Reisen in Italien mit Italiener

Mal wieder ein wenig philosophischer, dafür aufregender Reisebericht.
Die wenigen Male, die ich mit meinem Mann fliege und ihn damit in die Untiefen der Billigfliegerszene ziehe, geht natürlich gewaltig was schief. Von Rom aus fliegen relativ regelmäßig diverse Flüge nach Paris und da ich meine Präferenzen ausschließlich nach Gepäckmitnahmerichtlinien definiere, stehen Ryan Air und Vueling ganz oben auf meiner Liebstenliste. Transavia verabscheue ich nicht nur wegen der engsten Sitzreihen, die es gibt, sondern auch noch, weil sie mir meinen größten Rimovakoffer ruiniert und nicht erstattet oder repariert haben. Lieber laufe ich als nochmal mit denen zu fliegen. Von Berlin aus haben sie mich letztes Jahr vier Stunden warten lassen und so bleibt dieser Entschluss fix. Vueling hingegen hat bislang nicht viel falsch gemacht. Bis heute.

Wir wollten eigentlich um sieben Uhr fliegen, haben dann aber entschlossen, dass es doch auch mal nett sei, nicht immer um vier Uhr aufzustehen, und den Flug um neun gebucht. Heute Morgen, noch mit Schaum im Gesicht, bekommt mein Mann eine Nachricht und weil er gründlich ist, hat er sie gelesen. Ich hätte das gar nicht getan, weil ich gedacht hätte, es sei nur die übliche Ankündigung, dass der Flug in zwei Stunden geht oder so. Es war jedoch die Ankündigung, dass wir anstatt um 9.15 um 13.44 fliegen werden. Hmpf. Wir haben darauf hin das Taxi abgesagt, bis ich wiederum gelesen habe, dass man doch bitte rechtzeitig am Flughafen sein solle, vor allem, wenn man Gepäck hat, was wir ausnahmsweise haben, weil mein Mann seine Garderobe aufgestockt hat….Also wieder Taxi rufen und los. Alle Flüge drumherum, vor allem der um sieben, waren superpünktlich, was mich zu touretteartigen Äußerungen veranlasst hat, immer wieder zu bedauern, dass wir nicht den um sieben genommen haben, was wiederum meinen Mann sehr verärgert hat. Aber eine Schwäche muss auch ich haben, oder?

Am Transferschalter, den ich in erster Linie deshalb aufgesucht habe, weil man mir dort Brötchen und Wasser versprochen hatte, waren riesige Schlangen voller aufgeregter Menschen und nachdem ich kläglich angesichts weitaus größerer Probleme der Mitreisenden (die nur noch nichts von den Brötchen wussten!!!) gescheitert bin, hat sich mein weltmännischer Mann ins Getümmel gestürzt und wurde alsbald zum Ansprechpartner von alleinreisenden Frauen mit lila Locken und großen runden Brillen und verstörten Rucksacktouristen. Er verlieh mit entschlossener Stimme dem allgemeinen Unmut Worte und gab die spärlichen Informationen mit ruhiger Stimme an verstörte Mitreisende weiter. Eine Freundin meinte, er wirke wie ein Politiker und wenn etwas stimmt, dann, dass es dem Italiener (und sei er auch nur ein halber) im Blut liegt, dramatische Situation mit dem notwendigen Ernst zu begleiten und auch weniger dramatische zu solchen zu gestalten. Es wird einfach alles mehr Puccini, Rossini, Pavarotti, wenn es in Italien und von Italienern inszeniert wird. Ich hingegen habe inzwischen vier Brötchen (riesige Dinger) und zwei Wasser abgeholt, später noch eine Tüte dazu organisiert, weil ich sie mir – aus Erfahrung klug geworden – einteile und sie mir meine gute Handtasche durchweichen. Und so kann man wieder einmal mit Fug und Recht sagen: Eine Ehe, in der der Mann Italiener ist und die Ehefrage praktische Deutsche ist wahrlich im Himmel geschlossen.
P.S. Mein Italiener hat gerade eine Revolution angezettelt und sich hinter den Boardingschalter gesetzt. Ich hatte damit geliebäugelt, aber hätte ich das getan, wäre ich – wegen falschen Timings – maximal gerüffelt worden. So ist das auch in der Oper: Timing ist einfach alles.

Nackte Füße

Wir haben Fashion Week in Paris. In der Gegend, in der ich bis vor kurzem gewohnt habe, wäre mir das gar nicht so lange entgangen, aber hier in dieser ruhigen Ecke bemerkt man es nur, weil es aus dem gegenüberliegenden Studio im ersten Stock andauernd blitzt, wenn die Fotografen wieder ein Model in äußerst fragwürdiger, farbenfroher, dafür unförmiger japanischer Mode ablichtet. Am Wochenende haben sich die Limousinen vor unserer Haustüre gestaut und in den Restaurants sitzen aufgeregt schnatternde italienische und amerikanische junge Frauen entweder in düsterem Schwarz oder Männer in verwegenem Farb- und Mustermix. Gerne mit weiten karierten Hosen und irgendwelchen erstaunlichen Oberteilen. Vor allem italienisch, amerikanisch und asiatisch wird gesprochen, was aber alle eint, ist der maximale Willen, sich zu erkälten. Keiner trägt Strümpfe. Und gehöre schon ich aus dem kleinen Augsburg zur Fraktion, die als erstes mit nackigen Füßen in Schuhen herumläuft, so muss ich doch neidlos und mit einem gehörigen Maß an Respekt anerkennen, dass ich hier meine Meister gefunden habe. Es ist ihnen vollkommen egal, dass es unter Null Grad hatte.

Ich hatte das zum ersten Mal in New York gesehen. Damals waren wir in einem schicken italienischen Restaurant, ich glaube, es war das Cipriani, Sex and The City war in den Anfängen und ich ein junges argloses Ding, das nur das Buch gelesen hatte, sonst noch nicht viel damit am Hut hatte. Wir waren über meinen Geburtstag im März, es war also wirklich noch sehr, sehr frisch, um nicht zu sagen, schweinskalt. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich relativ neue, sehr coole hohe schwarze Stiefel mit Absätzen hatte und sie bei jeder Gelegenheit getragen habe. Ich fand sie so unglaublich schick! Bis wir in besagtem Restaurant saßen und um mich herum alle Frauen in kleinen Riemchensandalen oder Pumps saßen. Zwar trugen sie Pelze in beachtlichen Dimensionen, aber die Füße und Beine waren leicht gebräunt und bar jeglicher Bedeckung. Mein unpassendes Schuhwerk hab ich verschämt unter dem Tisch versteckt und bin an die Entstehung und Aussagekraft dieser doch sehr antizyklischen Mode gegangen.

Es musste damit zu tun haben, dass all diese Frauen in Limousinen herbeigeschafft wurden und somit nur die kurzen Meter von ihrem Haus mit Teppich und Baldachin zur Limousine und dann wieder über Teppich und unter Baldachin heutransportiert worden sind. Aus einem Vorort mit der U-Bahn sind unbestrumpfte Beine und Füße um die Null Grad deutlich schwieriger durchzuhalten. Andererseits: vielleicht sind sie der Schlüssel zum Erfolg?? Egal. Hier in Paris jedenfalls trägt kein Mensch, der etwas auf sich hält welche. Um am besten auch keine geschlossenen Schuhe, sondern Schläppchen (nennt man bestimmt auch anders, Pantoletten vielleicht?) oder Singpumps oder eben andere Riemchenschuhe. Weiße Turnschuhe werden schon mal mit Füßlingen getragen, aber das gehört zum Jahrein-Jahraus-Straßenbild und damit lockt man auf den Boulevards nun wirklich keinen Hund mehr hinterm Ofen vor. Ich kann nur sagen, dass ich ich diese extreme Mode nicht mitmache und an diesem Abend mit blickdichten Strümpfen da saß. Und was soll ich sagen: Ich bin diejenige, die erkältet ist. Vielleicht schützt so viel Chupze vor Unbill? Ich kann das beim besten Willen nicht ausprobieren, mich frierts schon auf den Fliesen in der Küche….

Es wird

Es ist beinahe zu schön, um wahr zu sein, aber zumindest eines unserer Sofas ist angekommen. Auch noch fast pünktlich. Wir sind völlig erschlagen. Das andere, das pinkfarbene, ist nach wie vor verschwunden. Man versichert mir und den zehn anderen Personen, die da immer wieder anrufen zwar gebetsmühlenartig, dass es ganz sicher nicht verschwunden ist, was mich ehrlich gesagt auch wundern würde, denn es müsste ja doch etwas auffällig und sperrig sein, aber gefunden hat man es dennoch nicht bisher. Eine Woche ist es bald verschollen. Dafür haben wir uns jetzt auf das Konzept zurückbesonnen, das auch bei den letzten Teilen in Augsburg schon so hilfreich war. Antiquitäten. Ich weiß jetzt, warum so viele Menschen einen Mix aus Ikea und Antiquitäten haben. Sie sind den Aufregungen von Möbelneubestellungen einfach nicht gewachsen. Und so haben wir ein schönes Wochenende auf dem Pariser Flohmarkt verbracht und dürfen nun zumindest einen Küchentisch und eine Kommode unser eigen nennen.

Das Wochenende stand nach unserem Getränkeeinkauf zu besagtem freundlichen Supermarkt um die Ecke sowieso unter einem guten Stern, denn dort habe ich erstaunlicherweise einen Blumenkohl geschenkt bekommen. Zwar ein Kohl, meinte der freundliche Mann an der Kasse, aber eben auch mit Blumen dabei. Hat er Recht. Mein Mann hätte fast geweint deshalb. Er hasst Blumenkohl. Und ich muss sagen: selten hat ein Geschenk einen solchen Rattenschwanz nach sich gezogen. Gibt man Blumenkohl und zum Beispiel Curry in Google ein, kommen Rezepte, die mich auch nach 30 Jahren Kocherfahrung an den Rande eines Nervenzusammenbruchs, zumindest aber in den Alkohol treiben. So unfassbar viele Zutaten sind notwendig, um aus dem geschenkten Kohl etwas zu machen, das auch einem erklärten Blumenkohlhasser mundet, es war der helle Wahnsinn. Dafür konnten wir dieses Essen an einem echten Tisch mit zwei Stühlen und in 74cm-Standardhöhe zu uns nehmen. Eine Kerze hat auch noch auf den Tisch gepasst!

So erfreulich geht es weiter und wieder mal bewahrheitet sich die alte Regel: zünde Dir eine Zigarette an (am besten die letzte aus der Packung) und der Bus kommt noch vor dem wunderbaren ersten Zug (ich habe wirklich, wirklich gerne geraucht!). Und so ist es auch bei uns: Kaum hatte ich den Zug für heute gebucht, kündigte sich besagtes Sofa an, die Kommode kommt auch heute und der Tisch, ein kleiner Tausendsassa, der für jemanden wie mich, der sich nicht so gerne festlegt, einfach ein Traum ist, ebenfalls. Ich sause gleich zum Zug und hoffe, dass ich die Wohnung so vollgestellt überhaupt noch wiederkenne bei meiner Rückkehr….

Sofas, Hühner, Zwiebeln

Seit heute morgen um sieben Uhr sitze ich wie eine Braut am Hafen vor dem Fenster und starre auf den Platz hinunter. Und eigentlich kann kaum eine Braut sehnsüchtiger geschaut haben als ich. Ich habe nämlich gestern Abend um 18.33 Uhr (sic!) eine E-Mail bekommen, dass unser Gästesofa heute zwischen sieben und neun Uhr geliefert werden wird. Ich finde es recht sportlich, erst zwölf Stunden vorher eine solche Information zu erhalten, aber wir Deutschen sind halt auch recht verplant und nur wenig spontan. Stimmt schon. Nun ist es 11.19. Hinter mir liegen mehrere ratlose Gespräche mit meinem Mann, eines mit dem genervten Mann vom Relais Colis, was wohl die französische Verladestelle für alles Mögliche ist, der meinte, die Lieferung sollte zwischen sieben und neun zugestellt werden, habe sich aber wohl verzögert und eines mit Kris, dem Concierge, welcher meint, das sei gar nicht normal und läge bestimmt am Schnee der letzten Tage (sic!!!). Dadurch seien sehr viele Lieferungen verzögert worden. Was einem das Leben im Ausland also in jedem Fall abverlangt, ist eine muttertheresaartige Lang- und Demut. Und Sitzfleisch.

Eine Bekannte, die erstaunlicherweise ums Eck wohnt (und das im großen Paris!) meinte, sie käme dann am Nachmittag um das Sofa zu bewundern, aber fürchte, sie wird auch bis dahin mit mir alleine Vorlieb nehmen müssen….
So, es sind jetzt weitere viereinhalb Stunden vergangen. Ich habe alle Tricks versucht, bin sogar einkaufen gegangen, was normalerweise – allerdings ohne Vorsatz – immer funktioniert. Hat es jemand schon mal eilig gehabt und musste an jeder Ampel anhalten? Klar. Und wollte sich schon mal jemand an einer roten Ampel die Lippen nachziehen? Na, bitte, grüne Welle. Das Einkaufen hat nicht funktioniert, aber dafür was viel Tolleres. Der Metzger, bei dem ich mich langsam hocharbeite, hatte zu. Nun wollte ich aber meine hart erkämpfte Freiheit nicht untätig und vor allem ebenso erfolglos verstreichen lassen wie den übrigen Tag und habe im Handy eine andere gesucht. Auf dem kurzen Weg dorthin habe ich nicht nur ein sehr hübsches zugewachsenes Haus entdeckt, sondern gleich gar ein neues Viertelchen und – man höre und staune – einen Metzger, der ausschließlich glückliche freie Tiere verkauft. Dafür haben zwei Hühnerbrüstchen mit Fuß (oder Flügel?! dran) auch zwanzig Euro gekostet. Er hatte sie schon zerlegt, da wollte ich nicht schwierig werden. Und außerdem spricht er auch Englisch. Bin froh, wenn ich mal nicht muhend oder gackernd in einem Laden stehen muss, um zu erklären, was ich möchte.

Auf dem Rückweg bin ich dann doch im Obst- und Gemüsetempel vorbei, bei dem ich allerdings inzwischen auch schon gelernt habe, dass er versteckte Fallen beherbergt und man etwas achtsam sein muss. Vor allem mit den unterschiedlichen Preisen. Zu den Cashewkernen wollte ich noch Suppengrün kaufen, denn derart teure und glückliche Hühnerschenkelchen dürfen nicht ungenutzt bleiben und auf die Frage, ob ich eine Suppe draus machen wolle, habe ich natürlich eifrig genickt. Eine Rübe und ein Stängelchen hatte ich schon, fehlten also nur noch Zwiebeln, die ich eh kaufen wollte. Einzeln gab es die unterschiedlichsten, aber in einem praktischen Netz wie bei uns nur eine Sorte. Also dann die. An der Kasse musste ich mein Stängelchen Sellerie tatsächlich wiegen (muss ich in Rom NIEMALS und auch die Rübe nicht!!!) und dann war große Verwirrung, was wohl die Zwiebeln kosten. Als die Kasse 9,95 zeigte, dachte ich mir, naja, werden wohl die Cashewkerne sein, aber dann stand auf einmal 13,61 da und auf dem Kassenzettel durfte ich dann lesen, dass ich die wohl exklusivsten Zwiebeln der Welt gekauft habe: Oignon de Roscoff. Hmpf. Habe mir zur Sicherheit gleich mal das Rezept auf der Innenseite aufgehoben. Man will sie ja nicht vergeuden und nur das Beste damit anfangen. In den Kühlschrank dürfen sie übrigens auch nicht. Schade, den hätte ich. Dafür hat die Verpackung – wenn ich mich noch recht entsinne – eine ähnliche Farbe wie das Sofa, das ich leider immer noch nicht habe…

Füße hoch!

Wir haben einen neuen Mitbewohner in Paris. Es ist ein Kobold. Und er treibt sehr selbständig sein Unwesen. Eigentlich sollte er saugen, aber er tut noch viel mehr. Er weckt in uns ungeahnte Gefühle. Von Rührung, wenn er vor brummend verschlossener Türe steht, weil er nach dem Auftanken wieder munter ist und wir ihn aber inzwischen vergessen haben über Schreck, weil er eben aufgewacht ist und wieder seinen Dienst aufnimmt und auf einmal röhrend vor uns steht bis hin zu Heiterkeit, wenn er sich in unseren Garderobenständer verliebt hat und gar nicht mehr von ihm runter möchte. Mein Mann ist technischen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen und verfährt stets nach dem Motto, dass es besser ist, ein anderer macht einfache Routineaufgaben. Er entwirrt derweil lieber internationale Verstrickungen, liest oder schläft ein wenig. Ich bin da einfacher gestrickt. Bevor ich mich mit so einem sauteuren Ding und all seinen Unzulänglichkeiten (davon gibt es eine Menge!!!!) aussetze, sauge ich lieber in zehn Minuten einmal durch. Ich muss auch keine melodramatische Pause nach 45 Minuten einlegen, sondern schaffe es wie gesagt in zehn Minuten.

In dieser Zeit kann ich über dieses und jenes nachgrübeln und habe anschließend ein gutes Gefühl. Und ja, ich gehöre zu den seltenen Menschen der Neuzeit, die ohne eine Haushaltshilfe leben können, ja sogar lieber ohne sie leben. Das hat viele Gründe. Einer davon heißt Gabriella. Gabriella war und ist vielleicht sogar noch die Schwiegermutter unseres ersten Pförtners in Rom, Claudio. Claudio war der Vorgänger von Massimo und machte seinem Beruf nicht viel Ehre. Er war etwas antriebslos, aber vielleicht wird man mit einer solchen Schwiegermutter ja automatisch so. Verstehen könnte ich es. Gabriella also kam in den ersten Wochen meiner Zeit in Rom. Ich war jung, frisch verheiratet, verängstigt und hatte keinerlei Erfahrung mit Haushaltshilfen (meine Mutter hatte jemanden, aber auch sie hat fluchtartig das Haus verlassen, wenn sie kam und der Tag vorher war ein Horror für uns, weil wir alles picobello aufräumen und saubermachen mussten!). Sie kam einmal die Woche und wenn ich es nicht schon von Anfang an getan hätte, hätte ich diese Tage fürchten gelernt. Irgendwo habe ich mal gelesen, den Umgang mit Personal müsse man mit der Muttermilch aufsaugen. Das habe ich definitiv nicht und ich fürchte, ich werde es auch nicht mehr. Gabriella sollte es mir nicht gerade einfacher machen. Sie kam mit lauter Stimme, nahm Maß, erkannte, dass sie mit mir prima Schlitten fahren konnte und versprühte Reinigungsmittel in rauen Mengen. Wasser und Muskelkraft spielten bei ihrer Putzroutine eine sehr untergeordnete Rolle. Dafür forderte sie wöchentlich mehr und speziellere Mittel, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und einen Großteil meiner Kleidung.

Ich war ihr ausgeliefert und hatte fortan nur noch einen Gedanken: wie werde ich sie nur wieder los?? Man muss wissen, dass ich zu dieser Zeit ziemlich respektable Projekte mit ziemlich vielen freien Mitarbeitern durchgeführt, um nicht zu sagen: durchgezogen habe. Kein Vorstand, keine hundertseitige Datentabelle haben mich so in Angst und Schrecken versetzt wie die straßenkampferprobte und bauernschlaue Gabriella. Sie war frech wie ich es nicht kannte, anmaßend und unverschämt. Es war ihr mit meiner Höheren-Töchter-Schulausbildung einfach nicht beizukommen. Freundlichkeit war für sie Schwäche und Nachsicht die schiere Idiotie, die es auszunutzen galt. Nun haben wir in Paris auch wieder ein Concierge-Paar und hier versuche ich von Anfang an, neutral und herrschaftlich zu sein. Ganz ist mir das bisher noch nicht gelungen und Pretty, so heißt die Concierge-Gemahlin, schaut mich schon jetzt fragend-mitleidig an und gibt mir zu verstehen, dass wir nur Freundinnen werden, wenn ich mich ergebe und sie einstelle und ihr ganz viel Putzzeugs kaufe. Schon am ersten Tag teilte sie mir mit, dass ich eine Liste bekäme, was ich zu kaufen hätte. Ich sträube mich. Und trainiere stattdessen lieber unseren kleinen Kobold, der leider unter einer Art Staubsauger-ADHS leidet und sich – egal, wo ich ihn absetze und wir haben hier wirklich viel Platz und leider keine Möbel – bockig in einem Eck verkeilt. Wie schön war es, als ich noch selbst saugen durfte!!!

Lauter neue Entdeckungen in 90 Minuten

Durch Zufall sind wir vor ein paar Tagen auf dem Weg zum Büro meines Mannes auf ein Restaurant gestoßen, das wirklich – selbst für Pariser Verhältnisse – ein wahnsinnig schönes und auffälliges Ambiente hat. Die Räumlichkeiten, die Einrichtung, einfach alles ist WOW. Und jeder, der weiß, wie lange ich hier schon schreibe und wie sehr ich an Essen interessiert bin, weiß auch, dass mir das Drumherum fast immer herzlich egal ist. Da wollte ich hin, zumal es nur hundert Meter von unserer Wohnung weg liegt. Wir sind also zu Mittag hingegangen und konnten im Laufe des Essens feststellen, dass es 1. offenbar reiner Zufall war, dass wir einen Platz bekommen haben, 2. offenbar ein „hot spot“ ist, was sich natürlich auch wieder geben kann, 3. offenbar nicht von den Costes-Brüdern betrieben wird, weil die Bedienungen oberhalb eines BMI von 17,5 liegen und flache Schuhe tragen und es 4. wirklich gute napoleonische Pizza gibt. Das ist wirklich eine schöne Überraschung. Mal sehen wie es abends ist.

Auf dem Weg zurück war ich in meiner neuen Lieblingskirche, die direkt hinter halb über den Platz liegt und eine breite Auswahl an Heiligen bietet. Jeder hat seine eigene Nische, seinen eigenen Kerzenaltar und vor allem – das finde ich grandios – seine eigenen Kerzen. Will heißen, das Plastikgehäuse um die Teelichter ist mit dem Heiligen bedruckt. Das alleine ist schon ehrfurchtgebietend, aber was wirklich anrührend ist, sind die vielen Menschen, die zu Mittag vor den Altären knien und beten. Maria hat natürlich den größten Zulauf, ich habe meine Kerzen vor den heiligen Josef gestellt, er trägt wie mein persönlicher Lieblingsheiliger in Rom, der heilige Antonius ein Baby auf dem Arm (und ich dachte ursprünglich auch, er sei es und dann kann man ja wohl schlecht seine personalisierte Kerze wieder auspusten und wegnehmen oder gar einem anderen Heiligen vor die Füßen stellen?!!). Die Kirche ist geheizt und gemütlich und offenbar zählt sie für viele Menschen zu einem Ritual, einer kleinen Auszeit.

Und dann habe ich noch Geschäfte aller Art entdeckt, allen voran einen süßen kleinen Supermarkt, in dem man – steht man ratlos vor einem Regal mit französischen Putzmitteln – tatsächlich gefragt wird, ob einem geholfen werden kann! Sowas gibt es doch gar nicht mehr! Habe selbstverständlich gleich eine WC-Ente gekauft, die habe ich am Hals erkannt und eine Scheuermilch, da macht man nie was falsch. Auf meinem Heimweg durfte ich dann feststellen, dass wir in einem Stoffmekka wohnen, was meine Not mit den Vorhängen nicht direkt mildert, denn der Druck steigt langsam ins Unermessliche. Zum Glück, war im einzigen Geschäft, das zu betreten ich mich getraut habe, ein eigenartiger Verkäufer, der mich behandelt hat, als hätte ich nach einer Schweinshaxn mit Knödel gefragt. Wie ich – mon dieu – auf die Idee käme, sie würden Vorhänge machen?? Stoffe ja, aber ansonsten bräuchte ich einen Tapissier und der könnte sich dann gerne an ihn wenden. Nun ja. Da war das Angebot im letzten Geschäft weitaus selbsterklärender: lauter ausgestopfte Tiere, angefangen vom Schneetiger bis zur Babyeule. Vermutlich musste man sich in diesem Geschäft schon öfter mit erklärten Gegnern dieses Metiers auseinander setzen, denn ein zweisprachiger Zettel im Fenster betont, dass alle Tiere aus Zoos stammten und eines natürlichen Todes gestorben sind. Im Zweifel wurden sie totgestreichelt. Wahrlich eine vielseitige Nachbarschaft!

O M G

Es gibt und gab sie vermutlich schon immer (und ich habe auch schon darüber geschrieben, ich bin ganz sicher, mein Prunkschaf wüsste vermutlich sogar genau, wann und wenn nicht, würde sie nicht eher ruhen, bis sie es rausgefunden hätte) eine Straße in Paris, die man mit Fug und Recht das Paradies der Hobbyköche und Bonvivants nennen könnte. Durch Zufall habe ich diese Straße in einer für mich recht grauen Phase auf einem meiner längeren und meist etwas ziellosen Bummel um unsere Wohnung herum entdeckt. Ich dachte mir damals, dass wenn man die Rue Saint Honoré nur lange genug in die andere Richtung (die eine Richtung endet ziemlich jäh am Elysée-Palast und da möchte man ja nun wirklich nicht hin) geht, dann müsste man doch auch irgendwo rauskommen. Und siehe da, so war es auch. Noch ein paarmal ziellos abgebogen und ich war in meinem persönlichen Paradies. Nun möchte man ja meinen, das sei für Frauen bereits die Rue Saint Honoré, aber dem ist nicht so. Ich bin ein Jäger und mag es nicht, wenn alles vor mir ausgebreitet liegt und auch noch in der Preisklasse! Soeben hat mir auch noch eine Freundin bestätigt, dass es viel, viel toller ist, etwas günstiges wunderschönes zu schnappen, denn teuer kann jeder. Also bitte.

Also diese Straße jedenfalls ist der Wahnsinn. Auf der einen Seite sind lauter Geschäfte mit Fisch, Fleisch, Käse, Wein, Gemüse, Obst und weiß der Himmel was noch alles und auf der anderen lauter Cafés. Die reinsten Männer-Parkplätze (natürlich nur, wenn man in so geordneten klassischen Rollenverteilungshaushalten lebt wie ich!! ansonsten könnten natürlich auch Frauen dort ihren Caffe creme schlürfen, während ihre Haus- oder Kochmänner jagen gehen. Oder gar beide zusammen gehen einkaufen und danach ins Café – ach, es gibt so viele Möglichkeiten!). Es war immer mein Traum, hier einzukaufen und tatsächlich zerre ich mein gepunktetes Wagele wegen zwei Äpfeln oder einem Joghurt dorthin und wuchte es zentnerschwer von Rotwein, gesalzenen Mandeln, Schokolade, Garnelen, Mangold, Kaki und so weiter ein Stündchen später wieder nach Hause. Dort erwarten mich unangenehme Treppen, denn gleichwohl wir zwar einen gläsernen Aufzug in interessanter Triangelform haben, so beginnt er doch erst in der ersten Zwischenetage. Und dann muss ich auch noch sehr froh sein, wenn Wagele und ich zusammen Platz haben. Denn dass Umzugskartons nicht reinpassen, durften wir vor drei Wochen schmerzlich am eigenen Leib erfahren (ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich das sehr wohl bereits nach einer ersten kurzen In-Aug-Nahme bemerkt hatte, aber mir wurde wegen mangelndem räumlichen Sehvermögens jede kompetente Meinung hierzu von vornherein abgesprochen, aber das ist ein anderes Kapitel zum Thema Rollenverteilung und so).

Heute jedenfalls hatte sich meine blinde Euphorie dahingehend etwas gelegt, dass ich bereits auf dem Weg dorthin links und rechts schauen konnte und meine Umgebung wahrnehmen konnte. Und was ich da so alles entdeckt habe, ist einfach Wahnsinn! Wahnsinn!! Da gibt es ein Geschäft – keine Ahnung, was für ein cooles Konzept dahinter steckt, vielleicht Großhandel?? -, in dem man sackweise getrocknete Früchte und feinste Schokolade und kandierte Rosen und Veilchen und Pfefferminzblätter kaufen kann, ein Schlaraffenland, ein Paradies wie schon erwähnt. Dort musste ich dann auch noch anhalten und das einzige, das meinen Mut momentan etwas abkühlt, ist die sehr berechtigte Sorge um meine Figur. Wie soll das gehen? Wein, Schokolade, Baguette? Ein Desaster. Allein, was kann man tun? Ich werde doch nicht mit Sport anfangen müssen?? Naja, jede Medaille hat zwei Seiten. Ich schau mal. Ich könnte andererseits auch mein Wägelchen immer ganz, ganz schwer vollladen und es dann noch durch ein paar Seitengassen ziehen und damit den Weg verlängern, aber inzwischen bin ich fast etwas verängstigt, auf was ich da stoßen könnte? Weitere Spezialitätengeschäfte? Ein zauberhaftes Bistro wie das bei uns hinterm Haus? Man mag es sich nicht ausmalen. Aber ich bleibe dran. Habe schließlich eine Verantwortung für Land, Leute und Kultur. Und meinen lieben Lesern das alles en Detail weiterzugeben.

Der Reiz des Schwedischen

Was soll ich euch sagen, meine allerliebsten Leser, es gibt auch in Paris Ikea. Und nicht nur eines, ganz, ganz viele, ich glaube, für jede Himmelsrichtung eines. So wie es in Lyon für jede Himmelsrichtung eine Brasserie von ihrem Starkoch-Helden Bocuse gibt. Das zu vergleichen ist natürlich nicht ganz richtig und Bocuse wäre zu Recht empört, allerdings habe ich immer gelernt: wenn man Kaviar essen möchte, muss man Sardinen verkaufen. Und nichts anderes tun unsere schwedischen Freunde. Sei es mit Pressspanmöbeln oder mit weißen T-Shirts von H&M. Nachdem wir heute zum zweiten Mal dort, waren, um Teile, bei denen irgendeine unerhebliche Nummer falsch war, umzutauschen, sah ich mich gezwungen, meinem von Anfang an nicht so entzückten Mann zu erläutern, was Frauen an diesem unwirtlichen Laden so anzieht. Es war mir bislang ehrlich gesagt selbst nicht so ganz klar, aber unter Druck kann ich erfinderisch, gar philosophisch und metaphysisch werden.

Was Frauen an Ikea so anzieht, ist zum Einen die Vielfalt und der Preis und natürlich der wesensimmanente Nestbautrieb. Hier noch ein buntes Zweiglein, dort ein Teelicht, was, es gibt neue Serviettenfarben? Und neue Faltkästchen für den Badschrank? Alles ist so günstig, endlich muss man sich mal nicht entscheiden wie sonst tagtäglich im Leben, endlich kann man fast ohne Reue etwas kaufen, was das Haus zu einem Zuhause macht. Gut, nach zwei Wochen und wenn man es bei fünf Freundinnen gesehen hat, mag man es auch nicht mehr sehen, weil man feststellt, dass der eigene Geschmack und seine Individualität an harte Grenzen stößt, wenn es in die omnipräsent erhältliche Massenproduktion geht, aber nun habe ich zum Glück fast nur so exklusive und vielbeschäftigte Freundinnen, die niemals im Leben auf die Idee kämen, dort auch nur anzuhalten. Ich kann mich an eine Erzählung von einer lieben Freundin erinnern, da hat der Besuch mit einem heiß begehrten Mann bei Ikea sogar zur Rückkehr zu ihrem verlassenen Freund geführt. Ein Leben mit Ikea war für sie unvorstellbar. Ich könnte mir ein Leben mit und ohne Ikea vorstellen, aber ich finde es doch ganz schön, wenn ich nicht erst acht Wochen auf etwas warten muss, sondern meine Bedürfnisse zeitnah befriedigt werden.

Und damit bin ich schon beim nächsten Punkt, denn mitnichten kauft man dort nur Teelichter und Servietten wie so oft kolportiert. Ich habe ein piepsiges kleine Apartment ganz reizend damit eingerichtet und ganz ehrlich: gut und schön, wenn im Wohnzimmer ein sauteures Sofa und ein Designertisch stehen, aber der Schuhschrank im Zwischengang? Ich bitte Sie! Das wäre wirklich neureich, hier auf ein Designerteil zu bestehen. Sparen kann man vom Adel lernen wie unser Hemdschneider uns neulich bestätigte. Die zerschlissensten Krägen kommen von denen, die früher dem Kaiser Geld geliehen haben. Was mir also – und da stehe ich nicht alleine da, anderen ist es vielleicht nicht so bewusst – sehr gut am Ikea-Konzept gefällt, ist die Vorstellung, dass mein Mann unsere Möbel mit seinen eigenen starken Händen erschafft. Nun gut, zumindest zusammenbaut. Das hat sowas Männliches finde ich und sehe mich flugs in Kanada in einem Schneesturm darauf warten, bis mein Blockhaus fertig ist. Und ich kann dem treuen Leser versichern: Ein Mann, der eine Nordli-Kommode zusammenbauen kann, für den ist ein Holzhaus ein Klacks. Vorausgesetzt er hat einen Akkuschrauber zur Hand…

Aug in Aug mit Ludwig

Der Ludwig und ich wir sind jetzt ganz dicke. Muss auch. Er schaut schließlich den ganzen Tag in mein Wohnzimmer und bekommt so ziemlich alles mit, was ich hier in Paris erlebe. Und das ist – man kann es sich denken – eine Menge. Vor allem, wenn man keine Vorhänge hat. An keinem Fenster. Auch nicht im Schlafzimmer oder im Bad, hihihi. Am ersten Morgen sah ich mich Aug in Aug mit einem knackigen jungen Mann, nur getrennt durch eine schmale Straße und zwei Fensterscheiben. Empört hat mich mein Mann weggezerrt und mich sogleich mit Handtüchern und seinem breiten Kreuz verhüllt. Kris, unser hochkompetenter und freundlicher Concierge hat mich dann aufgeklärt, dass mitnichten ich mich sorgen müsste, eher mein Mann….Seitdem huscht er morgens ins Bad und duscht ohne Licht. Derweil wäre alles ganz einfach, wenn man nur die Milchglasfolie anbrächte, die ich gekauft habe. Aber mir ist es relativ einerlei, ich hatte seit jeher Nachbarn, die mir ins Fenster geschaut haben und es ist noch alles dran.

Gerade sitze ich am Fenster und schaue auf meinen Platz. Und meinen Luigi. Das kann fatal enden, denn der Platz hat etwas ähnlich Kontemplatives wie eine Waschmaschine. Philosophisch veranlagte Menschen könnten in ihm den Fluss des Lebens wiederfinden. Man fährt rein, rum und wieder raus. Es wirkt von oben wie ein Tanz und ich fürchte, ich werde mir einen anderen Arbeitsplatz suchen müssen, weil ich hier zu sehr abgelenkt bin. Mit den Menschen in den Wohnungen gegenüber habe ich bereits so etwas wie einen Nicht-Angriffs-Pakt geschlossen (auch mit dem nackigen Nachbarn). Wir sitzen alle am Fenster – logisch, sonst bräuchte man keine solche Wohnung – tun aber so, als sähen wir einander nicht. Allerdings werde ich mir doch mein kleines Fernglas mitbringen. Einfach nur, um mir Einrichtungsinspirationen oder Ideen für Vorhänge zu holen. Denn im Moment haben wir genau sieben Stühle, drei kleine Beistelltischchen, einen Fuchs und einen Pinguin, jeweils aus Keramik und einen zyklamfarbenen Lehnstuhl. Bevor ich es vergesse: und einen wunderschönen runden Teppich.

Wie herrlich das Leben mit nur einem Teppich und sieben Stühlen sein kann, hätte ich niemals für möglich gehalten. Kein aufwändiges Tischdecken, kein Kissenaufschütteln, keine Decken zusammen legen, einfach nur sein. Rotwein auf dem Boden trinken, Baguette mit Pastete essen, zwischendurch mal einen Salat, weil man ja gute Vorsätze fürs Neue Jahr hat und ansonsten hier sitzen und auf den Platz schauen. Vielleicht mal einen Artikel schreiben, ok, aber was braucht man mehr? Naja, ein Bett vielleicht. Die Luftmatratze ist zwar ok, aber da mein Mann zum Glück mehr wiegt als ich, muss ich mehrmals während der Nacht wieder den Berg auf meiner Seite hochrobben. Am besten wäre es, ich würde mich dort festschnallen. Mit etwas Fortune geht dieser Zustand jedoch sowieso heute zu Ende. Unser Bett soll kommen. Es ist zwar schon seit vier Wochen da, aber weil wir in Frankreich sind, hat die nette Verkäuferin zwar die richtige Nummer aufgeschrieben, aber sie falsch in den Computer übertragen. Ich hätte das alles klaglos hingenommen und mich über gar nichts aufgeregt, mein Mann, das Kämpferherz jedoch nicht. Er ist randalieren gegangen und siehe da, es klappt. Seit gestern haben wir auch noch ein Rudergerät, so langsam wird es voll hier. Wir versuchen wirklich, unsrem Luigi was zu bieten!

Paris für Touristen

Wenn Paris schon keine heimelige Stadt ist, zumindest für mich nicht, so soll man ihr nicht die unleugbaren Vorteile absprechen. Und die liegen eindeutig im Unterhaltungswert. Und genau die haben wir dieses letzte Wochenende auch genutzt. Zuerst waren wir bei unserem lieben Jean-Phillip, was doch soviel netter klingt als Hans-Phillip, wobei sich mir der Sinn dieser ganzen Hanses vor anderen Namen eh noch niemals erschlossen hat?! Was soll das? Kann man ein Kind nicht einfach Philipp oder Jürgen oder Peter nennen? Muss da immer ein Hans dabei sein? Egal. Anderes Thema. Wir waren also zuerst in dem von mir schon seit Jahren sehnsüchtig beliebäugelten Bistro bei uns um die Ecke, das wirklich und echt noch Resopaltische mit rot-weiß-gewürfelten Papiertüchern hat und eine wunderschöne Bar mit Reling zum Schirmhinhängen, Hundanbinden oder Festhalten. Es gibt Hausmannskost und da der Wein in Fässern oder mit Tankwagen angeliefert (werden muss) wird, kommt er in reichlich verschmutzten (ich rede mir ein, nur von außen) Servierflaschen auf den Tisch, ist aber von wunderbarer Süffigkeit und Qualität. Es ist fast schon heimelig dort.

Die Gerichte sind für meinen Mann und mich zwar ein klassisches Vabanquespiel, da wir uns bei unseren Nachbarn nach so langer Zeit nicht als Banausen gerieren möchten und uns deshalb nicht nachfragen trauen. Zumal uns die sehr zügige und sehr französische Erläuterung der einzelnen Gerichte auch nicht wirklich weiterbringen würde….Manchmal schaffe ich es, heimlich unter dem Tisch zu googeln (am liebsten mit Foto), aber Jean-Philip bleibt auch gerne abwartend stehen und dann wagen wir auch das nicht. Ein Elend. Letztes Mal sind wir deshalb beide auf Nummer sicher gegangen, hätten dann aber einen Rollwagen brauchen können beim Heimkommen. Wir haben nämlich nur die zwei kalorienreichsten Gerichte (Entrecote und Cassoulet) verstanden und logischerweise auch bestellt. Wir mussten nach der Hälfte die Segel streichen, was kommentarlos zur Kenntnis genommen wurde. Wir waren uns unserer Schwäche bewusst und haben uns beim Wein mehr Mühe gegeben. Jedenfalls war dieser erste Abend schon ein guter touristisch-heimeliger Einstieg. Am nächsten Morgen habe ich meinen kunstsinnigen Mann dann sofort nach dem Aufstehen ins Museum gescheucht, was praktischerweise einen Hüpf über die Seine liegt und ganz wunderschön ist. Vor allem habe ich zu meiner großen Freude auch hier ein wunderschönes Restaurant gefunden und ich muss sagen, wenn man in Museen essen kann und auch noch in güldenen Sälen mit bunten Stühlen, dann hält mich nichts mehr und ich möchte gerne täglich ins Museum gehen! Ich sag ja immer, man muss es mir nur schmackhaft machen.

Nach ausführlichen Bummeln diesseits und jenseits der Seine und einem klitzekleinen Mittagessen in meinem derzeitigen Mittagslieblingsrestaurant sind wir dann abends in den „Lido“ gegangen (den mein goldiger Mann gar nicht so richtig kannte – besser so). Das war zunächst eine recht profane Erfahrung, weil wir zwanzig Minuten im Eingang stehen und warten mussten bis wir hineingeführt worden sind. Drinnen hat dann unser Kellner etwas getan, was ich LIEBE. Er hat die Plätze für uns vertauscht und uns an den Rand gesetzt. Das war fast noch viel besser als Zimmertauschen im Hotel. Es kam dann noch ein nettes Paar, das ohne viel Federlesens zwei Flaschen Weißwein inhaliert hat, uns zwar zwei Gläser angeboten hat, aber immerhin. Die Akrobatik war sensationell, das Singen naja, muss halt, aber wie gesagt: die Akrobatik war einfach der Hammer!!! Sonntag dann noch Louvre und ich glaube, ich kann sagen: wir waren an diesem Wochenende Touristen mit Wohnung in Paris. Und das, Ihr Lieben, versöhnt mich total mit dieser riesigen Stadt. Das Einzige, was mich zum Schluss hin verärgert hat und mir in Rom NIEMALS passieren könnte, nicht mal in Augsburg: ich wollte ein Eis (und das möchte ich ungefähr einmal im Jahr) und es war trotz Fahrradrikscha nicht möglich, an eines zu kommen, ohne stundenlanges Anstehen. Mais, c’est la vie, tant pis.