Teilzeit

Konnte es ich es letztes Jahr kaum unter dem Sonnenschirm aushalten, weil mir zu kühl war (deshalb hatte ich immer schlimm schmerzende Schienbeine, weil ich da doch eine Sonnenallergie entwickelt habe), ist das dieses Jahr überhaupt gar kein Problem. Im Gegenteil: man hält es eigentlich nur unter dem Schirm und dann noch mit dem Meereswind aus. Jeden Morgen sagen wir scherzend zu Anrufern oder auch zu uns, dass wir jetzt zur Arbeit fahren und wahlweise, dass wir früh oder spät dran sind (vor zehn oder nach zehn). Dass Bräune, bzw. ihr Erwerb aber in der Tat eine ernstzunehmende Arbeit sind, wird einem erst am Strand bewusst. Trotz aller Gefahrenmeldungen und vor allem trotz der bestialischen Hitze (ja, es ist wirklich genauso, wie in den Medien gemeldet), gibt es außer uns an sich niemanden, der sich unter den Schirm legt. Ganz viele legen maximal ihre Kinder drunter, aber die allermeisten liegen gänzlich unter diesem glühenden Ball. Es weht immer ein leichter Wind und somit ist es auszuhalten, aber macht sich denn außer mir keiner Sorgen??

Egal, kann und muss mir egal sein. Ich wollte eigentlich etwas ganz anderes berichten. Nämlich, dass auch der schönste Urlaub, die wärmste Sonne und der tollste Strand mal eine kleine Pause brauchen. Zumindest für mich. Ich bin da wie diese kleinen Kinder, die so wahnsinnig gerne zuhause sind und schauen, ob all ihre Sachen noch da sind und sie ein wenig von hier nach da räumen und dann auch wieder zurück, die durch die Wohnung stromern und hier an etwas rücken und dort etwas zupfen. Man möge mich nicht falsch verstehen, ich finde Reisen und draußen sein und Meer und Wind und Restaurants und all das ganz großartig und wer jemals erlebt hat, wie ich bin, wenn ich zu lange zu hause bin, würde mit mir auch ohne Klagen bei strömendem Regen in den Zoo gehen, aber manchmal ist es eben doch das Allerallerschönste, zu hause zu sein. Vor allem, wenn das Wetter ist wie heute. Nach diesem wirklich grauenvoll heißen, stickigen, feuchten (88%) Tag in der Toskana waren wir gestern wie die toten Fliegen am Strand gelegen und haben uns über den Wind gefreut, der dann am Nachmittag so stark geworden ist, dass mich sogar unser Schirm von hinten attackiert hat. Er hat sich aus seiner Verankerung gerissen und wollte fliehen. Alle anderen Schirme haben es ihm dann gleichgetan.

Heute Morgen dann hatte ich schon so ein Gefühl, dass es gar nicht schlecht wäre, einen Tag daheim rumzusandeln und ich habe Betten bezogen, gewischt, gebügelt und so weiter (nein, ich habe tatsächlich keine Haushaltshilfe, ich kann es selbst kaum glauben, aber noch bewältige ich es ohne, dass man die Kammerjäger rufen muss! Ich werde dafür oft und gerne mit einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit angeschaut.). Wir sind dann letztendlich doch gefahren, aber am Meer war so irre starken Wind (30km/h), dass ich mich zudecken musste, weil es im Schatten zu kalt war, in der Sonne hingegen zu heiß (siehe oben). Lesen konnte man gar nicht, nur im Kindle und die Brille musste man alle fünf Minuten vom Salzfilm befreien. Meine Haare haben naturgemäß getan, was sie wollten und ich bin zunehmend unwirsch geworden. Tiere (außer so komischen Segelvögeln) mögen ja auch keinen Wind, ist also ein völlig normaler Instinkt von mir und kein böser Wille gegen das Kitesurfen wie mir das von meinem Mann unterstellt wird. Jedenfalls sind wir dann schon ganz früh am Nachmittag heimgefahren und zu einkaufen und jetzt wasche ich ein bisschen und schreibe und kann ein T-shirt anhaben, weil es so herrlich kühl ist. Wunderbare, wunderbare Ferien!

NACHTRAG: Habe ca. eine Minute nach Blog-Veröffentlichung nach der Waschmaschine geschaut, dabei entdeckt, dass sich ganz schön viel Schmutz dahinter angesammelt hatte (sie steht draußen), angefangen zu fegen, kurz innegehalten, Windverhältnisse bedacht und dann den Kärcher rausgeholt. Zwei Stunden gekärchert, gekocht, gegessen und jetzt liege ich im Bett und freue mich auf den Strand morgen!!!!

What goes around, comes around

Was für ein aufregender Tag! So viele Erlebnisse. Ich muss der Reihe nach beginnen. Der Tag begann mit einem Anruf der lieben Mare, die mich auf die fürchterlichen Erdbeben in Rom aufmerksam gemacht hat und eine Verschiebung meiner Reise dringend angeraten hat. Nach einigem strategischem Geplauder haben wir uns verabschiedet und ich habe mich dran gemacht, meine kleine Handtasche von gestern Abend umzuräumen, weil sonst wieder Lippenstifte, Puder und sonstiger Kram auf Nimmerwiedersehen darin verschwinden. Auch das Geld aus dem kleinen Ausgehbeutel (ich weiß, ich bin ein Spießer, aber wer jemals mein normales Portemonnaie gesehen und gehoben hat, weiß, dass es durchaus sinnvol ist, abends mit leichtem Gepäck zu reisen. Vor allem, wenn man zu Fuß unterwegs ist.) wollte ich wieder umschichten (naja, drei Scheine….klingt recht erhaben dieses „Umschichten“, aber „Umräumen“ hab ich schon verbraucht und naja, egal). Trotz heftiger Suche war kein rosa Beutelchen zu finden. Da dieses kleine Biest von Tasche trotz ihrer relativen Kleinheit schon einmal über Monate mein französisches Iphone in Geiselhaft verborgen hatte, habe ich misstrauisch nochmal gründlich geschaut, mir dabei eine Nadel aus dem Nähset unter den Mittelfingernagel gerammt (deshalb nähe ich nicht, keine Ahnung, warum ich den verletzungslastigen Kram dann überhaupt mitschleppe??!!) und schließlich aufgegeben. Draußen lag auch nichts. Und dann dämmerte es mir:

Das kleine leichte Beutelchen muss auf der Straße beim Handschuherausziehen die Chance zur Flucht ergriffen haben und hat sich hinausgestürzt. Oder anders gesagt, es wurde in die eisigen Tiefen der Straße geschleudert. Zusammen mit meinen Visitenkarten und einem anonymen Anruf um 21.43 Uhr bei mir zuhause ergab das in meiner Fantasie eine ungute Kombination und ich war verstört. Außerdem traurig, weil ich – bis auf die blöden 150 Euro vom letzten Jahr, die mir aus der Hosentasche gerutscht waren – noch nie was verloren hatte. Es war nicht das Geld, es war nicht das Beutelchen, es war einfach die Tatsache, die mich betrübt hat. Bin dann meinem Tagwerk nachgegangen, hab ein bisschen vor mich hingejammert und dann am Nachmittag auf dem Weg zum Flughafen nochmal den Weg abgefahren und habe natürlich nichts gefunden. Vom Auto aus hab ich meine Mutter angerufen und wie es fast immer so ist, hat just in diesem Moment meine Mailbox geklingelt und ich aus einem Impuls habe ich das Gespräch unterbrochen und die unbekannte Nummer zurückgerufen.

Dran war eine zauberhafte junge Frau mit einer lachenden Stimme, die mich gefragt hat, ob ich vielleicht etwas verloren hatte. Ich hätte fast geweint vor Freude und sie hat sich erst gefreut. Das war so eine Freudenspirale, denn sie hatte auf dem Heimweg mit einem Kollegen das Beutelchen gefunden und sich gefreut, dass eine Karte drin war (was mir am meisten Sorge bereitet hatte!) und als ich sie gebeten habe, zwanzig Euro zu nehmen, hat sie so vehement abgelehnt und gesagt, sie bringt mir das Beutelchen, weil sie im Kino neben meiner Wohnung arbeitet und das für sie überhaupt kein Umstand ist. Kann man das glauben? So wahnsinnig nette Menschen gibt es und sie hat sich immer wieder genau wie ich einfach nur darüber gefreut, nett sein zu können, helfen zu können und dass sie jemanden froh gemacht hat. Wir waren in einem Perpetuum Mobile der Freude und ich habe die Geschichte gleich ganz vielen Menschen erzählt und jeder hat sich gefreut und damit sind wir wieder bei meiner Ausgangsüberzeugung, auf die ich immer wieder zurück komme: 1. Die meisten Menschen möchten gut sein und handeln, 2. Mit solchen Handlungen löst man eine Kettenreaktion, ein Schneeballsystem aus. Es kommt nicht immer an der gleichen Stelle zurück, aber es kommt. Ich hatte übrigens zu Beginn des Abends einem jungen Mann, der mich auf der Straße angesprochen hatte, Geld gegeben und zwar auch noch etwas mehr, als das, um das er mich gebeten hatte. Cool, oder?

Neujahrsappell: Für mehr Toleranz gegenüber Schönheit

In den letzten Wochen, aber natürlich auch vorher, ist mir beim Essengehen Folgendes aufgefallen: Kaum liegt ein Restaurant an einer besonders schönen Stelle und wird damit viel besucht, wundert man sich, dass man dort auch gut essen kann. Oder ist erstaunt, dass das Essen nicht grauslich und touristenfallig ist. Ist das nicht gemein? Warum sollte ein Restaurant, sagen wir mal, am Rialto oder mitten in Trastevere, das Unsummen für die Miete ausgeben muss, ausgerechnet am Koch sparen? Kaum ist etwas hübsch, denkt man gern, es könne keine inneren Werte haben. Nicht dass Sie jetzt denken, ich litte unter diesem Problem. Keine Spur. Ich war in meinen Teenagerjahren weit davon entfernt, als superhübsch zu gelten. Und als Kind schon gleich gar nicht. Was gut ist, wie mein Mann immer sagt, denn es macht im späteren Leben Manches leichter, weil man gleich gelernt hat, sich nicht auf sein Aussehen zu verlassen, das sich betrüblicherweise ja doch ändert mit der Zeit.

Besonders ist es mir aufgefallen, als wir in Venedig an unserem letzten Tag noch einmal Pasta in der Sonne essen wollten und zwar an einem Platz, an dem auch was zu sehen und voilà, welcher würde sich besser eigenen als die Rialtobrücke? Um kurz vor zwölf (wir hätten eigentlich schon längst auf der Autobahn sein müssen) wurde unser Essen geliefert und die Spaghetti al Pomodoro (bei denen man entgegen landläufiger Meinungen ALLES falsch machen kann und deren perfekter Rezeptur und Textur ich immer noch nachjage) waren ein Gedicht. Nun sind sie sowieso mein Verlobungs-Venedig-Essen, an dem sich sämtliche Kochversuche orientieren, aber diese waren außerordentlich gut. Haben wir auch bei Schönheit Vorurteile? Gar böse Vorurteile? Meine Meinung zu Touristenattraktionen, die ja – ist man auch nur ein kleines bisschen Individualist, will heißen, fährt Audi, hat ein iPhone, trägt Nikes – gemeinhin verdammt werden, ist, dass es ja einen Grund haben muss, warum sie zu dem geworden sind, was sie sind. Und sie sind wohl irgendwann mal besonders schön gewesen. Und können meistens gar nichts dafür, dass man sie heute hinter all den Souvenirständen und Snackbars kaum mehr erkennen kann.

Wir sollten Schönheit gegenüber nicht so abwertend sein, weniger Vorurteile haben. Nicht alle (Restaurants, Plätze, Frauen, Männer) bilden sich darauf etwas ein. Manche tun viel dafür, um sie zu erhalten, ihr gerecht zu werden, sie zu teilen. Überhaupt wäre die Welt um Vieles einfacher, wenn wir die Dinge zunächst mal so sehen könnten, wie sie sind. Und nicht mit der Brille der Erfahrungen, die unsere ganz eigenen sind oder der unfassbar großen Egozentrik, die wir haben. Nicht alles, was uns im Leben begegnet, bezieht sein Wesen aus der Spiegelung der Begegnung mit uns. Manche Dinge und Menschen sind einfach schon da und fertig und sind, wie sie sind. Als Summe ihrer eigenen Erfahrungen. Nicht als Reaktion auf uns. Zwar kann man sagen: hier gefällt es mir nicht, der Mensch und sein Verhalten ist nicht das, was ich in meiner Nähe möchte, selten jedoch verhält sich der Mensch nur in der Begegnung mit uns so. Zu 99% spiegelt sein Verhalten SEIN Wesen, nicht unseres. Ob wir uns dann den Schuh anziehen, ist unsere Sache. Ich werde dieses Thema noch vertiefen. Vielleicht bei einem schönen Essen an einem wunderschönen Ort. Mit einem schönen Mann.

Finalmente Venezia

Traditionen müssen gelebt werden. Erstens, um überhaupt entstehen zu können und zweitens um nicht zu sterben. Und so plagen wir uns Jahr für Jahr im Winter nach Venedig. Und seit wir vor Jahren mal durch Zufall und beinahe völlig zerstritten (um diese Zeit des Jahres gibt es bei uns entsetzlich viele Missverständnisse, weil halt an Weihnachten einer anschaffen muss und das meistens ich bin, weil ich zuhause bin und weiß, was für Fondue zu tun ist, etc.) ein wunderbares neapolitanisches Restaurant entdeckt haben, das ich sehr liebe, weil ich dort mein Zutrauen zu Krustentieren wiedergefunden habe, möchte ich dort jedes Jahr wieder hin gehen. ACHTUNG: Aufgrund großer Müdigkeit musste dieser Blogeintrag unterbrochen werden und das ist gut so! Wir waren inzwischen in diesem legendären Restaurant und nun kann ich die schalen Worte meiner Freundin verstehen, die auch dort war und auf meine begeisterte Nachfrage nur lasch sagte, ach, naja, da haben wir aber auch besser gegessen. Ich dachte mir noch, wie ist sie doch verzogen. Aber von wegen. Das Restaurant hat aufgrund meiner furiosen und kostspieligen Krustentierliebe umbauen können und zwar nicht zu seinem Vorteil. Alles ist neonhell und sieht aus wie der Konferenzraum eines Hotels. Greulich. Das Essen war versalzen und es gab auch gar nicht mehr die vielen kleine neapolitanischen Schweinerein auf Kosten des Hauses vorweg (mir ist natürlich klar, dass die nie auf Kosten des Hauses, sondern immer nur auf meine, bzw. die Kosten meines Mannes waren! Bin ja nicht doof!). Alles in allem war es eine Enttäuschung, unterhaltungstechnisch jedoch nicht, weil wir gegen Ende des Jahres immer viel zu besprechen haben, was zunächst vor sich hinbroddelt und dann rausblubbert wie der Vesuv oder wie dieses neapolitanische Dings eben heißt. Hinter uns saß ein zauberhaftes älteres Paar, die sich dauernd geneckt haben und sehr verliebt waren. Aber vielleicht haben sie sich auch gerade erst über Parship gefunden. Kann ja heute alles sein. Ich bin immer so leichtgläubig. Das letzte Mal, als ich seufzend dachte, oh mei, so alte Kinder und noch so verliebt, waren die erst seit acht Wochen beinander und noch völlig im Hormonrausch. Also bitte.

Auf dem Weg dorthin war jedenfalls Grund genug für Unstimmigkeiten, weil ich an jeder Ecke sehnsüchtig gekräht habe, wie gemütlich und schön dieses und jenes Restaurant doch aussähe, denn eigentlich hatte ich nicht mehr viel Hunger nach all den Aperitivi, die wir am Nachmittag schon genommen hatten. Und wenn ich keinen Hunger habe, bin ich auch nicht unbedingt willens, weit zu laufen. Wenn ich Hunger habe, allerdings auch nicht. Ach, es ist sicher auch nicht einfach mit mir. Das denke ich mir sogar beim Schreiben. Was jedoch für mich spricht, ist die unbedingte Zuverlässigkeit und Planungsgenauigkeit. Dass ich mich manchmal selbst fast zu Tränen rühre, wenn ich zum Beispiel in Paris feststelle, dass ich einen Ersatzsüßstoff im Schrank habe oder einen Zettel vorfinde, wo ich das Geld versteckt habe (das mach ich manchmal, man weiß ja nie, wer in die Wohnung kommt und dann kenne ich mich doch auch zu genau, um zu wissen, dass ich es sicherlich selber auch vergesse und in Panik verfalle, weil ich vergessen habe, dass ich es versteckt habe und davon überzeugt bin, dass es gestohlen worden ist), hab ich schon geschrieben. Aber was eben als Erinnerungsfunktion in meinem Computer aufgepoppt ist, hat mir dann doch die Sprache verschlagen: „Morgen 20.00 Uhr Essen im Rosa Rossa“.

Dazu muss ich ausholen: Auf dem langen Weg zu unserem ehemaligen Lieblingsrestaurant kamen wir an einer Pizzeria vorbei, die mir bekannt vorkam. Ich habe lange in meinem Gedächtnis gekramt und mir gedacht, da wollte ich sicher mal essen gehen. Kaum daheim hüpft also die Erinnerung an eben dieses Restaurant hoch. Ich bin sowas von entzückt von mir selbst, weil ich mir eben nicht denke: ach, das merk ich mir, sondern vorausblickend und mich selbst kennend denke, schreib es Dir auf, dann freust Du Dich! Zum Ende eines langen Jahres kann man ruhig auch mal wegen solcher Kleinigkeiten zufrieden und stolz mit und auf sich sein. Vielleicht gehen wir da morgen hin. Vielleicht wird es mein neues Lieblingsrestaurant. Ich werde berichten.

Ventilatoren, die sich träge drehen

Ob es auch anderen Menschen beim Anblick von Ventilatoren so geht? Für mich ist der Anblick von sich langsam drehenden Ventilatoren der ultimative Beweis, dass Ferien sind, dass ich mich in exotischer Umgebung befinde und alles gut ist. Ich stelle mir dann vor, ich sei in einem Roman von Somerset Maugham oder einem anderen dieser großartigen Schriftsteller, die den englischen Koloniallebensstil mit all seinen Irrungen, Wirrungen und Menschlichkeiten so grandios beschrieben haben. Zum Glück habe ich auch Ventilatoren und trotz meiner schwäbischen Herkunft lasse ich einen davon inzwischen auch fast den ganzen Tag laufen. Weil es hilft und weil ich es liebe. Er vermittelt mit seinen trägen Bewegungen so ein gleichmäßiges, beruhigendes Feriengefühl und eigentlich auch, dass der nächste Eistee oder Spritz nur einen Fingerzeig entfernt ist. Leider weigert sich mein Mann das einzig passende Kleidungsstück hierfür zu tragen, um es mir zu servieren. Es ist eine wunderhübsche Kombination aus weißen Leinenhosen und einem langärmligen Shirt, die er aber nur an eiskalten Wintertagen als Schlafanzug zu tragen bereit ist. Da nützt der schönste Ventilator nichts. Getränke hole ich mir auch selbst. Ist eben doch kein Roman.

Sowieso wird das gleichmäßige FLapFlapFlap, das sich aus welchen Gründen auch immer, in längeren Abständen zu einem etwas hektischeren FlapFlapFLap hinaufschwingt und so einschläfernd sein kann, gerade durch das Hämmern eines Presslufthammers erschüttert und da muss ich mich an einem Sonntag kurz vor August schon fragen, woher das kommt und vor allem: warum? Sollte jetzt schon der Moment sein, in dem illegal Terrassen verglast, gar umbaut werden? Arme Tagelöhner zu Renovierungsarbeiten gedrängt werden, weil die Nachbarn alle im Urlaub sind und sich an nichts stören können? Wenn die Sonne endgültig weg ist hier hinten, werde ich nachschauen gehen, aber – oh, eben kam mein Mann und war recht verdattert, weil ich hier herumliege, anstatt ihn beim Kaffeemaschinenentkalken (ja, schon wieder!) zu vertreten. Ich habe es schlichtweg vergessen. Von einer auf die andere Sekunde. Vergessen. Sowas. Muss am Ventilator liegen.

Tatsächlich hat unsere Wohnung zwei Seiten und zwar in jeder Hinsicht. Zur Hofseite ist es am Wochenende herrlich still, vom Park hört man ab und an zwar Kinder quietschen und lärmen (man muss sich zumindest in unserem Condominio wahrlich keine Sorgen machen, dass Italien ausstirbt, höchstens ältere Menschen wie ich werden taub, sonst passiert aber nichts weiter Schlimmes!), aber ansonsten ist es still. Auf der anderen Seite hingegen, der, die Vormittags und bis zum Abend im Schatten liegt, geht es zu wie auf dem Stachus. Die Grillen oder Zikaden (Unterschied???) führen sich auf als müssten sie den ganzen Baum umsägen, Nymphensittiche zwitschern sich gefühlvoll etwas vor und sobald auf der Straße ein Auto vorbeifährt, flippen sämtliche Hunde der Nachbarschaft vollkommen aus, weil ja einer der Fahrer hierher kommen könnte. Nähert sich dann noch einer dieser altmodischen Wagen mit Lautsprecher auf dem Dach, der für ein besonders tolles Waschmittel oder weiß der Henker wofür wirbt, flippen sie dergestalt aus, dass man um ihre kleinen Herzen fürchten möchte. Diese andere, aufregende Seite hat aber auch einen großen, großen Vorteil: sie liegt bis zum Spätnachmittag im Schatten und ist somit bestens geeignet, in eben dieser Geräuschkulisse zu dösen, sich den Grund der Geräusche auszumalen, Geschichten dazu zu finden und von drinnen dem FLapFlapFlap des Ventilators zu lauschen. Das werde ich heute tun. Sehr, sehr beruhigend.

Alles ändert sich. Auch der Stil.

Ich bin immer noch nicht viel weiter mit dem Fotobuch. Ärgerlich. Das Programm stürzt laufend ab und außerdem hat es sich verändert. Ich hasse diese zwanghaften Veränderungen. Meist sind sie zum Schlechten. Das kann man übrigens auch beim Kleidungsstil betrachten. Leider. Schaut man sich Fotos oder Filme von vor fünfzig, sechzig Jahren an, findet man fast durchgängig gut gekleidete Menschen. Im Büro, aber auch in der Freizeit. Heute tu ich mir bei meinen Projekten schwer zu unterscheiden, wer in der Werkstatt, als Praktikant oder Geschäftsführer arbeitet. Nicht, weil die meisten wie früher üblich einen Anzug oder Kostüm tragen, sondern weil sie eben fast ausschließlich Jeans, Leggins und wahlweise Holzfällerkaros oder Kapuzenpullis tragen.

Klar, sind alles Mords-Talente, die in ihrem Beruf glänzen und vielleicht gehen sie ja auch nicht gerne ins Büro und möchten das somit zum Ausdruck bringen. Aber erstaunlicherweise erscheinen sie auch so, wenn sie zu einem Fest eingeladen sind, für das sich der Gastgeber viel Mühe gegeben hat. Stiefel am Abend sind dann ebenso vertreten wie sehr erwachsene Männer mit Schlabberpulli und Jeans. Erstaunlich. Einen großen Vorteil hat das allerdings: nie war es einfacher, als gut gekleidet gebrandmarkt zu werden. Seit Zara, H&M und Mango ist es keine Frage des Geldes mehr, sich der Situation und anderen gegenüber angemessen zu kleiden. Es ist ausschließlich eine Frage der Bequemlichkeit geworden. Leider.

Für mich ist es völlig unverständlich, wieso einem so wichtig ist, anderen zu demonstrieren, dass man keinen Wert auf Formen oder den jeweiligen Anlass legt und sich selbst damit vermeintlich über die Dinge stellt. Die wenigsten schnoddrig gekleideten Kapuzen- und T-Shirtträger glänzen mit Esprit und lassen einen die Erscheinung vergessen. Im Gegenteil, sie präsentieren ihre Worte und Ansichten, so sie welche haben, genauso unengagiert wie sich selbst. Warum gehen sie dann aus dem Haus? Warum unter Menschen? Kleidung reduzieren sie damit wieder auf Neandertalniveau, denn sie dient offenbar ausschließlich dem Nichtfrieren und der Bequemlichkeit. Wie Nahrungsaufnahme übrigens. Sehr schade.

Der König steckt nie Bargeld ein

Wer hätte schon jemals einen König beim Bezahlen von Kaugummis beobachtet? Oder wie er versucht, einen Zehner im Zeitschriftengeschäft für die Parkuhr zu wechseln? Wer? Müssen Könige zwanzigseitige Handyverträge lesen oder die Bedienungsanleitung von Waschmaschinen? Eben. Und wie bitteschön kann man dann vom Kaiser erwarten, dass er das tut? Von ihm, der er seinen Titel nicht nur von höherer Stelle, sondern auch noch vom Volk und der Bildzeitung verliehen bekommen hat!? Ist doch klar, dass einer, der sich seine Meriten durch beharrliche Unantastbarkeit (in Bayern sagen wir auch gerne „Wurschtigkeit“) erarbeitet hat, darauf vertraut, dass keiner es wagen würde, ihn in die Bredouille zu bringen oder gar in Frage zu stellen. Ja, wo samma denn?

Ignoranz ist eine Gabe, ein Geschenk, ein Erfolgsbeschleuniger, dessen Wirkung sich diejenigen, die darüber verfügen, nur selten bewusst sind. Für mich zählt es zu den wichtigsten Merkmalen erfolgreicher Menschen. Es ist natürlich im Gegenzug verbunden mit der absoluten Ausrichtung auf ein Ziel, hinter dem alles andere zurückfällt, in den Hintergrund tritt. Das ist notwendig und wenn man im Urwald mit dem Flugzeug abstürzt, auch durchaus überlebensnotwendig. Dann noch darauf zu achten, ob einer der anderen über eine Wurzel stolpert oder einen Spreißel im Fuß hat, geht dann einfach nicht. Fokussieren ist alles.

Das gilt momentan mehr denn je. Ob nun geliebte Menschen durch ihren Beruf dauernd in „unmittelbar und konkret bedrohte“ Gebiete reisen oder die Gefahr in Form offener Tuberkulose quasi frei Haus in die Nachbarschaft geliefert wird, die Welt hat sich im Schweinsgalopp verändert und zwingt uns zur Besinnung und Konzentration auf das, was für jeden einzelnen von uns zählt. Das ist natürlich völlig unterschiedlich. Für mich hat es viel mit dem zu tun, was praktischerweise auch momentan gut in die vorweihnachtliche Zeit passt: Menschen, die einem nahe stehen und die Zeit, die man mit ihnen verbringen kann. Vieles fällt dann von den Beziehungen ab, wie Kalk oder Schmutz, der abbröckelt und was dann bleibt, ist das, was zählt.

Feedback-Woche

Warum ist man eigentlich so scheu mit Feedback? Mit dem Äußern seiner Meinung? Wenn ich wo gerne und regelmäßig hingehe, fände ich es ärgerlich, dies nicht mehr tun zu können, nur weil ein Aspekt der Leistung mir nicht gefällt oder mich gar verärgert. Ich bin äußerst freigiebig mit Lob, bei Kritik dafür eher scheu. Mein Mann sagt nie was, geht dann einfach nicht mehr hin, was ich in Timbuktu praktikabel finde, in einer mittelgroßen Stadt mit kleinem Tagesradius hingegen ausgesprochen hinderlich. Und so beginne ich gerade, mir anzugewöhnen, bei Dingen, die mich wirklich stören, etwas zu sagen. Und – oh Wunder – es klappt einwandfrei.

Im Gegenteil, die Beziehung wird besser, weil der Andere merkt, dass man Vertrauen hat, weiß, dass es normalerweise besser geht und vorhat, wiederzukommen. Ich habe das nun bei meiner Autowerkstatt, einer Tankstelle und meiner Maniküre in Augsburg (in Paris ist das echt tippitoppi) probiert und alle drei waren froh, haben sich bedankt und gemeint, sie hätten schon gewusst, dass da was nicht ganz rund liefe, aber wussten nicht genau, was und wo. Und so habe ich jetzt bei JET einer künftigen Tankstellenbetreiberin zu einem riesigen Lob und vielleicht sogar einem Karriereschub verholfen, dafür gesorgt, dass der Kosmetiksalon meines Vertrauens eine ordentliche Lackpräsentationsfläche bekommt und bekomme – ebenfalls lackorientiert – meine Türe nochmal poliert. In Rom zum Beispiel wird man kaum ernst genommen, wenn man das erste Angebot einfach so nimmt. Oder gar den ersten Tisch. Da muss man sogar manchmal erst beinahe streiten und sich dann versöhnen und ist dann Freund fürs Leben, weil man gemeinsam einen großen Missverständnisstein weggerollt hat. Das finde ich allerdings anstrebend.

Die Grenze zur Mäkeligkeit ist ziemlich schmal und ich habe in meinem ersten Job gelernt, dass man immer nur den Ball, nie den Spieler treten soll. Wenn so eine Bemerkung nicht gut aufgefasst wird, ist das auch gut, dann weiß man, dass das nicht das Umfeld ist, in dem man weiter kaufen oder sich bedienen lassen muss und da wir zum Glück nicht im Sozialismus leben, gibt es ja auch immer Alternativen, die besser passen. Ich für meinen Teil habe jetzt jedenfalls meine Feedback-Woche abgeschlossen und sogar einen neuen Schuster gefunden, ab jetzt kann ich mich auf den Geburtstagsausflug mit Mare und co freuen!

Charlotte – Sophie und Christophe lernen sich kennen

Es lebte einmal ein Mädchen im Norden Frankreichs. Sie war war zart und blond, mit feinen Zügen und hellen, fragenden Augen. Ihr Name war Sophie. Sophie war ein stilles und eher schüchternes Mädchen, das viel zuhause am Klavier spielte und nicht viele Freundinnen hatte. Sie war das einzige Kind, ihr Bruder war kurz nach seiner Geburt gestorben und von diesem traurigen Ereignis hatten sich die Eltern, die so sehr auf einen Erben für ihr kleines Lebensmit-tel- und Weingeschäft gehofft hatten, nie wirklich erholt. Sie ließen es Sophie nie spüren, aber sie merkte selbst, dass der Bruder mehr da war, nachdem er tot war, als er es je hätte le-bendig sein können. Sophie war ein gutes Mäd-chen, sie war fleißig in der Schule und nach den Hausaufgaben half sie selbstverständlich im Laden aus. Dort war es auch, als sie Chri-stophe zum ersten Mal sah. Er war mit seinem Vater in die Nähe ihres Städtchens gereist, weil dort ein Futterproduzent sein neues Futter präsentiert hatte. Sie sah ihn das erste Mal, als sie siebzehn war. Er kaufte Zigaretten im Laden ihrer Eltern während sie gerade Cornflakespackungen einsortierte. Und als sie ihn sah, war es um sie geschehen. Äußerlich war er das kom-plette Gegenteil von ihr. Wo sie zarte rotblonde Haare hatte, wuchsen ihm wilde, dicke und rabenschwarze Locken. War ihre Haut zart und voller Sommersprossen, hatte seine die Farbe von Oliven. Seine Hände waren riesig, genau wie er. Aber seine Stimme war wie Musik in ihren Ohren. Voll, tief, melodisch und vor allem so warm wie sie glaubte, niemals zuvor, eine ge-hört zu haben. Sie hoffte so sehr, dass er doch mehr kaufen würde als diese Packung Zi-garetten. Aber er tat es nicht. Als er bezahlte und den Laden verließ, glaubte sie, ihr Herz müsste brechen. Und dann fasste sie einen kühnen Entschluss. Rasch zog sie den Kittel aus, sagte ihrer Mutter, dass sie eine Verabre-dung vergessen hätte und rannte ihm nach.
Er hatte lange Beine und war offenbar das Lau-fen über Felder gewohnt, denn seine Schritte war doppelt so groß wie die von Sophie und sie musste sich sehr anstreben, ihn einzuholen. Als sie endlich vor ihm stand, wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Aber das war auch gar nicht nötig. Christophe starrte sie zuerst ungläubig an und dann ging ein Lächeln über sein Gesicht, das alles Harte daraus verbannte und die Welt um die beiden hörte auf zu existieren.
Bald geht’s weiter.

Kaufbulimie

Meine weise Mutter hat heute ein sensationelles Wort geprägt, das bei gleichgesinnten (schwäbischen) Profis sofort auf allergrößte Zustimmung getroffen ist. Kaufbulimie. Man kauft etwas ein und gibt es dann zurück. Natürlich nicht vorsätzlich, aber ich kann mich erinnern, dass ich ein größeres deutsches Warenhaus ab und an durchaus wie eine Bank behandelt hatte, indem ich etwas gekauft habe und das Geld damit von meinem Konto weg war und ich es dann zurück gegeben habe und das Geld eben immer noch da war. Albern, aber sehr effektiv, denn wenn es auf dem Konto geblieben wäre, hätte ich es vielleicht für etwas anderes ausgegeben. Und so eben nicht. Eine Shoppingversicherung sozusagen.

Die beiden Kleider, die ich zurückgegeben habe, waren ein klassisches ‚Im-Laden-eigentlich-ganz-schön-Phänomen‘, daheim und mit Abstand aber dann eben nicht mehr. Wenn man zu zweit einkaufen geht, passiert das schon mal, dass man selbst und die Begleitung d- nach einigen Fehlversuchen in der Relation – begeistert ist und die Sachen nimmt (in meinem Fall der dusslige Outdoor-Hybrid). Früher hätte ich die Sachen dann vielleicht behalten, aber inzwischen weiß ich, dass sie nur herum hängen und für ein schlechtes Gewissen und schlechtes Feng Shui (oder so) sorgen. Und erstaunlicherweise freue ich mich wie ein Kind über das zurückgebuchte Geld und meine Lücke im Kleiderschrank. Irgendwie befreit und leicht.

Männer sagen zu Recht, man hätte es gar nicht erst ausgeben müssen oder sparen tut man nur, wenn man etwas gar nicht kauft, was natürlich völliger Schwachsinn ist, denn dann kann man genauso sagen: wer früher stirbt, ist länger tot. Klar, brauchen tun wir alle nichts, aber wenn uns etwas Hübsches vor die Flinte läuft, ist es doch wesentlich sinnvoller und befriedigender, wenn man bei etwas, das man zwar nicht braucht, aber gerne hätte, immerhin noch etwas spart. Männer schauen sich dafür blöde gruselige Filme an und freuen sich dann, wenn sie ins Bett kommen, dass sie eben nicht dauernd mit Monstern kämpfen oder von brennenden Motorrädern rumballern müssen, sondern schön in frischer Bettwäsche schnorcheln können. Frauen sind eben viel pazifistischer veranlagt in ihren Bedürfnissen und Freuden.