelle mal sagen: Es ist jetzt Herbst, wir hatten einen ewig langen Sommer mit irrsinnig vielen Sonnentagen und jetzt ist auch mal gut. Es muss einfach mal gut sein. Graue Wolken alleine reichen mir nicht, ich möchte es auch kalt haben. Zumindest kühl und windig. Ich finde diese Hitze unerträglich und total doof. Ich möchte Herbstsachen anziehen, Jacken, andere Schuhe, denn Sandalen und Sommerfähnchen gehen jetzt eh nicht mehr, derweil ist es für alles andere einfach zu heiß.

Da kann und muss man doch einfach zornig werden. Ist doch alles völlig widernatürlich so eine idiotische Hitze im Herbst. Ja, ich weiß, ich habe letztes Jahr noch sehr entzückt über den Altweibersommer geschrieben, aber da hatten wir auch nicht diesen andauernden Sommer, der einige von uns schon ganz wuschig gemacht hat. Jetzt geht man morgens für die grauen, bleiernen Wolken gekleidet aus dem Haus, die dann zuverlässig gegen Mittag den blauen Kuhflecken weichen und eine stechende ungesunde Sonne durchlassen. Da ist man aber schon angezogen für die vierzehn Grad am Morgen, die ich persönlich auch gerne halten würde über den Tag. Und ab dann wird es einem immer heißer und heißer und heißer. Und das Mitte September.

Um mich herum heißt es, es gäbe sicher einen ganz, ganz kalten Winter, aber das glaube ich nicht. Wird bestimmt voll warm. Bin verärgert. Habe die Terrassentüre auf und mir ist heiß. Ich will aber nicht mehr draußen sitzen. Nicht mehr jetzt. Nächstes Jahr wieder. Ich weiß, ich bin alleine mit dem Wunsch. Das macht es noch viel schlimmer.

Danke, Ciao, Salut – ich glaub, er geht jetzt endgültig

Es gibt ja Menschen, die verabschieden sich fast so lange, wie sie eigentlich da waren. Ich hab so eine Bekannte, die erst beim Aufwiedersehensagen so richtig warm läuft. Stunde und Stunde habe ich schon – höflich und fast schlafend – mit ihr im Auto vor meiner oder ihrer Haustüre gesessen. Ich bin ein krasser (das Wort war mal ein ganz normales deutsches Wort möchte ich anmerken, es stammt NICHT aus dem Türkischen) Verabschieder oder wie ein Aspirant einmal nach meinem medaillenverdächtigen Sprint zum Auto anmerkte: ein Verabschiedungsflüchter. Ich hatte in meiner Kindheit zu viele Abschiede und habe sie fürchten und hassen gelernt, manchmal auch lieben.

Dieser Sommer jedenfalls, dieser wunderbare, herrliche Sommer, hat auch etwas von meiner Bekannten. Er wollte und wollte nicht gehen. Und heute wissen wir, warum. Er war ein ganz besonders verantwortungsbewusster und zuverlässiger Gast, der genauso lang bleibt, wie man es von ihm erwarten darf. Bis zum meteorologischen Herbstbeginn heute. Und welche Freude hatte er mitgebracht. Zuerst hat er es spannend gemacht, ob er überhaupt kommt, hat sein Kommen erst mal strikt abgelehnt, dann so oft angekündigt und vertröstet, dass keiner mehr so recht daran glauben wollte, dass das noch was wird. Und dann. Und dann das. Ein Traumsommer, der so lange war, dass er wie es in romantischen Liedern oder Gedichten so gerne heißt, endlos erschien und Sonnentag für Sonnentag aufeinander folgten.

Sorglos konnte man sich auch für den nächsten Tag zum Baden verabreden (übrigens war mir wirklich nicht klar, welche Bade-Traumata um mich herum sind, ich war immer nur mit Freund baden, gab da an sich nie Ärger, ich hatte eigentlich zur Badezeit immer einen Freund, an sich auch blöd, aber er hatte eine Mama, die ihm immer Schinkenbrote mitgegeben hat), konnte unbeschwert mit dem Rad losziehen und nachts die Balkontüre auflassen. Es war ein Sommer, wie unsere Großmütter und Mütter ihn angeblich immer erlebt haben. Wenn ich dereinst meinem Patenkind von unseren Sommern berichten werde, dann wird mir dieser bestimmt auch besonders in Erinnerung bleiben und das arme Kind wird sich grämen, wenn es mal im Juli regnet.

P.S. Start frei für Prunkschaf!

Urlaub vom Urlaub

Unser Urlaub die letzten Wochen entsprach, wie ich erfreut mitteilen kann, eins zu eins dem Zeitgeist des mobilen, freiwillig und intrinsisch motivierten Alltime-Workers. Arbeit ist ja längst über das Stadium hinaus, wo sie dem Gelderwerb dient, sondern zum Hobby des Mannes geworden, der nicht für die Großwildjagd bezahlen möchte. Weder mit seinem Image noch mit seinem Geld. Stattdessen verfolgt er Tag für Tag Deals, pirscht sich an, lauert der Beute auf und verscheucht andere Jäger durch schreckliche Drohgebärden oder indem er sie in Erdfallen lockt, in denen Giftschlangen oder der sichere Verdurstungstod auf sie lauert. Dementsprechend und weil die Beute vielleicht andere Urlaubszeiten hat als der Jäger oder sich nicht an die vereinbarten hält, muss der Urlaub regelmäßig sporadisch unterbrochen werden.

Entweder mit kleinen Polenausflügen (ich habe berichtet) oder – und das in jedem Fall – durch regelmäßigen Kontakt mit Mitjägern, gegebenenfalls sogar mit Treibern oder Jagdhundführern. Für diese Woche allerdings haben Beute, Jagdgesellschaft und Jäger eine Waffen- und Jagdpause beschlossen und so können wir uns vollumfänglich – ich komme selbst auch nicht mehr ganz raus aus der Terminologie, obwohl ich mir alles immer erst mühsam aus dem Englischen übersetzen muss – dem Urlaub widmen. Und damit der Übergang für meinen Jäger nicht allzu krass ist (kann man dieses Wort eigentlich noch verwenden? Auch das ist inzwischen konnotativ derart belegt, dass man ins Zweifeln kommt), gehen wir auf mein Betreiben (haha) die Sache ebenso ernsthaft an wie die Jagd selbst. Allerdings erst, seit ich weiß, dass der echte Urlaub nur eine Woche ist. Denn echter Urlaub ist, zumindest in meinem Hausfrauenkopf, ununterbrochen.

Wir stehen also früh auf, was mir entgegenkommt und wofür ich auch in erster Linie verantwortlich bin und sausen an den Strand, weil ich ich, wie schon oft erwähnt, meine Basalganglien dann arbeiten, bzw. ruhen lassen kann und mich der morgendlichen Freude am Eintrudeln und Geplausche derer widmen kann, mit denen ich mehr oder weniger meinen Tag verbringen werde (ich habe berichtet). An einem Tag wie heute, wo es schon morgens empfindlich durch die Vorhänge pfiffelt und selbst mein stahlgehärteter Jäger nur einmal unwillig grunzt, wenn ich ihm ein weiteres Deckchen überwerfe, dann schauderhafte Gewitter und Regenstürme herunter kommen, da kann man dann mal wirklich ruhen. Und Urlaub vom Urlaub nehmen. Oder endlich – hélas – seine Emails checken, denn die Jagd hört niemals auf.

Regen im Urlaub

Eigentlich bedeutet Regen im Urlaub, vor allem im Strandurlaub, den Start für echten, wirklichen, zwangsverordneten Urlaub. Kein Mensch muss dann mehr an den Strand, sich sonnen oder sonst irgendwelche wilden Outdoor-Aktivitäten unternehmen, wenn man denn Solches überhaupt im Urlaub geplant hatte. Heute am Strand, nach einem ausnehmend guten Mittagessen, als ich gerade in einen komatösen Post-Gamberoni-Schlaf hinübergleiten wollte, dachte ich: Donnerwetter, der Rotzbub soll jetzt endlich aufhören, seine Schwester unter der Dusche anzuspritzen, spritzt ja schon bis hierher (erste Reihe hat auch ihren Preis!). Aber es war Regen. Und da ich nicht wegen einer halben Stunde alles umräumen und ins Hausele ziehen wollte, sind wir nach Hause gefahren.

Hier müssen wir uns jetzt richtig zur Ordnung rufen, dass mein Mann nicht zwanghaft beginnt zu arbeiten und ich werde nach diesem Blog auch sofort wieder den Computer weglegen. Stattdessen muss ich vermutlich mein Schläfchen vom Strand nachholen und vielleicht ein bisschen lesen. Ich hatte nach dem letzten scheußlichen Groschenroman die Eingebung, ein Buch wieder zu lesen, das ich schon tausend Mal gelesen habe und weil das so ist, finde ich es blind und kann auch ganze Sätze mitsprechen beim Lesen – falls ich das wollen würde, was nicht immer der Fall ist. Aber ich könnte es.

Mit so alten Büchern ist das wie mit ewig langen Ferientagen, sie sind so beruhigend, weil sie immer gleich sind. Man kann sich in sie reinplumpsen lassen und sie tragen einen durch die Zeit. Vielleicht fallen sie auch unter die Regie der Basalganglien? Das würde erklären, warum sie so erholsam sind. Gewohntes ist einfach erholsam. Zwischendurch, in einer sehr heißen Periode, kann jedoch auch das Ungewohnte, der Regen, unfassbar erholsam sein. Ich wünsche dem tropischen Bayern und seinen Bewohnern auch ungewohnten Regen und Kühle. Sollte dieser sich nicht einstellen, kommt nach Rom, hier ist es schön frisch!

Ferien

Ich sitze am Flughafen und bin viel zu früh da. Nach meinem Trauma letztes Jahr und dieses Jahr von Rom nach Paris, bin ich ganz auf die Linie meiner Mutter eingeschwenkt und studiere lieber jede einelne Bodenfliese des Flughafens als nochmal in so einen Stress zu gelangen. Sicher, wenn man es terminlich nicht vorher schafft, ist das was Anderes, aber ich habe hier genauso WLAN wie zuhause und kann munter vor mich hintippen. Weißwurstgeruch umwabert mich, ich kann mich beim Zuhören am Nebentisch schon mal auf Rom einstellen, denn da bespricht eine fröhliche Gruppe von zähneklappernden Italienern, dass sie die nächste Zeit sicher keine Zudecke mehr brauchen werden. Wie wahr. Ich kann mir das im Moment noch gar nicht vorstellen, denn es ist so frisch, dass ich um Schließung der Türe gebeten habe.

Wider jegliche Erfahrung ist es mir leider auch heute noch nicht möglich, mir vorzustellen, dass am Zielort die Temperatur signifikant anders sein könnte als an meinem Abreiseort und meiner dortigen Befindlichkeit. Es ist mir intellektuell natürlich durchaus klar, dass es momentan in Rom heißer ist als in Augsburg und dass 34 Grad sich anders anfühlen als 20,5, aber wirklich verstehen tut es meine Gänsehaut nicht. Das wird sich ändern, wenn ich in Rom meinen Kaschmirschal von mir werfe. Aber bis dahin bereue ich bibbernd, dass mein Koffer so voll ist mit Kleidchen und nicht Strickjacken.

Die Vorstellungskraft der meisten Menschen ist doch immer sehr ans Hier und Jetzt gekoppelt, zumindest wenn es um Gefühle geht. Kein Teenager konnte sich beim ersten Liebeskummer vorstellen, jemals wieder glücklich zu werden, kein Kind – hat es erst mal den süßen kleinen Hasen -, dass es ihm je zu viel werden könnte, den Stall auszumisten und bei manchen Menschen festigt sich die Erfahrung mit sich selbst und dem Leben gar nie und sie sind immer wieder felsenfest überzeugt, dass sie es easy schaffen, zwanzig Minuten nach Büroschluss in der Stadt zur Verabredung zu sein oder wirklich mal zwei Wochen Ferien zu machen.

Beschwerdestelle 2

So, weil ich heute völlig übermüdet bin und daher gedankenlos, wollte ich mich sozusagen auf ein gemütliches altes Sofa fallen lassen und übers Wetter schreiben. Das geht immer. Vor allem, wenn man ein solches hat wie wir. Aber dann dämmerte es mir durch mein müdes Köpflein, dass ich davon schon einmal Gebrauch gemacht habe. Und zwar am 15. Mai letzten Jahres. Ja, wie anspruchsvoll war ich denn da? Was hab ich denn erwartet im Mai? Etwa Sonne? Etwa Wärme? Um Himmels Willen, wie dankbar wird man im Laufe der Jahre, der Monate, der verregneten Sommer. Im Mai waren wir ja noch demütig und dachten, gut, ist noch kein Sommer, wird schon noch. Aber jetzt, Ende Juni, wo wir sogar den längsten Tag schon hinter uns gebracht haben, übrigens sogar einen besonders langen kalten Tag, wenn ich das mal erwähnen darf, jetzt könnten wir doch langsam ein bisschen Sonne, Wärme, Licht bekommen? Nein?

Letzte Woche bei dieser Oldtimerrallye hätte ich fast ein teures altes Auto zu Schrott gefahren, weil der Fahrer – aus Hannover – allen Ernstes meinte, ach, wie schön, hier in Bayern habt ihr Regen, bei uns ist alles verdörrt. Hat der Mann kein Hirn? Keinen Funken Empathie? Angeblich war er Zahnarzt, da wundert einen ja nichts. Dennoch. Sollte es irgendeinem meiner lieben guten treuen Leser zum Trost gereichen, meine Ausflüge der letzten Wochen haben Folgendes ergeben: In Rom einen breiten Kaschmirschal erworben, in Padua einen dicken Pullover und in Paris habe ich nun meine flauschigen Winterhoppelhosen wieder hervorgekramt und liege unter einer Wolldecke, es ist einfach überall kalt.

Ab morgen soll es schöner werden, aber spätestens morgen wird mich meine Mama auch wieder dahingehend informieren, dass in einem halben Jahr Weihnachen ist und es eigentlich ab jetzt morgens schon wieder herbstlich kühl ist. Sie kann halt nichts abwarten. Allerdings sollte sie besser sagen: Sommerlich kühl. Denn ich kann mich ebenfalls an meine jubelnden Beiträge zum Altweibersommer erinnern. Die waren – meine ich – im Oktober.

Wetter.de

So, noch genau 18 Minuten hat das Augsburger Wetter, um wenigstens einmal eine Vorhersage einzuhalten. Nachdem das Wochenende über nicht allzu viel gestimmt hat, soll es ab 20.00 Uhr zu 100% regnen. Solche Vorhersagen halte ich angesichts der unfassbar schlechten Trefferdichte für ausgesprochen kühn. Überhaupt beschleicht mich mit zunehmender Technik und meteorologischer Ausgefuchstheit immer häufiger der Verdacht, dass die Verantwortlichen verängstigt von all der Technologie und Computerdominanz zuhause oder im Büro sitzen, die Vorhänge beiseite schieben, aufs Thermometer schauen und die Wolken/Sonnenlage prüfen. Das schreiben sie dann in die jeweiligen Apps.

Seit es die Stadtteil- und Straßenvorhersagen gibt, ist das natürlich noch viel ärger geworden. Jetzt müssen sie ihre Kumpels in der Nachbarschaft dauernd zu einem Bierchen einladen, weil die auch immer mal wieder aufs Thermometer schauen müssen. Werden längerfristige Vorhersagen gebraucht, wird entweder ein betagter Bauer gefragt oder eine Krake oder eine Schildkröte, wenn die gerade keine Fußballergebnisse vorhersagen müssen. Auch Würfeln hat sich als gut erwiesen oder man verwendet einfach die Werte aus einem anderen Bundesland von der Vorwoche.

So fair ich auch sein möchte, ich habe jetzt die Spülmaschine eingeräumt, die blöde Espressotasse weggeworfen, mit der mein lieber Mann sich gerade verbrüht hat, weil der Henkel abgebrochen ist, die Kaffeeflecken vom Boden gewischt, die Tischdecke in die Waschmaschine, kurzum, ich habe mordsviel getan, damit der Wetterbericht sich mit seinen 100% nicht blamiert. Jetzt schaue ich nochmal nach, ist bestimmt schon wieder korrigiert, Moment. HA!!!!!!! Ist jetzt bei 60%. 21.00 Uhr ist jetzt bei 100%. Und irgendwann, wenn es dann wirklich regnet, stimmt es ja auch. Hätte ich das gewusst, hätte mein Mann sich nicht verbrüht, weil wir essen gegangen wären. Frechheit. Der Wetterdienst hat’s echt genau beinander.

P.S. Sechs vor neun. Immer noch 100%. Immer noch trocken. Peinlich.

P.P.S. Viertel vor zehn. Tatort geschaut. Jetzt erst richtig investigativ auf der Spur. Für 22.00 Uhr 100% Regen. Immer noch alles trocken. Da bleib ich jetzt dran. Hoffentlich tröpfelts mal ein bisschen, bin schon sehr müde von der Radelei heute. Würde gerne schlafen. Aber das geht jetzt echt nicht mehr.

23.00 Uhr 100%. 22.00 Uhr trocken.

Lässige Haare, lässige Bahn, einfach lästig

Offenbar kreisen Gedanken wirklich universell durch die Welt. Wenn ich nur lange genug in meinem Kopf krame, fällt mir auch wieder ein, wie das heißt. Issue-Management. Es bezeichnet – sehr plakativ verkürzt – das unternehmerische Management auftauchenden Themen und Interessen zu ähnlicher Zeit an verschiedenen Stellen der Welt und Gesellschaft. Sensibilität könnte man es wohl auch nennen. So werden oftmals Erfindungen gleichzeitig an mehreren Orten gemacht und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, wer als Erster fertig ist. Das Telefon wird wohl diesbezüglich ein ewiger Streitpunkt sein. Was ich sagen möchte ist, es erstaunt mich jedes Mal wieder, wenn ich meine, einen einzigartigen Gedanken zu haben und ihn dann fast zeitgleich woanders lese. Zum Beispiel heute in der SZ. Dort geht es in einem Artikel um die Lässigkeit und dass ja immer alles lässig und unaufgeregt, gar zufällig sein soll. Nichts darf teuer sein oder offensichtliche Sorgfalt beinhalten. Wie eben beim Kochen. Oder beim Anziehen. Oder bei den Haaren. Ist doch jetzt der französische Haarstil highly en vogue, bei dem es chic ist, das Haar mit Mittelscheitel in Wellen zu tragen. Halt genauso wie ich aussehe, wenn ich es nicht föhne. Eigentlich schön, dass das jetzt endlich in Mode kommt. Ist dann wohl der Streetstyle.

Apropos Streets: Ich möchte an dieser Stelle auch sehr gerne meine Meinung zum aktuellen Bahnstreik und dem Krisenmanagement der Bahn loswerden: ES IST EINE UNVERSCHÄMTHEIT! Auf der Bahn.de-Seite steht vollmundig, man könne Live-Auskünfte ab 12 Stunden vor Fahrtantritt erhalten. Und wenn jemand um halb sechs in Paris losfährt und einen Anschlusszug in Stuttgart braucht, dann wäre jetzt um 17.45 doch wohl eigentlich genau der richtige Zeitpunkt für eine zuverlässige Auskunft. Aber nein, darüber können laut Bahn noch längst keine Auskünfte getroffen werden. Das scheint so ähnlich wie mit der Wettervorhersage: wenn ich aus dem Fenster sehe und aufs Thermometer, kann ich prima damit rumprotzen und die aktuelle Lage im Internet veröffentlichen und das dann Wetterbericht – nicht -prognose – nennen. Wenn also der Zug in den Bahnhof einfährt, weiß man auch, dass er kommt. Ob er fährt, weiß man dann aber immer noch nicht. Damit Sie nun auch wirklich live dabei sind und zumindest von mir eine Liveauskunft erhalten: dieser Anschlusszug ist zumindest in Berlin losgefahren, bis wohin ich ihn in meinem wachsenden Zorn verfolgt habe.

Ob es auch auf oben angesprochenes Phänomen mit der Gleichzeitigkeit von Gedanken und Aktionen zurückzuführen ist, dass ab morgen die Kita-Mitarbeiter streiken werden, ist nicht ganz klar. Aber vielleicht haben sie sich auch einfach gedacht: sind wir denn hier die Deppen? Alle streiken und wir, die wir den ganzen Tag Kindern das Essen mit Messern und Gabeln beibringen, sie bespaßen und uns mit ihren Eltern rumschlagen, bekommen einen Lohn an der untersten Grenze der Fahnenstange. Selbstverständlich sind die Folgen für Alleinerziehende so kurz vor den Pfingstferien fürchterlich. Urlaub nehmen, wenn Urlaub schon geplant und gebucht ist, Kinder zu fremden Menschen geben, all das, aber es ist auch nicht vertretbar, dass Kita-Mitarbeiter so schlecht bezahlt sind, dass sie Zweitjobs annehmen müssen. Ich finde, hier sollte die Lässigkeit ein Ende haben.

Weise alte Weiber

Viele Bayern schimpfen völlig zu Recht über den kalten August, selbst renommierten Klatschzeitschriften ist er eine Umfrage wert. Allein, was kann man ändern? Irgendwie ist es in den Köpfen älterer Menschen, dass Sommer früher zwischen Juni und August und Winter zwischen Dezember und Februar statt gefunden haben. Das haben sie dann ihren Kindern erzählt, die wiederum es an ihre Kinder weitergegeben haben und schon hatten wir den Salat: unerfüllte Erwartungen, fehlgeleitete Hoffnungen, unrealistische Träume. Wie klug sind da die alten Weiber, deren Zeit, zwar wenig charmant betitelt, aber egal, nun gekommen ist. Und wieviel schöner sind solche tatsächlich goldenen Stunden, denn schon meine Mutter wusste immer, wenn der beliebte Kartoffeldip ausging, dass die Dinge nur gut sind, wenn sie knapp sind (sie rühmt sich, noch ein Kriegskind zu sein, bei Handtaschen denkt sie anders). So wie die Sonnenstunden gestern und heute.
Morgens schlingt man sich als Tribut an den „morgendlichen Frühnebel“ noch eine halbe Wolldecke um den Hals, damit es wenigstens von oben her warm ist, denn vor November werden keine Strümpfe getragen, da kann ich eisern sein, mittags durchzuckt einen kurz der Gedanke, ob man durch Sturheit vielleicht gerade auf dem allerbesten Weg in eine Blasenentzündung ist und betrachtet sehnsüchtig den neuen „Normcore“-Trend (denn das normale darf nicht einfach normal sein, es muss hardcore normal sein, daher stammt das Wort, wir lernen hier im Blog immer was dazu) mit all seinen kuschligen langen Pullis und dicken Mänteln und auf einmal krabbelt die Sonne ermattet vom langen Kampf mit ihnen durch die Wolken und bereitet einem die allerschönsten zwei Stunden.
Wie soll ein tatsächlicher Sommertag da mithalten? Wo es so wie bei einer Affäre ist (nicht dass ich da groß mitreden könnte, allerdings mein Verhältnis mit der Sonne hat etwas Affärenhaftes, das stimmt schon) und vor allem im erträglichen Ausmaß. Sie scheint gerade so lange, dass man kein schlechtes Gewissen haben muss, sie auszunutzen, kurz genug, um nicht an schlimmste Hautfolgen zu denken und lang genug, um sich an ihr zu freuen. Herrlich, ein altes Weib zu sein.